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Sie kennen das bestimmt: Sie schenken beherzt das letzte Glas aus einer Flasche Wein – und plötzlich klimpern kleine Kristalle am Glasboden. Was nun? Ärgern Sie sich jetzt? Ein Weinfehler? Keinesfalls, und statt sich zu ärgern, sollten Sie sich freuen. Der Wein hat Ihnen ein Geschenk gemacht: Weinstein.

Weinstein ist das Salz der Weinsäure; der chemische Name lautet: Kaliumhydrogentartrat. Es ist völlig gefahrlos. In Wasser löst sich das Salz nur schwer, in Alkohol gar nicht. Bei der Gärung kristallisiert die Weinsäure aus, und die Salzkristalle setzen sich an Fasswänden oder später am Flaschenboden und/oder am Korken ab. Dies geschieht insbesondere bei niedrigen Temperaturen, sofern überschüssige Säure vorhanden ist.

Weinsäure ist neben Äpfelsäure und Zitronensäure eine der wichtigsten Säuren, die in reifen Weintrauben enthalten sind. Alle drei gehören zu den nicht-flüchtigen Säuren, das heißt, sie bleiben auch bei einer Destillation erhalten und verdampfen nicht. Zusammen machen sie etwa zwei Drittel der Gesamtsäure im Wein aus. Je reifer das Lesegut, desto größer der Anteil der Weinsäure an der Gesamtsäure. Ein hoher Anteil an Weinsäure erhöht die chemische Beständigkeit des Weins, das heißt, er kann besser altern oder ist – ganz einfach gesagt – länger haltbar. Säure ist ja generell ein bewährtes (natürliches) Konservierungsmittel. Außerdem stabilisiert ein hoher Säuregehalt die Farbe des Weins.

Doch zurück zum Weinsäuresalz: Weinstein ist kein Mangel. Er hat keinen Einfluss auf die Qualität des Weins, ist aber auch kein eindeutiger Ausdruck derselben – allenfalls subjektiv. Und genau darum geht es hier... Ich schätze Weinstein sehr und glaube daran, dass er ein Qualitätsindikator ist. Er zeigt, dass der Wein viel Weinsäure enthält, und ein hoher Weinsäure-Anteil wirkt sich, wie gesehen, positiv aus. Deshalb nehme ich den Weinstein beim letzten Schluck ganz bewusst und gezielt mit. Er ist geschmacksneutral, schmeckt höchstens manchmal leicht säuerlich. Im Mund fühlt er sich ein bisschen an wie Sand (wobei ich noch nie Sand gegessen habe). Ich mag diese sensorische Erfahrung: wenn es knistert und kracht – ein Erlebnis wie Brausepulver, nur subtiler und nicht so widerlich geschmacksintensiv, eher erfrischend. Letztendlich nehme ich nur harmlose Mineralien zu mir, doch der Weinstein gehört zum Wein; er ist ein Produkt seiner Entwicklung, und um diese in ihrer Gesamtheit zu würdigen, nehme ich das Geschenk an und trinke den Weinstein genussvoll mit. Probieren Sie’s aus!