Content

Etwa sechs Wochen nach dem tragischen Unfalltod meines Freundes und Kollegen Rüdiger Meyer erhielt ich erneut eine Zuschrift auf den Nachruf, den ich über ihn verfasst hatte. Ein weiterer Leser des Blogbeitrags teilte mir mit, „dass eine Untersuchung in München ergeben hat, dass der Unfallfahrer zum Zeitpunkt der Kollision [...] über 1,0 Promille im Blut hatte – er straßenverkehrsrechtlich absolut fahruntauglich war“.

Tatsächlich stellte sich bei der Obduktion heraus, dass Rüdiger alkoholisiert am Steuer seines Wagens saß, als der Unfall geschah, der ihn und zwei weitere Menschen das Leben kostete und bei dem die dritte junge Frau „auch verstorben wäre, wenn sie nicht zweimal erfolgreich reanimiert worden wäre“ (so der betreffende Leser). Auch hierüber haben mehrere Medien berichtet (Münchner Abendzeitung, Tageszeitung und Münchner Merkur), siehe hier der Artikel in der Abendzeitung: „Unfall mit drei Toten bei Pähl: Mini-Fahrer war betrunken“.

Diese Erkenntnis macht den Unfall noch schlimmer. Denn wenn ein Autofahrer unter Alkoholeinfluss in einen Unfall verwickelt wird, hat das grundsätzlich Einfluss auf die Schuldfrage bzw. deren Beantwortung. Ich werde Rüdiger hier nicht verurteilen und auch nichts von meinem Nachruf zurücknehmen. Doch ich will vielleicht eine Diskussion anstoßen und ein Plädoyer halten für den verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol. Wer sich ans Steuer eines Fahrzeugs setzt, nachdem er Alkohol zu sich genommen hat, handelt unverantwortlich. Punkt.

Ich befürworte bedingungslos eine Null-Promille-Grenze. Gerade wer beruflich fast täglich mit Alkohol zu tun hat – in unserem Fall Wein: Winzer, Önologen, Kellermeister, Weinhändler, Sommeliers, Gastronomen, Weinkritiker, Weinjournalisten – muss besonders aufpassen und sollte mit gutem Beispiel voran gehen. Alkohol nimmt man auch beim Verkosten auf, über die Mundschleimhäute; um einen verkehrsgefährdenden Blutalkoholspiegel zu vermeiden, reicht es nicht, den Wein auszuspucken statt ihn zu schlucken. Da hilft nur Abstinenz. Nach einer umfangreicheren Weinprobe sollte niemand mehr selbst Auto fahren. Oh ja, das wirft ein interessantes Licht auf die Praxis bei manchen Weinwettbewerben, Messen und Fachdegustationen und setzt die Organisatoren erheblich unter Druck.

Ich selbst habe seit 15 Jahren kein Auto mehr und werde mir, solange ich regelmäßig und insbesondere hauptberuflich Wein probiere, auch keins anschaffen. Natürlich ist das leichter gesagt als getan, wenn man in einer Gegend lebt, in der die öffentliche Nachverkehrsinfrastruktur entsprechend ausgebaut ist. Auf viele Weinorte und -gebiete trifft das leider nicht zu. Dennoch muss es auch dort Lösungen geben.

Und diese Forderung gilt eben nicht nur für Wein und Schaumwein, sondern für alle Alkoholika: Bier, Spirituosen, Cocktails, Alcopops und so weiter. Ganz besonders die Fachleute aus Handel, Gastronomie, Erzeugerbetrieben und Medien, die fast jeden Tag mit alkoholischen Getränken umgehen, haben die Pflicht zu verantwortungsvollem und vorbildlichem Verhalten: entweder verkosten oder fahren.

Das schreckliche Schicksal von Rüdiger und den drei anderen Unfallopfern zeigt auf unsäglich traurige Weise, wie gefährlich Alkohol am Steuer sein kann. Rüdigers Reaktionsvermögen war mit einem Blutalkoholwert von über 1,1 Promille stark beeinträchtigt, und seine Hemmschwelle war herabgesetzt. Möge uns allen dieses grausame Geschehen eine Mahnung und ein Auftrag sein.