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Was dieser Artikel mit Wein zu tun hat, reduziert sich im Wesentlichen darauf, dass ich das Treffen zum 20-jährigen Abitur, das in einer Kneipe in Essen stattfand, von einem dort ausgeschenkten rheinhessischen Müller-Thurgau begleiten ließ. Der Wein selbst ist keinen Bericht wert (sortentypisch, handwerklich sauber, in seiner Gesamterscheinung durchschnittlich), doch der Anlass bot naturgemäß allerlei Erkenntnisse.

Gedanken über Lehrer und Gerichtsmediziner, ...

Von rund 140 Absolventen war fast die Hälfte gekommen, die meisten aus der Region Rhein-Ruhr, doch auch aus dem Fränkischen, aus München und sogar aus Salzburg, Brüssel und von Gran Canaria. Eine ehemalige Mitschülerin, die inzwischen in Australien lebt, hatte die Reise leider nicht auf sich genommen (wobei ich sie besonders gern wiedergesehen hätte), doch, wie viele andere, eine nette Absage auf die Einladung geschrieben. Die gesammelten Grüße der Abwesenden hatten die Organisatoren zur allgemeinen Lektüre mitgebracht. Ich sprach unter anderem mit einem erfolgreichen Kinderarzt, einer Musikschulinhaberin, mehreren Lehrern („In dieser Schule hast du nicht mit den Eltern zu tun, sondern mit den Anwälten der Eltern!“) und mit einer Pathologin. Seitdem weiß ich, dass Pathologen nicht alle Quincys oder Duckys sind – also Gerichtsmediziner, die Leichen obduzieren, um die Todesursache der betreffenden Personen zu ermitteln –, sondern dass Pathologen hauptsächlich die Diagnosen anderer Ärzte verifizieren: „Wenn dir der Blinddarm rausgenommen wird, bekommt den die Pathologie, um zu bestätigen, dass die OP-Indikation auch wirklich gegeben war“, so die Medizinerin. In meinem Gespräch mit einem Banker stellte sich heraus, dass dieser ebenfalls bereits seit Jahren in Frankfurt lebt, ohne dass das einer vom anderen gewusst hätte; eine Verabredung zum Ebbler ist bereits beschlossen.

... den Lauf der Zeit, ...

Insgesamt hat sich unser Abiturjahrgang bemerkenswert gut gehalten: Die allermeisten waren sofort wiederzuerkennen, nur ein Bruchteil hatte sich äußerlich erheblich verändert; auch der Körperumfang und der Haarverlust der meisten Herren waren deutlich geringer als bei anderen Abi-Treffen nach gleichem Zeitraum, von denen mir im Freundeskreis berichtet worden war. Dafür war die Gruppenbildung noch dieselbe wie vor 20 oder 25 Jahren: Die Riege der, sagen wir, eher rustikal orientierten Ex-Mitschüler formierte sich mit derselben Zuverlässigkeit und Selbstverständlichkeit wie die Reihe der, sagen wir, stark aufs Äußere bedachten Damen. Es herrschte im gesamten Kreis der Anwesenden ein reger Austausch, doch im Großen und Ganzen unterhielt man sich mit denjenigen, mit denen man auch zu Schulzeiten oder bei vorangegangenen Jahrgangstreffen den meisten Kontakt gehabt hatte. Auch unser (heute, mit Anfang 60, beinahe im doppelten Wortsinne) alter Klassenlehrer war gekommen und sprach mit fast allen, auch wenn er schon lange an einer anderen Schule unterrichtet, wo er im übrigen einen (von mir sehr geschätzten) Mitabiturienten und somit ehemaligen Schüler zum Kollegen hat.

 ... das Internet...

Was mich durchaus erstaunte und noch mehr freute, war die Tatsache, dass ich von mehreren früheren Weggefährten darauf ausgesprochen wurde, dass ich ja wohl jetzt „Weinexperte“ sei. Dieses elitäre Attribut relativierte ich natürlich stets, doch die Assoziation bestärkt mich in dem Weg, den ich eingeschlagen habe: Ich werde in dem thematischen Umfeld wahrgenommen, das ich mir ausgesucht habe, und meine Internetpräsenz erfüllt ihren Zweck. Eine der Organisatorinnen des Treffens sagte mir, ich sei mit am schnellsten zu finden gewesen. Das zeigt mir, dass erstens mein Suchmaschinenmarketing funktioniert und dass zweitens das Social-Media-Engagement bei Twitter, Facebook und Xing sich lohnt. So brachte das Abiturtreffen nicht nur eine Vielzahl interessanter und amüsanter Gespräche mit Menschen, mit denen mich eine gewisse gemeinsame Zeit verbindet, sondern auch eine schöne Bestätigung meiner beruflichen Strategie.

... und Rotwein im Ruhrgebiet

Doch noch ein Wort zum Wein: Es gab auch einen Acolon, der mit 5,50 Euro pro Glas einen stolzen, für Essener Verhältnisse gar exorbitanten Preis hatte. Laut Aussage der Pathologin war der Rotwein (seit 2002 zugelassene Kreuzung aus Lemberger und Dornfelder) sehr gut; ich habe ihn nicht mehr probiert, denn aus logistischen Gründen war ich diesmal – anders als vor fünf Jahren – nicht unter den letzten Gästen. In jedem Fall meinen herzlichen Dank an die Organisatoren und viele Grüße an alle Mitstreiter des Werdener Abi-Jahrgangs 1990, die diese Zeilen lesen.