Selten hat mich eine Weinmesse so angefixt wie die ViniVeri. Die Naturwein-Messe in Cerea nahe Verona vom 5. bis 7. April besuchte ich in diesem Jahr zum ersten Mal, und auf keiner anderen Messe habe ich bisher ein so hohes Qualitätsniveau der präsentierten Weine erlebt. 144 Aussteller waren vertreten, und es gab biologische und biodynamische Weine ebenso zu probieren wie schwefelfreie Weine, Amphorenweine und Orange Wines, also maischevergorene Weißweine. Manchen mag die ViniVeri als „Freakshow“ gelten – für mich war sie ein Eldorado.
Ich wollte neugierdehalber ursprünglich mal für einen Tag hinschauen – und verbrachte schließlich die vollen drei Tage dort. Die Atmosphäre in der überschaubaren, gleichwohl geräumigen Messehalle – einem Backsteingebäude mit Fenstern und Holzbalken-Decke – war angenehm entspannt, denn es gab genug Licht und Luft und Platz: gute Voraussetzungen für ein konzentriertes, anspruchsvolles Arbeiten.
50 Aussteller aus Italien, Frankreich, Österreich, Slowenien und Ungarn besuchte ich in den drei Tagen und verkostete weit über 200 Weine. Dabei lief ich auch einigen naturweinbegeisterten Bekannten aus Österreich über den Weg, unter anderem Andreas Essl von nulldosage.com, Dominik Portune von der Weinhandlung Am Hof in Wien und Peter Liehmann von der Kost.Bar Vinothek in Braunau. Am Rande ergaben sich auch interessante, mitunter kontroverse Diskussionen um die Rigidität des Naturwein-Begriffs, Hygieneaspekte bei der Weinbereitung und die (rechtliche wie praktische) Legitimität von chemischen und/oder Behandlungsverfahren.
Besonders wertvoll war darüber hinaus die Vinothek, die im Rahmen der Messe eingerichtet worden war. Hier konnten die Aussteller eine Auswahl ihrer Weine zu Ab-Hof-Preisen zum Verkauf anbieten, und auch ich nutzte diese Gelegenheit, vergleichsweise günstig einige außergewöhnliche Weine zu erstehen. Einige davon tranken wir jeweils zum Abendessen; bei diesen füge nach nachstehend die entsprechende Verkostungsnotiz hinzu.
Italien
Italienische Winzer nahmen – durchaus logischerweise – den größten Teil der Aussteller ein. Ich streifte durch viele Regionen, doch am meisten interessierte mich Sizilien, weshalb ich von dort überdurchschnittlich viele Weine probierte.
Meine Entdeckungen:
Südtirol
- Haderburg Hausmannhof Riserva Brut 2004
- Riesling Obermairl 2011
- Gewürztraminer Obermairl 2012
- Pinot Noir 2011
- Tasmin Sauvignon Blanc 2012
- Areyon Chardonnay 2011
- Gran Lareyn 2011 (Lagrein)
Trentino
- Riflesso Rosi Vallagarina Rosato
- Poiema Vallagarina 2011 (Marzemino)
- 9 Dieci Undici Vallagarina Cabernet Franc 2011
Friaul - Julisch Venetien
- Vitovska 2011
- Malvasia 2011
- Prulke 2011
- Ruje 2007
Piemont
- Moscato Fol
- Moscato Sol
- Bianco 2011 (Orange Wine aus Arneis und Malvasia di Candia)
Veneto
- Prosecco Valdobbiadene
- Brichet Glera
Lombardei
- Brusato Rosa Blanc de Noirs Franciacorta Extra Brut
Umbrien
- Pipparello Montefalco Rosso Riserva 2007
- Pagliaro Montefalco Sagrantino 2007
Toskana
- Pinot Nero Toscano 2011:
Kirschen, rote und schwarze Beeren, erdige Würze, Tabak, Mineralik, pilzige Anklänge, straff, elegant, nachhaltig; mit Luft zunehmend auch Schokolade
Sizilien
Von der Insel begeisterten mich zwei Produzenten mit sämtlichen ihrer vorgestellten Weine: I Custodi (Ätna) und Vino di Anna (ungeschwefelt); darüber hinaus:
- Praruar Terre Siciliane Bianco Catarrato 2012:
salzig, vegetabil, getrocknete Früchte (Äpfel, Aprikosen, Feigen), Kräuter, etwas Holunder, ein wenig Jod, griffiger Gerbstoff, nachhaltig; hält sich offen
mühelos mindestens vier Tage
- Passito di Pantelleria
Frankreich
Meine Schwerpunkte in Frankreich, das die zweitgrößte Ausstellerzahl stellte, waren die Loire und das Elsass. Einen besonderen Eindruck hinterließ bei mir die Begegnung mit Nicolas Joly von Clos de la Coulée de Serrant an der Loire, dem Grandseigneur und Pionier des biodynamischen Weinbaus in Frankreich. Wir führten ein kurzes Gespräch, in dem er so schöne Metaphern verwendete wie: „La fleur est le berceau du raisin“ (übersetzt: „Die Blüte ist die Wiege der Traube“). Auf seiner Visitenkarte steht als Berufsbezeichnung allen Ernstes (und zwar genau so in Englisch): „Nature assistant and not wine maker“. Das sagt alles über seine Philosophie. Ich konnte Coulée de Serrant 2011 und Les Vieux Clos 2011 probieren – beide sehr kraftvoll und mineralisch, herb, reduktiv, zupackend, charaktervoll und sehr eigenständig. Im Elsass beeindruckte mich besonders Stéphane Bannwarth, der auch eine eigene Linie mit Amphorenweinen hat.
Champagne
- Notes Blanches (reinsortiger Pinot Blanc)
- Sonate No. 9 (schwefelfrei)
- L‘Apôtre
Elsass
- Pinot Gris 2012
- Pinot Gris 2009
- Riesling 2009
- Pinot Gris Qvevri 2012
- Pinot Gris Qvevri 2011
- Gewürztraminer Qvevri 2011
- Riesling Kefferberg 2011:
Zitrus, pflanzlich, Pfirsich, mineralisch, eine Spur Petrol, feine Säure, Anklänge an Cassis, straff, geradlinig, gute Nachhaltigkeit - Gewürztraminer Kefferberg 2010
- Gewürztraminer Kefferberg Vendange Tardive 2011
- GriGris
- Auxerrois H Vieilles Vignes 2011
- Riesling Les Pierrets 2010
- Gewürztraminer Hengst Grand Cru Vendange Tardive 2001
- Riesling Pfingstberg Grand Cru 2008
- Riesling Clos Liebenberg 2011
- Pinot Noir Bollenberg Harmonie 2012
- Riesling Kaefferkopf Grand Cru 2012
- Riesling Zotzenberg Grand Cru 2011
- Gewürztraminer Zotzenberg Grand Cru 2010
Loire
- Le Sec de Juchepie Les Clos 2010 (Chenin Blanc)
- Les Churelles de Juchepie 2011 (Chenin Blanc)
- La Passion de Juchepie 2009 (Chenin Blanc)
- La Quintesssence de Juchepie 2003 (Chenin Blanc)
- Cuvée Grolleau 2012
- Hospices de Saumur 2011
- Le Haut du Clous 2012
- Cuvée Jacques 2009 (Pinot Noir)
- La Grande Pièce 2010
- Clos-des-Landres Cheverny 2011
- Plénitude Cour-Cheverny 2011 (Romorantin)
- Louis de la Saussaye Cheverny 2010
- Cendrillon 2012 (Sauvignon Blanc, Chardonnay)
- Marquis de C. 2011 (Chenin Blanc, Chardonnay)
- Cinabre 2010 (Cabernet Franc)
- Groslot Rosé 2013
- Les Cocainelles 2011
- L‘Ancrie 2011
- Le Pont Martin 2011
- Château-Thébaud 2010
- Cuvée 3 2009
- Taurus 2011
- Mephisto 2012
Beaujolais
- Morgon 2011 (Gamay)
- Morgon 2012 (Gamay)
Jura
- Chardonnay en Levrette 2012
Rhône
- Billes Noires Cornas 2011
- Brise Cailloux Cornas 2011
- Cuvée Aux Bêtises Crozes-Hermitage Blanc 2012
- Entre Ciel et Terre Crozes-Hermitage 2011
Languedoc-Roussillon
- Les Cabrioles 2011
- White Spirit 2012
- Le Diable 2007
- Mire la mer Corbières 2011
Slowenien
Primorska
- Verduc 2003
Vipavska Dolina
- Chardonnay 2008
- Rebula 2008
- Rebula 2009
- Cuvée Ana 2007
Ungarn
Tokaj
- Tokaj Furmint Krakó 2011
- Tokaj Szamorodni 2008
- Tokay Aszú Essencia
Österreich
Die drei österreichischen Weingüter, die ich besuchte, haben mich mit ihrem gesamten Angebot nachhaltig bewegt.
Jörg Bretz kommt ursprünglich aus Hessen und sitzt jetzt in Niederösterreich. Er hatte ein eindrucksvolles Sortiment an gereiften Weinen mitgebracht:
- Weißburgunder Sekt Pas Dosé 2001
- Grüner Veltliner Weißer Berg 2007
- Gemischter Satz Geyer 2009
- Weißburgunder 2001
- Grüner Veltliner Buschberg 2001
- Rosé 2008 (Pinot Noir, Blaufränkisch)
- Pinot Noir 2007
- Pinot Noir 2002
- Zweigelt Redmann 2007
- Blaufränkisch Spitzerberg 2007
- Blaufränkisch Spitzerberg 2006
- Blaufränkisch Seeberg 2006
- Blaufränkisch Seeberg 1997
- Blaufränkisch Reserve 2000
Darüber hinaus hatte Jörg eine Cuvée aus Weißburgunder und Grünem Veltliner von 2012 dabei, die in einem Granitfass ausgebaut wird (jawohl: dort immer noch reift).
Ewald Tscheppe – Weingut Werlitsch – und Sepp Muster sitzen in der Steiermark und gehören beide der Bewegung „Schmecke das Leben“ an. Tscheppe zeigte eher junge Weine, die dementsprechend noch ausgesprochen reduktiv waren:
- Morillon vom Opok 2011
- Ex Vero Legoth 2010
- Ex Vero II 2010
- Ex Vero II 2011
- Ex Vero III 2010
- Ex Vero III 2011
- Werlitsch 2011 (Orange Wine)
Ich wollte wissen, was seine Weine so besonders macht – so tief, komplex und in sich geschlossen. Die Antwort liegt für Tscheppe in der ganzheitlichen Bewirtschaftung der Weinberge und möglichst wenig Eingriffen im Keller. Er verglich die Trauben aus konsequent biodynamischem Anbau, die von lebendigen Böden in einem intakten Ökosystem stammen, mit hochbegabten Kindern. Diese wie jene müsse man mit geeigneten Rahmenbedingungen fördern und sich entwickeln lassen und dürfe ihre natürlichen Potenziale nicht mit konventionellen Methoden vermindern oder zerstören.
Muster trat ebenfalls mit einem stattlichen Wein-Aufgebot an:
- Opok 2011 (Sauvignon Blanc, Morillon, Welschriesling, Muskateller)
- Gelber Muskateller vom Opok 2011
- Sauvignon Blanc vom Opok 2011
- Graf Morillon 2010
- Graf Sauvignon 2010
- Graf Sauvignon 2008
- Sgaminegg 2008
- Gräfin 2011 (Orange Wine)
- Schilcher 2011
- Zweigelt 2011
- Graf Zweigelt 2007
- Rotwein 2008 (Blaufränkisch, Blauer Wildbacher, Zweigelt)
Auch er macht Weine, die weit über das Mundgefühl hinaus berühren, und brachte den biodynamischen Ansatz treffend auf den Punkt: „Wir arbeiten nicht an den Aromen, sondern an den Kräften, die die Aromen in den Trauben und im Wein formen.“ Und wichtig sei dabei, „dass danach noch Platz für die Reifearomen bleibt“.