Content

Auch im vergangenen Jahr habe ich unter der Rubrik „Wein und Wahrheit“ jeden Monat eine Wein-Kolumne im ef-Magazin veröffentlicht. Die gesammelten Kolumnen 2014 habe ich wieder hier im Blog zusammengestellt.

Großstadtwein

Abseits und doch mittendrin

ef 139 – Januar/Februar 2014

Dass Weinberge innerhalb des Gebiets einer größeren Stadt liegen, ist keine Seltenheit. Am bekanntesten dürfte in Deutschland die Spitzenlage Würzburger Stein sein, an der man mit dem Zug direkt vorbeifährt. Beispiele von Städten mit über einer halben Million Einwohner gibt es dagegen wenige – im Ausland etwa Wien oder Prag, doch auch in zwei deutschen Großstädten wachsen Weinreben, und zwar eher außerhalb oder am Rand der klassischen Anbaugebiete: in Frankfurt und Hamburg.

Der 185 Meter hohe Lohrberg liegt im Frankfurter Stadtteil Seckbach und gehört zum Weinbaugebiet Rheingau. Der Lohrberger Hang – so der offizielle Lagenname – umfasst 1,3 Hektar und ist komplett mit Riesling bestockt. Eigentümer ist das Weingut der Stadt Frankfurt, das darüber hinaus noch knapp 24 Hektar Rebfläche in Hochheim am Main unterhält. Seit 1994 bewirtschaftet der Winzer Armin Rupp als Pächter den Weinberg in Frankfurt, dessen Ursprünge sich bis ins 9. Jahrhundert zurückverfolgen lassen. Jährlich werden rund 10.000 Flaschen „Frankfurter Lohrberger Hang Riesling“ produziert, die zu speziellen Anlässen im Frankfurter Römer ausgeschenkt, aber auch im Weinladen neben dem Rathaus frei verkauft werden.

In Hamburg stehen am Stintfang im Stadtteil St. Pauli, oberhalb der Landungsbrücken und zu Füßen der Jugendherberge, 100 Rebstöcke. Der 20 Meter hoch gelegene Weinberg am rechten Elbufer wurde 1993 zum zehnjährigen Jubiläum des „Stuttgarter Weindorfs“ in der Hansestadt angelegt und mit Regent und Phoenix bepflanzt – beides pilzwiderstandsfähige Rebsorten, da der Standort sehr feucht ist. Bewirtschaftet wird das 500 Quadratmeter große Areal vom Weingut Currle in Stuttgart-Uhlbach, wo die Trauben auch verarbeitet werden. Die „Hamburger Stintfang Cuvée“ ist somit eigentlich ein Württemberger Wein und vom Typ her ein Rotling, der aus einer roten und einer weißen Sorte gekeltert wird. Die pro Jahr erzeugten 50 bis 200 Flaschen Wein erhalten ausschließlich besondere Gäste der Hamburger Bürgerschaft.

Vielfalt und Größe

Weinregion Languedoc-Roussillon

ef 140 – März 2014

Das Languedoc-Roussillon im Süden Frankreichs ist mit 236.500 Hektar nicht nur die größte Weinregion des Landes, sondern sogar das größte zusammenhängende Weinbaugebiet der Welt, und auch die Bio-Rebfläche ist hier größer als irgendwo sonst.

Die Region lebt von ihrer Vielfalt – an Böden, an Klimabedingungen, an Rebsorten und demzufolge an Weinen. Die Böden sind überwiegend lehm- und kalkhaltig, doch es kommen ebenso Schiefer, Sand und Vulkangestein vor. Das Klima reicht von mediterran an der Mittelmeerküste über kontinental im Landesinneren bis zu atlantischen Einflüssen im Westen des Gebiets. Das breite Traubenspektrum umfasst einheimische Sorten (etwa Marsanne, Roussanne, Grenache und Carignan) ebenso wie internationale Varietäten (Chardonnay, Sauvignon Blanc, Merlot oder Syrah).

Hier gibt es alle Arten von Wein: Weiß-, Rot- und Roséweine, Schaumweine und so genannte natürliche Süßweine. Bei diesen Vins Doux Naturels wird die Gärung mittels Zugabe von neutralem Branntwein gestoppt, so dass noch viel traubeneigener Zucker in der gehaltvollen Spezialität verbleibt.

Das System der Herkunftsbezeichnungen für die Weine ist ebenso vielfältig wie kompliziert. Es gibt 24 geschützte geografische Angaben (Indication Géographique Protégée = IGP) auf regionaler, departementaler und lokaler Ebene mit 28 Zusatzangaben sowie 36 geschützte Ursprungsbezeichnungen (Appellation d‘Origine Protégée = AOP) mit 21 zusätzlichen Terroir- und Gemeindeangaben. Dabei sind speziell die AOP-Vorgaben sehr differenziert und strikt, und Weine, die nicht genau die jeweils für eine AOP zugelassenen Rebsorten enthalten, dürfen nur eine IGP-Bezeichnung tragen. Generell profilieren sich die IGP-Weine meist über eine Rebsorte, was die Orientierung erleichtert.

Das Languedoc-Roussillon ist die heißeste Gegend Frankreichs, so dass viele Weine kraftvoll und alkoholstark sind. Gewächse aus Höhenlagen jedoch beeindrucken mit Kühle, Schliff und Mineralität. Und diese Spitzenweine sind bemerkenswert günstig!

Glutamatweintrinker

Übersättigung schafft Monster

ef 141 – April 2014

Viele Weintrinker, die ich kenne, bevorzugen Rotwein. (Bei mir ist das anders: Ich trinke zu mindestens 80 Prozent weiß.) Gerade Menschen, die eher wenig Weinerfahrung und -wissen haben, fragen meiner Beobachtung zufolge vorwiegend nach Rotweinen, und zwar nach einem bestimmten Typ: „Was Dunkles und Kräftiges“ soll es sein. Gemeint sind damit bei näherem Hinsehen jedoch vielfach marmeladige und verholzte Weine, die sich durch eine weiche, in die Breite gehende Frucht und aufdringliche, den Mund austrocknende Gerbstoffe auszeichnen.

Körperreiche und gehaltvolle Rotweine schätze ich selbst auch, doch die hier beschriebenen Weine, die offenbar den breiten Geschmack treffen, haben nach meinem Dafürhalten von allem etwas zu viel: Alkohol, Überreife, Holztannin. Sie wirken oft überzogen, unausgeglichen und anstrengend (jedenfalls auf mich).

Warum aber haben viele Menschen eine Vorliebe für solche „Monsterweine“? Das hat meiner Ansicht nach mehrere Gründe: Zum einen ist dieser plakative Weintyp der, den der weltweit wohl bekannteste Weinkritiker Robert Parker tendenziell am höchsten bewertet – wobei er, wie er sogar offenlegt, maßgeblich seiner eigenen Präferenz folgt. (Wie objektiv sind diese in der Weinwelt so beachteten Urteile dann übrigens eigentlich?) Zum anderen, so behaupte ich, ist der Geschmackssinn der allermeisten Konsumenten heutzutage durch verstärkende (oder kaschierende) Zusatzstoffe in den Lebensmitteln, die von der Nahrungsmittelindustrie für Handel und Gastronomie hergestellt werden, derart abgestumpft, dass es übersteigerter, geradezu brachialer Reize bedarf, damit die Leute überhaupt noch etwas schmecken.

Der Verbrauchergeschmack ist durch Convenience Food und Fast Food übersättigt und vereinheitlicht, so dass nur besonders ausdrucksstarke Weine sich durchsetzen können – weil nur sie überhaupt wahrgenommen werden. Auch ich mag charaktervolle Weine; doch wenn der Ausdruck sich hauptsächlich in Grobheit und Überzüchtung zeigt, sind wir auf dem falschen Weg.

Orange Wine

Rotwein aus weißen Trauben?

ef 142 – Mai 2014

Seit einiger Zeit geistert der Begriff „Orange Wine“ durch die Weinszene. An ihm entzünden sich kontroverse Diskussionen, die schon bei der Definition beginnen. Liebhaber sehen in Orange Wine ein innovatives Produkt, das uralte Weinbautradition wiederbelebt und den Prinzipien der Natur folgt. Verächter halten Orange Wine für Verrat an der modernen Kellertechnik und schlicht für ein fehlerhaftes, ungenießbares Erzeugnis. Worum geht es dabei?

Nach inzwischen allgemeiner Übereinkunft sind Orange Wines auf der Maische vergorene Weine aus weißen Trauben; Punkt. Üblicherweise werden bei der Weißweinbereitung die Trauben erst gepresst und dann der Most vergoren. Bei Orange Wines werden jedoch – wie bei der Rotweinherstellung – die Schalen und Kerne der Trauben mit verarbeitet, und erst nach der Gärung wird gepresst. Durch den Maischekontakt werden die Farbstoffe, die ausschließlich in den Beerenschalen sitzen, und auch Gerbstoffe (Tannine) herausgelöst. Orange Wines zeichnen sich also durch eine dunklere Farbe (daher der Name) und einen herben Geschmack aus – und durch lange Haltbarkeit.

Die Gärung erfolgt oft in Holzfässern, Zementtanks oder auch in Amphoren; Sauerstoffkontakt ist meist grundsätzlich erwünscht, und viele Orange Wines werden demzufolge auch wenig oder gar nicht geschwefelt, was ihnen mitunter gewisse Oxidationsnoten einbringt. Die meisten Erzeuger von Orange Wines arbeiten biologisch oder biodynamisch, so dass die Naturnähe bereits im Weinberg beginnt. Alle diese Faktoren treffen auf zahlreiche Orange Wines zu, doch sie sind keine notwendigen Kriterien; das ist allein die Maischegärung.

Ihren Ursprung haben die Orange Wines in Südosteuropa (etwa in Georgien), doch heute kommen sie auch aus Italien, Österreich, Kroatien, Slowenien, Frankreich oder Deutschland. Wie immer gibt es jede Menge Schrott, doch bei einem guten Orange Wine mag ich die griffige und zugleich schmelzige Textur und die charakteristischen Aromen von Marzipan, Trockenfrüchten und Erde.

Weltuntergangsweine

„Wahrhaftiges“ vom Weingut Werlitsch

ef 144 – August 2014

Noch bis vor Kurzem hätte ich auf die Frage, welchen Wein ich auf die berühmte einsame Insel mitnehmen würde, sofort und nachdrücklich mit „Champagner“ geantwortet. Inzwischen kenne ich aber die Weine vom Weingut Werlitsch aus der Südsteiermark, und die sind so tief, komplex und langlebig, dass ich mit ihnen vorbehaltlos irgendwo abseits der Zivilisation den Weltuntergang abwarten würde.

Werlitsch – bzw. Winzer Ewald Tscheppe, der den Werlitschhof bewirtschaftet – produziert ganz eigenständige Gewächse, die so außergewöhnlich sind, dass sie als Landwein deklariert werden müssen und keine formal höhere Qualitätsbezeichnung tragen dürfen. Doch das ist überhaupt kein Manko! Tscheppe arbeitet biodynamisch, also so naturnah wie möglich, und das ist sein Credo: „Das ‚schlichte‘ Ziel ist es, einen Wein zu keltern, in dem die feinen Geheimnisse der Natur enthalten sind. Das sind Weine, die leben, die bewegen und die positiv auf Gesundheit und Geist wirken“, sagt er.

Die Reben sind durchschnittlich 20 bis 25 Jahre alt und stehen auf Kalkmergel, Opok (Sedimentgestein), Lehm und Sand. Für die Weinlinie „Ex vero“ werden hauptsächlich Sauvignon Blanc und Morillon verwendet; sie besteht aus einem Gemischten Satz namens „Legoth“, jeweils einem reinsortigen Morillon und Sauvignon Blanc, einer Trockenbeerenauslese sowie den drei Stufen „Ex vero I“, „Ex vero II“ und „Ex vero III“, die sich durch die Lagen unterscheiden, aus denen die Trauben stammen. Daneben gibt es einen maischevergorenen Orange Wine und einen Amphorenwein.

Die Weine von Werlitsch polarisieren und sind definitiv „Weine für Fortgeschrittene“. Sie haben keine knallfruchtigen Primäraromen, sondern drücken sehr viel Boden aus; sie zeigen eher Noten von Kräutern, getrockneten Blüten und Zitrusfrüchten, Nüssen und Erde – und das Mundgefühl ist schier überwältigend. Diese Weine entfalten sich erst bei etwa 15 Grad Temperatur und entwickeln sich über mehrere Tage, sogar Wochen an der Luft; dekantieren dringend empfohlen!

Gipfelstürmer

Gebirgsweine aus dem Aostatal

ef 145 – September 2014

Ganz im Nordwesten Italiens, an der Grenze zu Frankreich und zur Schweiz, liegt das kleinste Weinbaugebiet des Landes: das Aostatal. Seinen Namen hat es von der Festung „Augusta Praetoria“, die die Römer im Jahr 25 vor Christus hier gründeten, um die Alpenpässe über den Kleinen und Großen St. Bernhard zu kontrollieren. Auf die Römer geht auch der Weinbau in dieser Gebirgsregion zurück, und ihre einstige Festung wurde zur heutigen Gebietshauptstadt Aosta.

Bis 1946 gehörte das Aostatal zu Savoyen und ist heute offiziell zweisprachig; auch die meisten Weinflaschen-Etiketten sind sowohl in Italienisch als auch in Französisch beschriftet. Das Tal, gebildet vom Fluss Dora Baltea, wird hufeisenförmig von den Walliser und den Cottischen Alpen umschlossen und hat rund 720 Hektar Rebfläche (gegenüber mehr als dem Vierfachen Ende des 19. Jahrhunderts).

Die Stöcke wachsen auf sandigen Böden mit geringer Tiefe und stehen großenteils auf steilen Terrassen, die Mönche vor mehreren hundert Jahren an den felsigen Hängen angelegt haben. Die Lagen reichen hinauf auf bis zu 1.200 Meter und zählen damit zu den höchsten der Welt. Trotz der heißen, trockenen und relativ kurzen Sommer, die das Aostatal-Klima prägen, geraten die Weine hier dadurch oft kühl und differenziert.

Viele Winzer setzen dabei auf alte, autochthone Rebsorten. Weit verbreitet in dem kleinen Gebiet sind etwa die weißen Trauben Petite Arvine, Prié Blanc und Muscat à Petits Grains sowie die roten Trauben Fumin, Petit Rouge, Gamay, Cornalin, Mayolet, Syrah, Pinot Noir und Nebbiolo (hier: Picoutener). Neben einer geschützten Herkunftsbezeichnung, die die gesamte Region umfasst (Valle d‘Aosta DOC), bestehen sieben untergeordnete DOC-Bereiche: Arnad-Montjovet, Chambave, Donnas, Enfer d’Arvier, Morgex-La Salle, Nus und Torrette. Teilweise werden die Weine als Superiore mit längerer Reifezeit und höherem Alkoholgehalt ausgebaut.

Besonders empfehlenswerte Weingüter im Aostatal sind Les Crêtes, La Source, D&D, Di Barrò und Grosjean.

Der andere Nebbiolo

Spanna aus Gattinara

ef 146 – Oktober 2014

Ich mag keinen Nebbiolo. Auch wenn die Sorte zu den Edelreben zählt und laut einhelliger Expertenmeinung mit Barolo und Barbaresco einige der größten Rotweine der Welt hervorbringt, finde ich an diesen Gewächsen kein Trinkvergnügen; sie sind mir deutlich zu tannin- und säurebetont, liegen mir wie Blei auf der Zunge und lähmen meinen Geschmackssinn. Ja, Nebbiolo-Weine müssen zwingend reifen, und sie tun das nur sehr langsam – aber auch nach 20 oder 30 Jahren sind mir diese Weine zu streng.

Entsprechend skeptisch war ich, als ein Kollege und Freund – der von meinen diesbezüglichen Befindlichkeiten weiß – mich auf der Vinitaly an den Messestand des piemontesischen Weinguts Nervi führte. Dort traf ich nicht nur den engagierten, netten Inhaber Erling Astrup, sondern probierte auch seinen Nebbiolo – der erstens anders heißt und sich zweitens sensorisch anders präsentiert. So machte ich die Bekanntschaft von Spanna aus der DOCG (kontrollierten und garantierten Herkunftsbezeichnung) Gattinara, und zwar gereifte Jahrgänge von 2006 bis 1999.

Spanna ist der regionale Name des Nebbiolo im Norden des Piemont, wo auch die DOCG Gattinara liegt. Sie umfasst knapp 100 Hektar Rebfläche auf vulkanischen Schotterböden an Südhängen auf beiden Ufern des Flusses Sesia. Der Spanna wird hier nicht nur reinsortig ausgebaut, sondern darf auch mit bis zu zehn Prozent Bonarda di Gattinara und/oder Vespolina verschnitten werden; mindestens drei Jahre Reife sind vorgeschrieben.

Nervi ist das älteste Weingut im Gattinara-Gebiet. 1906 von Luigi Nervi gegründet, wurde es 2011 von vier vinophilen norwegischen Familien (u.a. Astrup) übernommen und bewirtschaftet heute 24 Hektar Weinberge am Fuß des Monterosa, geschützt gegen kalte Nordwinde und mit hohem Lehmanteil im Boden. Chef-Önologe Enrico Fileppo ist seit über 30 Jahren im Betrieb und garantiert Beständigkeit und Qualität.

Spanna Gattinara ist jetzt „mein“ Nebbiolo: sympathischer und zugänglicher, aber deswegen nicht weniger nobel und anspruchsvoll.

Wein „ohne“

Vegane und histaminarme Weine

ef 147 – November 2014

Weniger ist mehr – diese Maxime gilt immer öfter auch beim Wein. Die Zahl von Menschen, die aus Überzeugung oder aufgrund von Intoleranzen oder Allergien bei ihrer Ernährung auf bestimmte Lebensmittel oder Inhaltsstoffe verzichten, nimmt stetig zu. So gewinnen vegane und histaminarme Weine stärker an Bedeutung.

Bei der Herstellung von veganen Weinen werden keinerlei Hilfsmittel eingesetzt, die von Tieren stammen. Grundsätzlich ist Wein zwar ein pflanzliches Produkt, da er ausschließlich aus Trauben erzeugt wird, doch bei der Klärung (des Mosts) und Schönung (des Jungweins) werden meist Hilfsstoffe tierischen Ursprungs verwendet. Die Schönung dient dazu, Schweb-, Trub- und Gerbstoffe zu entfernen und den Wein geschmacklich zu stabilisieren. Dabei werden die unerwünschten Substanzen mit Hilfe von Eiweißen gebunden und dann zusammen mit diesen herausgefiltert. Geeignete Eiweißverbindungen werden etwa aus Hühnereiern, Milch, Tierknochen oder Fischblasen gewonnen – allesamt nicht veganen Produkten. Bei der veganen Weinbereitung kommen dagegen rein pflanzliche Klärungs- und Schönungsmittel zum Einsatz.

Der Schönung dient auch das Vulkangestein Bentonit (Tonerde), mit dem sich überdies der Histamingehalt des Weins verringern lässt. Histamin ist ein Eiweiß-Abbauprodukt und zählt zu den so genannten biogenen Aminen. Es entsteht bei der Gärung sowie während der Reifung, und Faktoren wie lange Maischestandzeit, Holzfassausbau und biologischer Säureabbau – alle bei Rotweinen üblich – begünstigen die Histaminbildung. Eine sorgfältige Kontrolle der Mikroorganismen in Weinberg und Keller verhindert frühzeitig hohe Histaminwerte – denn die nachträgliche Reduzierung mit Bentonit führt oft auch zu Aromaverlusten.

Viele Winzer und Händler geben inzwischen an, ob ein Wein vegan und/oder histaminarm ist; für vegane Lebensmittel gibt es bereits mehrere Siegel. Kompakte Informationen über vegane sowie fruktose- und histaminarme Weine liefert u.a. die Internetseite mein-allergie-portal.com.

Jenseits der Primärfrucht

Wenn Weine ungewöhnlich schmecken

ef 148 – Dezember 2014

Jeder Weinfreund hat eine gewisse Konditionierung. Aufgrund seiner individuellen Erfahrungen geht er an jeden Wein mit einer bestimmten Erwartung heran. Anhand der Rebsorte, der Herkunft und des Jahrgangs assoziiert er, wie der betreffende Wein vermutlich schmeckt – oder gar schmecken soll. Doch was ist, wenn diese Erwartungen so gar nicht erfüllt werden? Ist der Wein dann automatisch schlecht? Ich sage: Nein!

Die meisten Weintrinker sind primärfruchtige Aromen gewohnt – wenn es deutlich nach Äpfeln, Birnen, Aprikosen, Erdbeeren, Kirschen oder Pflaumen duftet und schmeckt. Diese Aromen suchen sie im Wein und wollen sie im Wein. Das ist auch völlig in Ordnung.

Es gibt jedoch Weine, die viel stärker bodenbetont als fruchtbetont sind. Für mich sind diese Weine die interessanteren, oft auch die besseren, denn sie zeigen besonders viel von ihrer Herkunft (von der Region bis zur einzelnen Lage). Meist sind es Weine, die aus biodynamischem Anbau stammen und auf deren Entwicklung der Winzer im Keller sehr wenig Einfluss genommen hat. Doch auf dieses Geschmacksbild muss man sich einlassen.

Ein Riesling (aus Österreich), der vornehmlich erdige und vegetabile Noten statt Apfel und Pfirsich zeigt? „Abartig“, befand ein Weinfreund. Ein Müller-Thurgau (aus Italien), der sich dank Maischegärung und langem Hefelager mit Trockenfrüchten, Orangen, Gewürzen und Gerbstoff präsentiert? „Überlagert, kaputt“, meinte ein Verkostungsteilnehmer, und ein anderer wollte gar einen Warnhinweis auf der Flasche haben, weil der Wein so ungewohnt schmecke.

Außergewöhnliche Geschmackserlebnisse muss man mitunter erklärt bekommen. Dafür gibt es Experten (Fachhändler, Weinkritiker, Journalisten, Dozenten). Ich empfehle grundsätzlich, jedem Wein, der geschmacklich erst einmal überrascht, etwas Luft und Zeit zu geben. Gute Weine öffnen sich; manche vielleicht erst nach mehreren Stunden. Es geht darum, ob der Wein nachhaltig und in sich stimmig ist – und das kann er sehr gut auch ohne plakative Frucht sein.

Bonus:

Die ef-Chefredaktion hat beschlossen, das Magazin mit dem Jahrgang 2015 etwas umzustrukturieren, und diesem Umbau fällt leider meine Wein-Kolumne zum Opfer. Einen Text für die Ausgabe 149 hatte ich jedoch schon vorbereitet, und nun erscheint er exklusiv hier im Blog.

Reben im Ersten

Wiens kleinster Weingarten

In Wien ist der 1. Bezirk, die Innere Stadt, das historische Zentrum mit den meisten Sehenswürdigkeiten: Stephansdom, Hofburg, Staatsoper, Burgtheater und vieles mehr. Im Süden des 1. Bezirks, schon jenseits des Rings und an der Grenze zum 3. und 4. Bezirk, liegt der Schwarzenbergplatz – benannt nach dem gleichnamigen Fürsten, der in der Mitte des Platzes als Reiterstandbild verewigt ist. Auf der östlichen Seite dieses Denkmals steht das Haus mit der Nummer 2, das Palais Wiener von Welten, und im Vorgarten dieses herrschaftlichen Gebäudes hat in der Kaiserzeit – so die Geschichte – ein Hausmeister einige Rebzeilen gepflanzt. Das ist Wiens kleinster Weingarten.

Insgesamt verfügt die österreichische Hauptstadt, die zugleich das kleinste Weinbaugebiet des Landes ist, über gut 600 Hektar Rebfläche in insgesamt sieben Gemeindebezirken. Mehr als die Hälfte liegt im Nordwesten der Stadt, vor allem in Döbling (19.), Hernals (17.) und Ottakring (16.); darüber hinaus gibt es Weinberge in Floridsdorf (21.) im Norden sowie in Liesing (23.) und Favoriten (10.) im Süden. Doch während sich alle diese Rebkulturen vorwiegend über die Hänge der Wiener Hausberge (Kahlenberg, Nussberg, Bisamberg) in den Außenbezirken verteilen, befindet sich der Weingarten am Schwarzenbergplatz mitten in der Innenstadt.

60 Rebstöcke stehen hier: zu knapp einem Drittel Grüner Veltliner, der Rest sind diverse andere Sorten. Bewirtschaftet wird der Garten vom renommierten Weingut Mayer am Pfarrplatz, das selbst im 19. Bezirk sitzt und aus den Trauben alljährlich einen klassischen Wiener Gemischten Satz keltert, nachdem die verschiedenen Rebsorten ja gemeinsam in einem Areal stehen. Bei der Lese im Oktober hilft traditionell auch der Wiener Bürgermeister mit, und die etwa 50 bis 60 Flaschen Wein, die der Ertrag bringt, werden im Dezember für wohltätige Zwecke versteigert.

Wer also beim nächsten Wien-Besuch zwischen Musikverein und Konzerthaus unterwegs ist – einfach mal die Augen nach Weinreben offen halten!