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Als ich von Emily Albers die Einladung zu einer Degustation mit Alejandro Fernández erhielt, ahnte ich nicht, dass dieser Abend eine der stimmungsvollsten und einprägsamsten Weinpräsentationen werden sollte, die ich bisher miterlebt habe. Das lag in erster Linie am Protagonisten.

Ein Traum wird wahr

Alejandro Fernández und Emily AlbersAlejandro Fernández, Jahrgang 1932, ist Gründer und Eigentümer der spanischen Grupo Pesquera, zu der vier Weingüter gehören: Tinto Pesquera, Condado de Haza, Dehesa la Granja – alle drei in der D.O. (Denominación de Origen) Ribera del Duero – und El Vínculo in der D.O. La Mancha. Die Degustation fand in der Sky Lounge des Roomers Hotel in Frankfurt statt – mit Blick auf die Skyline und zusammen mit einer von Alejandros vier Töchtern, seinem Exportmanager, der zuständigen Repräsentantin des Deutschland-Importeurs Schlumberger sowie Emily Albers als PR-Beauftragter (auf dem Foto ist sie mit Alejandro zu sehen). Als Übersetzer und – ich darf wohl so sagen – Conferencier führte David Schwarzwälder, Fachjournalist für iberische Weine, ebenso kompetent wie charmant durch den Abend; die Hauptrolle hatte jedoch jederzeit und ganz unweigerlich Alejandro Fernández inne.

Dieser zeigte sich schon bei der Begrüßung der Gäste aus Hotellerie und Gastronomie, Fachhandel und Medien (insgesamt 16 Personen) durchaus bewegt und zog sogleich alle in seinen Bann. Er erzählte, wie er zuerst Landmaschinen entworfen habe, als im Ribera del Duero noch Zuckerrüben das vorherrschende und lukrativste Agrarprodukt waren. Mit dem dadurch erwirtschafteten und gesparten Geld konnte er sich 1971 schließlich seinen Traum vom eigenen Weingut und vom eigenen Wein erfüllen und gründete seine Bodega in Pesquera. 1972 pflanzte er erste eigene Reben und war in den 1970er Jahren dann der Erste, der in der Gegend Wein in größeren Mengen (über den Eigenbedarf hinaus) produzierte; das Weinmachen lernte er von seinem Vater.

Weinpassion und Lebenslust

Ausblick von der Sky Lounge im Roomers Hotel in FrankfurtSo wurde Alejandro einer der Pioniere des spanischen Weinbaus und genießt heute weltweite Anerkennung als Spitzenproduzent. Er baut ausschließlich Tempranillo an und will den Charakter dieser roten Sorte in unterschiedlichen Terroirs zeigen. Der Ausbau erfolgt fast nur in amerikanischem Eichenholz, die Weine werden unfiltriert abgefüllt. „Weine sind lebende Geschöpfe“, sagt Alejandro und beschreibt seine Gewächse dementsprechend nicht mit sensorischen Kategorien, sondern mit menschlichen Eigenschaften. Er zieht sogar Parallelen: „Wenn der Wein im Laufe der Zeit Sedimente absondert, ist das ähnlich, als wenn ein Mensch pinkeln geht. Was er nicht mehr braucht, scheidet er aus.“

Der Erntezeitpunkt ist wichtig, erklärt Alejandro: „Der Zustand der Jugend hält bei reifen Trauben zehn bis zwölf Tage an. Während dieser Zeit muss gelesen werden!“ Mit diesem Vorgehen hat er allerdings mit den alten Traditionen in der Region gebrochen, denn das bedeutet eine deutlich frühere Lese als üblich. Dafür brachte man ihm wenig Verständnis entgegen. Eine Flasche Rotwein trinkt Alejandro pro Tag ohne Probleme – im Gegenteil: „Der Wein hat mir die Stärke gegeben. Er ist gut für‘s Herz!“ Allerdings trinkt er keine Weine, die jünger als zwei Jahre sind, und ist der Ansicht, dass man Rotweine bei zwölf Grad trinken müssen; dann hätten sie mehr Dynamik und Frische.

Vier Gläser mit Rotwein von Grupo Pesquera bei der VerkostungIch habe noch keinen Winzer jenseits der 80 erlebt, der so herzlich und lebenslustig ist wie Alejandro Fernández. Während der Probe und des anschließenden Abendessens stimmte er spontan zwei spanische Lieder an und forderte eine der Damen am Tisch zum Tanz auf – die Musik dazu lieferte er mit eigenem Gesang auch selbst. Und er ist so unglaublich bescheiden!

Ein Dutzend rote Spitzengewächse

Wir verkosteten zwölf Weine: von jedem seiner vier Weingüter eine Crianza, eine Reserva und eine Gran Reserva. Danach gab es ein dreigängiges Menü mit weiteren Pesquera-Weinen als Begleitung. Konsequenterweise wurden alle Weine gekühlt und in Karaffen ausgeschenkt. Nachstehend gebe ich meine Verkostungsnotizen wieder und bewerte die Weine, die mich besonders angesprochen haben, zusätzlich mit einem bis drei Sternen:

Flight 1: Crianza

2010 El Vínculo Crianza2012 Crianza, Tinto Pesquera
In der Nase Kirschen, Pflaumen und Beeren, Zimt, Nelken und Vanille. Im Mund Sauerkirschen, Brombeeren, Gewürze (vor allem Pfeffer), Holzaromen und feinkörniges Tannin, kühl, geradlinig, geschliffen.

2011 Crianza, Condado de Haza
In der Nase animalisch, Pflaumen, Beeren, Oliven und Gewürze. Im Mund kräftig, Gewürze, reife Beeren, feinkörniges Tannin, warm.

2010 Crianza, El Vínculo ***
In der Nase animalisch, Kräuter, Gewürze, dunkle Beeren und Bitterschokolade, dicht. Im Mund kühl, fein, Beeren, Kirschen, Gewürze, samtiges Tannin, saftig, nachhaltig, lebendig.

2007 Crianza, Dehesa la Granja ***
In der Nase dicht, feinwürzig, dunkle Beeren, etwas Rumtopf und Lorbeer. Im Mund kräftig, elegant, fein, Gewürze, Beeren, Kirschen, Vanille, Zimt, Tabak, samtiges Tannin, sanft, schmelzig.

Flight 2: Reserva

2007 Dehesa la Granja Crianza2011 Reserva, Tinto Pesquera
In der Nase deutlich Sauerkirschen, dazu Kräuter und Gewürze. Im Mund sehr jung, jugendlich-kräftiges Tannin, dunkle Beeren, Kirschen, Gewürze, kräftig, kompakt.

2009 Reserva, Condado de Haza **
In der Nase Vanille, Brioche, Nüsse, Beeren, Kirschen, ein wenig animalisch, Gewürze. Im Mund dicht, dunkle Beeren, Gewürze, pflanzliche Noten, kühl, recht samtiges Tannin, Zug, Kraft.

2007 Reserva, El Vínculo **
In der Nase feine Reife, Pilze, Gewürze, Oliven, Pflaumen, Beeren, erdige und nussige Töne, etwas Vanille. Im Mund kompakt, kühl, Tabak, Gewürze, dunkle Beeren, sauber, kräftiges Tannin, zupackend.

2002 Selección, Dehesa la Granja ***
In der Nase Reifenoten, Nüsse, Tabak, Gewürze, zart röstig, dunkle Beeren. Im Mund Tabak, Gewürze, Nüsse, dunkle Beeren, Kräuter, kühl, dicht, samtiges Tannin, saftig und lang.

Flight 3: Gran Reserva

2002 Dehesa la Granja Selección2003 Janus Gran Reserva, Tinto Pesquera **
In der Nase gereift, nussige und vegetabile Töne, ruhig, Gewürze, reife dunkle Beeren, ein Hauch animalisch. Im Mund kühl, dicht, reife rote und schwarze Beeren, etwas Pflaumen, Zimt, samtiges Tannin, Nougat, nachhaltig. Benannt nach dem zweiköpfigen römischen Gott des Anfangs und des Endes; er symbolisiert im Wein die Vergangenheit und die Zukunft.

2003 Alenza Gran Reserva, Condado de Haza
In der Nase Reifenoten, vegetabil, Laub, erdige und nussige Töne, Unterholz, dunkle Beeren. Im Mund kraftvoll, zupackend und dicht, Gewürze, kräftiges Tannin, röstiges und speckiges Holz, Pflaumen und dunkle Beeren. Der Name ist die Verschmelzung der Vornamen von Alejandro und seiner Frau Esperanza.

2004 El Paraje la Golosa Gran Reserva, El Vínculo *
In der Nase Tabak, Kaffee, etwas Vanille, Kirschen und dunkle Beeren. Im Mund dicht, Nüsse, Karamell, Laub, Gewürze, reife Beeren und Pflaumen, recht kräftiges Tannin, schokoladiger Schmelz im Abgang; arbeitet am Gaumen. Trägt den Namen der Einzellage, in der 90 Jahre alte Tempranillo-Reben stehen; als einer der wenigen Weine in französischem Eichenholz ausgebaut.

1998 Dehesa 14 Gran Reserva, Dehesa la Granja **
In der Nase subtile Würze, dunkle Beeren, weich, feine Holznoten, Kokos. Im Mund fein gereift, kraftvoll, sehr geradlinig und elegant, dunkle Beeren, Tabak, erdige Töne, recht kräftiges Tannin, kühler Saft, nachhaltig, Kokos, Gewürze. Aus dem Gründungsjahrgang der Bodega; die Zahl im Namen gibt die Anzahl der Reifejahre an: zwei Jahre im Barrique und zwölf Jahre in der Flasche.

Airén Orange und deftige Küche

2011 AlejairénNach der Verkostung gab es eine kleine Pause, bis der Tisch zum Abendessen gedeckt war. Währenddessen lernten wir den einzigen Weißwein kennen, den Alejandro erzeugt:

2011 Alejairén Bianco, El Vínculo *
In der Nase Trockenfrüchte, Holz, Tabak, teilweise kandierte Nüsse und Blüten. Im Mund straff, salzige Mineralität, etwas Wermut, gehaltvoll, gelbe Früchte, Tabak, Karamell, Nüsse, Gerbstoff, etwas oxidativ, Anklänge an Calvados, kühle minzige Noten. Die Weinbezeichnung ist die Verschmelzung von Alejandros Vornamen mit dem Namen der Rebsorte Airén, die hier als Orange Wine ausgebaut worden ist – ausgesprochen spannend, aber mit gut 14 Volumenprozent Alkohol auch sehr mächtig.

Die Vorspeise war bereits ein veritabler Fleischgang: Roastbeef mit Steinpilzen, Jus und Oliven-Kartoffel-Gnocchi. Dazu passte der ausgewählte Rotwein perfekt:

2003 Reserva Especial, Tinto Pesquera **
In der Nase feine Reife, Vanille, Oliven, teilweise angetrocknete dunkle Beeren, Gewürze (vor allem Pfeffer). Im Mund kraftvoll, Vanille, dunkle Beeren, kühl, kompakt, Gewürze, samtiges Tannin, nachhaltig.

Als Hauptgang wurde geschmorte Lammhaxe mit Kartoffeln, Saubohnen und Knoblauchjus aufgetragen. Dazu servierte Alejandro persönlich zwei Weine zum Gegenprobieren:

2003 Roble Francés, Dehesa la Granja **
In der Nase kühl, Gewürze, etwas Oliven, dunkle Beeren. Im Mund kompakt, saftig, dunkle Beeren, Kirschen, Zimt, Schokolade, recht kräftiges Tannin, aber auch Schmelz. Ausgeschenkt aus der Magnumflasche – brauchte viel Luft.

2006 Reserva, Condado de Haza *
In der Nase vegetabile Noten, Gewürze, dunkle Beeren und Laub, recht straff. Im Mund kraftvoll, dabei elegant, eher warm, Beeren, etwas Kirschen, Gewürze, kräftiges Tannin.

Zum Lamm gefiel mir die 2006er Reserva deutlich besser.

Alejandro Fernández und Carsten M. StammenDer dritte Gang bestand aus einem Assortiment von drei Hartkäsen (aus Spanien und Frankreich), das überflüssigerweise vom Brett am Tisch angerichtet wurde – was für diesen Anlass viel zu aufwendig und zeitraubend war und eher wie Effekthascherei wirkte. Dazu gab es einen weiteren Rotwein aus französischem Eichenholz – auch er ausgeschenkt aus der Magnumflasche:

2001 Roble Francés, Dehesa la Granja **
In der Nase Rauch, Speck, erdige Töne, Gewürze (Nelken, Pfeffer) und dunkle Beeren. Im Mund kraftvoll, saftige, leicht säuerliche Frucht von Beeren, Kirschen und Pflaumen, Gewürze, Teer, Schokolade, kräftiges Tannin, recht konzentriert.

Insgesamt war es ein außerordentlich anregender und genussreicher Abend in sehr angenehmem Ambiente, der mir noch lange in Erinnerung bleiben wird. Ich bin dankbar, dass ich eine so sympathische und charismatische Winzerpersönlichkeit wie Alejandro Fernández kennenlernen durfte.

(Foto Fernández & Stammen: Lars Dalgaard, Eltville)