Content

Eigentlich sollte dieser Beitrag „Die Reifeprüfung“ oder „Drei mal sechs plus Spargel“ heißen. Aber es kam anders. Fest stand, dass wir eine kleine Spargelweinprobe durchführen wollten. Die Protagonisten: fünf deutsche Weißweine der Jahrgänge 2006 und 2009, davon vier aus Franken.

Wir verkosteten die Weine zunächst pur und probierten sie anschließend zu Spargel – zubereitet nach einem Familienrezept der Gastgeberin: mit Kartoffeln und zerlassener Butter, in der Kochschinken und Petersilie mit erhitzt worden waren. Ziel war es herauszufinden, ob Spargel auch mit reifen Weinen harmoniert oder ob er möglichst frische Tischbegleiter braucht. Das Ergebnis war eindeutig. 

Von Wertheim bis Würzburg: Wein-Vorstellung

Wein Nummer 1: 2009 Wertheimer Alter Satz vom Weingut Alte Grafschaft, Franken. Die Cuvée mit hohem Bacchus-Anteil präsentierte sich duftig und bukettbetont mit gelben Früchten wie Melone und Birne, frisch, mineralisch und sehr gefällig, da trocken ausgebaut. Ein Wein mit schönem Frucht-Säure-Spiel, der auf Trinkspaß angelegt ist.

Wein Nummer 2: 2009 Randersackerer Sonnenstuhl Müller-Thurgau pur mineral vom Weingut Fürst, Franken. Noch sehr jung, zeigte sich der Wein anfangs verhalten, kitzelte die Nase dezent mit floralen Noten. Auf der Zunge ließ er allmählich seine Kraft erkennen und überzeugte mit filigraner Würze. Ein Kandidat mit großem Potenzial, der noch einige Jahre liegen sollte.

Wein Nummer 3: 2006 Müller-Thurgau Kabinett vom Weingut Schmitt‘s Kinder, Franken. Ein sehr reifer, schon phenolischer Tropfen mit Aromen von Quitte und Birne, mineralisch und cremig. Nach mehreren Minuten im Glas, wenn die überreifen Anklänge allmählich verflogen waren, trat die Frucht deutlich hervor, und der Schmelz sorgte für ein angenehmes Mundgefühl.

Wein Nummer 4: 2006 Riesling Summarum vom Weingut Closheim, Nahe. Wie der Name schon sagt: ein Riesling, in dem alles drin ist – oder gewesen ist... Der Wein zeigte bereits Zeichen von Firnis, sehr reife Noten von Pfirsich und Apfel; insofern typische Aromatik, doch auf der Zunge schon müde. Wäre im vergangenen Jahr zweifellos mit deutlich mehr Genuss zu trinken gewesen.

Wein Nummer 5: 2006 Würzburger Bacchus Kabinett vom Weingut Juliusspital, Franken. Der Bukettprotz wusste mit einer intensiven Aromatik von Holunder und Himbeere zu betören, während seine feinwürzige und fruchtig-herbe Art ihm Finesse verlieh. In jedem Fall ein Liebhaberwein, der wahrscheinlich nicht jedermanns Geschmack ist.

Klares Votum für reifen Rivaner

In der selben Reihenfolge, in der wir die Weine allein getrunken hatten, testeten wir sie dann zum Spargel. Abgesehen von erwartbaren und auch überraschenden Unterschieden gegenüber der puren Variante stellten wir mit der Zeit weitere Veränderungen fest, insbesondere, als wir die Weine während des Essens immer wieder gegen- und durcheinander probierten.

Wein Nummer 1 hatte für das geschmackssensible Gemüse ein zu dominantes Bukett. Fazit: Alter Satz und Spargel vertragen sich leider nicht, die Mahlzeit verliert sich in Disharmonie.

Ebenfalls als zu stark erwies sich Wein Nummer 2. Der junge Müller-Thurgau war in Kombination mit dem Spargel zu würzig, zumal er inzwischen Zeit gehabt hatte, sich außerhalb der Flasche zu entwickeln.

Wein Nummer 3 gefiel allen Gästen zum Essen am besten. Der reife Müller-Thurgau ging mit dem Spargel und der Schinken-Petersilien-Butter eine genussvolle Verbindung ein und fügte sich mit buttrigen, fruchtigen und feinwürzigen Noten harmonisch in das Geschmacksbild. Einzige Bedingung: Er musste ausreichend Zeit (heißt: Luft) bekommen, um die Firnis-Anklänge zu verlieren. Um ihn aromatisch sofort auf dem Höhepunkt zu haben, empfiehlt es sich, den Wein kurz vor der Mahlzeit zu dekantieren.

Überraschung dann bei Wein Nummer 4: Der überreife Riesling war zwar säurebetont, bot so aber einen reizvollen Kontrast zum Essen. Dass er hier passen konnte, lag allein an der sehr reifen, nussigen Aromatik – im „Urzustand“ wäre er viel zu fruchtbetont gewesen, und die Säure, die jetzt belebend wirkte, hätte das Spargelgericht geschmacklich zersetzt.

Wein Nummer 5 stellte sich als gänzlich ungeeignet für Spargel heraus. Die Aromatik des Bacchus‘ wurde zu dunkel mit Brombeere, Schwarzkirsche und Cassis als vorherrschenden Tönen. Wein und Speise standen isoliert nebeneinander und waren unfähig, sich einander zu nähern oder auch nur in Dialog zu treten; sie führten kein Streitgespräch (wie beim Alten Satz), sie hatten sich noch nicht mal etwas zu sagen.

Es lebe die Jugend

Mit ähnlicher Einigkeit wie das Votum für den reifen Müller-Thurgau als besten Speisenbegleiter vollzog sich beim Abschluss des Essens ein Übergang zum jugendlichen Vertreter derselben Rebsorte (die auch Rivaner genannt wird): von Schmitt‘s Kinder zu Fürst. Immer häufiger nahmen die Gäste im Laufe des Abends das Glas mit dem 2009er Müller-Thurgau pur mineral zur Hand. Der Wein hatte jetzt seine Fruchtigkeit gefunden und erfreute Nase und Gaumen mit klaren Noten von Birne, Apfel und Quitte, dazu Heu und Kräuterwürze. Für den Spargel war er tatsächlich kein optimaler Partner gewesen, einerseits zu kraftvoll, andererseits zu jung und filigran. Doch jetzt war es, als wäre der Wein aufgeschlossen worden, und er wurde zum einhellig favorisierten Begleiter des weiteren Abends: ein vollfruchtiger und feinwürziger Zungenschmeichler, cremig und laktisch, der im Glas (oder in der Karaffe) allerdings durchaus eine Stunde zur Entfaltung braucht. Und er steht erst am Anfang seiner Entwicklung – seine ganze Präsenz wird er frühestens in zwei bis vier Jahren zeigen.

Der 2006er Bacchus vom Juliusspital fand übrigens auch noch seine Bühne: Zu Erdbeeren mit Vanilleeis setzte er einen attraktiven Kontrapunkt mit herb-fruchtigen Aromen von Cassis und Waldmeister.