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Menschen gehen manchmal alleine in Restaurants essen, zumal, wenn sie auf Reisen sind. Auch ich tue das und habe darüber sogar schon mehrfach hier im Blog berichtet (siehe „Dinner for One“ und „Lektion in Prag“). Dabei treffe ich mitunter auf andere allein speisende Gäste – und habe Unterschiede festgestellt.

Wenn ich essen gehe, suche ich mir ein Lokal, das ein angenehmes Ambiente hat und das gewisse kulinarische Mindeststandards erfüllt. Diese sind natürlich an der Speisenkarte und – ebenso wichtig – an der Weinkarte festzumachen. Die Auswahl der Gerichte sollte abwechslungsreich und die Küche vertrauenerweckend (mithin originell und mindestens mit saisonalen Elementen) sein. Bei den Weinen muss es mehr geben als den vielerorts offenbar noch immer unvermeidlichen Industrie-Pinot-Grigio oder „Merlot (Frankreich)“ – schon ein Grüner Veltliner (so schlecht kann der gar nicht sein) erhöht die Chance, dass ich mich an einem Tisch im Gastraum oder
-garten niederlasse, erheblich. Im besten Fall hat die Weinkarte etwas, das mich neugierig macht.

Wenn ich dann im Restaurant (oder in dessen Außenbereich) sitze, beobachte ich das Geschehen um mich herum. Gelegentlich lese ich auch – jedoch nie während des Essens. Sobald ein Gericht serviert ist, konzentriere ich mich ausschließlich darauf. Ganz unwillkürlich – was inzwischen sicher auch Berufsgewohnheit ist – kaue und schmecke ich bewusst, lege oft das Besteck nieder und spüre dem geschmacklichen Zusammenspiel zwischen Speise und Wein nach. Ich bin dafür bekannt, dass ich besonders langsam esse (das viel zitierte Extrembeispiel liegt bei eineinhalb Stunden für einen Spinatsalat), und es ist mir wichtig, mir Zeit für eine Mahlzeit zu nehmen, unabhängig davon, aus wie vielen Gängen sie besteht.

Andere Einzelgäste verhalten sich anders. So hatte ich vor einigen Wochen beim Besuch eines Bistros in meinem unmittelbaren Umfeld zwei Herren sitzen, die ebenfalls allein zu Abend aßen, und die beiden zeigten sich bei dieser Gelegenheit als zwei ganz unterschiedliche (und insbesondere von mir verschiedene) Typen. Der eine hing über seinem Teller wie ein Tier über dem Futtertrog und löffelte stieren Blicks einen Eintopf; hier ging es allein um Nahrungsaufnahme ohne irgendwelche kulturellen Konnotationen. Der andere saß mit unnatürlich verkrampften Beinen am Tisch und war ständig mit seinem Smartphone beschäftigt; immerhin aß er eher bedächtig und trank ein Glas Wein zu seinen Tapas. Den Hektiker gibt es nämlich auch: Er telefoniert pausenlos, auch während er beiläufig irgendetwas, das er bestellt hat, in sich hineinschaufelt und dabei mit vollem Mund weiterspricht; dabei stürzt er bevorzugt Bier, Mineralwasser oder ein Szenegetränk hinunter. Das halte ich – ohne auf soziale Aspekte einzugehen – mindestens für ungesund.

Für mich sind Abendessen (oder auch Mittagessen) allein eine Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen, nachzudenken, beinahe kontemplative Momente. Ich erinnere mich noch lebhaft und voller Wohlbehagen an einen Abend vor etlichen Jahren im Restaurant des Steigenberger Hotel de Saxe in Dresden, wo ich an einem Einzeltisch mit Blick auf die illuminierte Frauenkirche einen der besten Rochenflügel meines Lebens gegessen habe. Und in Zürich, wo ich vor noch längerer Zeit ebenfalls allein unterwegs war, sagte mir an jenem Abend der Kellner sinngemäß, man merke, dass ich jemand sei, der wenigstens noch genießen könne.

„Wenigstens noch“. Das kann zu denken geben. Schaffen und bewahren wir uns, wo und wann immer möglich, unsere persönlichen Genussmomente! Ich versuche das bei jeder sich bietenden Gelegenheit – und ich bin sehr glücklich damit. Denn das ist für mich Lebensqualität.