Ein vinophiler Freund hatte beschlossen, anlässlich seines 65. Geburtstags die Flaschen aus seinem Weinkeller zu öffnen, die ihm persönlich am meisten bedeuteten. Darunter waren auch einige sehr alte und sehr teure Exemplare, und weil es so viele Weine waren, vollzogen sich die Feierlichkeiten über mehrere Tage bzw. Abende. Ich durfte bei allen Gelegenheiten dabei sein und erlebte eine Woche, die mir unvergesslich bleiben wird.
Dieses „Altwein-Festival“ im kleinen privaten Kreis fand Anfang Januar statt, doch bevor ich mit der Schilderung meiner Eindrücke der dort kredenzten Gewächse beginne, will ich die Verkostungsnotizen zweier gereifter Weine festhalten, die ich im vergangenen Jahr genießen durfte. In den letzten vier Jahren habe ich stets in einem Blogbeitrag zum Thema „altes Zeugs“ einen Überblick über die Weine aus älteren Jahrgängen als 2000 gegeben, die ich in den jeweils zurückliegenden zwölf Monaten im Glas gehabt hatte. Da dies 2017 tatsächlich nur diese beiden Weine waren, sollen sie hier gewissermaßen den Auftakt bilden:
1998 Gewürztraminer Sporen Alsace Grand Cru Vendanges Tardives, Roger Jung & Fils, Elsass, Frankreich
In der Nase Aromen von gelben Früchten, Rosenblüten und Kräutern. Im Mund süße Frucht von kandierter Ananas, eingemachtem Kernobst und Rosinen, Anklänge an Kräuter, florale und zart würzige Noten, eingebundene Säure, nicht sehr lang; was bleibt, sind Kandis, Quittengelee und feine Würze von Tabak, Blüten und Kräutern. Dafür, dass er fast 20 Jahre alt ist, hat er sich durchaus recht gut gehalten, aber er kommt schnell an seine Grenzen; vor fünf oder zehn Jahren wäre er sicher noch deutlich besser gewesen.
1999 Cuvée Prestige Madiran, Château Montus, Südwestfrankreich, Frankreich
In der Nase animalisch und fein gereift, dabei dicht mit Aromen von Beeren, Kräutern und Pflaumen, Gewürzen und gerösteten Nüssen sowie ätherischen Anklängen. Im Mund geschliffen, fein und kühl mit klarer Beerenfrucht, erdig-mineralischen Tönen, Gewürznoten, festem, dabei feinem Tannin, animierendem Säurebiss und sehr gutem, zupackendem Abgang. Mit Luft gewinnt er noch an Kraft und Finesse.
Die Weine aus der „Geburtstagswoche“ im Januar 2018 teile ich nachfolgend nun in zwei Kategorien ein: Weine jenseits der Jahrtausendgrenze (1999 und älter) und Weine diesseits der Jahrtausendgrenze (2000 und jünger). Die Verkostungsreihenfolge genau wiederzugeben, ist mir weder möglich, noch halte ich es für sinnvoll, da sich die Proben, wie gesagt, über mehrere Tage mit jeweils eigener Dramaturgie verteilten. Ich habe die Weine daher für die Berichterstattung nach ihrem Alter sortiert: Zuerst geht es von 1990 weiter in die Vergangenheit, dann von 2009 – die Jahrzehntgrenze überschreiten wir nicht – zurück bis 2001, wobei wir mit einem Non-Vintage-Champagner beginnen. Dass die Verkostungsnotizen nicht alle identisch strukturiert sind, möge man mir nachsehen.
Jenseits der Jahrtausendgrenze
1990 Eiswein, Bajano, Burgenland, Österreich
(60% Sämling 88, 30% Weißburgunder, 10% Welschriesling; ausgeschenkt aus der Doppler-Flasche)
In der Nase teils kandierte, teils getrocknete Aprikose, kandierte Ananas, kandierter Rettich, Litschi, Maracuja, etwas eingemachter Pfirsich, etwas Kräuter und Tabak. Im Mund sehr feine Süße, Pfirsich, Apfelmost, Honig, feine Säure, kandierte Ananas, etwas Karamell und Kandis, nachhaltig, frisch, saftig.
1989 Château Lafite-Rothschild Pauillac Premier Cru Classé, Château Lafite-Rothschild, Bordeaux, Frankreich
In der Nase sehr fein, reife dunkle Früchte, Tabak, Kräuter, Leder, zedrig. Im Mund kraftvoll, Sauerkirschen, Brombeeren, Kräuter, Tabak, Graphit, sehr dicht, kühl, erdige Mineralität, festes Tannin, sehr fein und sehr tief, sehr saftig, lang; ruhig, ausgewogen, elegant, Finesse und Komplexität, animierend und befriedend.
1986 Kremser Sandgrube Grüner Veltliner Spätlese trocken, Aigner, Kremstal, Österreich
Vegetabil (vor allem Sellerie), schwarze Walnüsse, Haselnüsse, reife Quitten, Bratäpfel, etwas Aprikosen und Marzipan, ein wenig Honig, feine Würze, Säure und Mineralität geben Rückgrat, Schmelz, vollmundig, saftig, fein, ruhig und sehr nachhaltig. Im Glas völlig stabil – dass er über 30 Jahre alt ist, merkt man ihm keinesfalls an, und er hält in dieser Form sicher mindestens weitere fünf Jahre.
1986 Château Haut-Brion Graves Premier Grand Cru Classé, Château Haut-Brion, Bordeaux, Frankreich
In der Nase leicht oxidativ (Pferd, Gummi), erdig-würzig, Laub, Lorbeer, tief, kühl, dunkle Früchte. Im Mund animierend, kraftvoll, sehr kräftiges, strenges Tannin, kühler Saft, mineralisch, dunkle Beeren, Waldboden, Tabak, lang; mit Luft feiner und seidiger. Man merkt, wie er gegen den Niedergang kämpft, und kann ihn schon als morbide und – wie Mitverkoster Willi Klinger es ausdrückte – „sphärisch“ bezeichnen.
1986 Tignanello, Marchesi Antinori, Toskana, Italien
(ausgeschenkt aus der Magnum-Flasche)
In der Nase animalisch, Waldboden, dunkle Früchte, Gewürze, Rosmarin. Im Mund etwas offen, fast überreife Beeren, erdige Würze, Tabak, Laub, kühle Mineralität, fest, recht präsente Säure, recht kräftiges Tannin, zupackend, nachhaltig; mit Luft zunehmend saftig.
1985 Cuvée Spéciale Maury, Mas Amiel, Languedoc-Roussillon, Frankreich
In der Nase leicht oxidativ, rote Beeren, Gewürze. Im Mund feine Süße, teilweise eingemachte rote Früchte, Gewürze, Tabak, geschmeidig, harmonische Säure, sehr nachhaltig.
1983 Grüner Veltliner, Mantlerhof, Kremstal, Österreich
In der Nase tief mit vegetabilen Noten, Aromen von reifen gelben Früchten und Kräutern sowie nussigen Anklängen. Im Mund elegant und fein mit Schmelz, Aromen von teils eingemachten, teils angetrockneten Aprikosen, Zitrusfrüchten, Nüssen und etwas Karamell, erdig-mineralischen Tönen und feiner Säure, in sich ruhend, sehr nachhaltig und erstaunlich frisch.
1983 Blaufränkisch Hochäcker, Tesch, Burgenland, Österreich
(ausgeschenkt aus der Doppler-Flasche)
In der Nase Himbeeren, Süßkirschen, rote Johannisbeeren, zart kräuterige Würze, Blumen. Im Mund geradlinig, straff, sehr klare Beeren- und Kirschfrucht, geschliffen, kühl, mineralisch, recht präsente Säure, festes, dabei feines Tannin, saftig, sehr fein, sehr elegant, sehr animierend, nachhaltig, Trinkfluss, selbstverständlich.
1983 Schlagerblut, Krutzler, Burgenland, Österreich
In der Nase kühl, fest, Kräuter, Beeren, erdig, Nüsse. Im Mund sehr saftig, Kirschen, Blaubeeren, präsente Säure, erdig-mineralisch, feine Würze, recht festes, dabei feines Tannin, gewisse Nachhaltigkeit, kraftvoll; sensorisch unfassbar jung.
1983 Riesling Ausbruch, Mantlerhof, Kremstal, Österreich
Vegetabil, teilweise getrocknete Aprikosen, Tabak, Kräuter, Nüsse, vollmundig, feine Süße, belebende Säure, erdig-mineralisch, Schmelz, Tiefe, nachhaltig.
Einen Tag später:
Bratäpfel, Zimt, eingemachte Aprikosen, Minze, etwas Tabak, vollmundig, fein und lang.
1982 Domaine de Chevalier Graves Grand Cru Classé, Domaine de Chevalier, Bordeaux, Frankreich
In der Nase tief, dicht, Paprika, dunkle Früchte, kühl, Kräuter, fein gereift, zart rauchig. Im Mund Tabak, präsente Säure, Schliff, fein, reife Beeren, Kräuter, kühle Mineralität, Pflaumen, Nelken, Lorbeer, festes Tannin, gewisse Kraft, nachhaltig; mit Luft zunehmend saftig. Viel jünger und frischer als gedacht.
1981 Blaufränkisch Hochäcker, Gesellmann, Burgenland, Österreich
Sehr geradlinig, Johannisbeeren, Kirschen, feine erdige und zart röstige Würze, recht präsente Säure, kaum mehr spürbares Tannin, mineralisches Fundament, gewisse Nachhaltigkeit; für sein Alter noch beeindruckend lebendig, aber innerhalb einer halben Stunde zu trinken.
1980 Oggauer Orange-Traube Spätlese, Wimmer, Burgenland, Österreich
In der Nase fein vegetabile Anklänge sowie Aromen von weißen und gelben Früchten und Blüten, später Noten von Nelken, Bitterorangen und etwas Tabak. Im Mund Aromen von Zitronen, Mirabellen, Ananas und Bergamotten, Tabak- und Kräuterwürze, präsente Säure, erdig-mineralische Töne, durchaus nachhaltig. Gut eine halbe Stunde hält er sich stabil und ausdrucksstark im Glas.
1976 Porto, Quinta do Noval, Dão, Portugal
Komplex, tief, eingelegte Walderdbeeren, kandierte Walnüsse, Ahornsirup, Honig, geröstete Haselnüsse, getrocknete Pflaumen und Aprikosen, Zigarrentabak, feine Süße, vollkommen harmonisch, in sich geschlossen, berührend und lang. Der größte Port, den ich je getrunken habe; schmeckt, als würde man das letzte Teil eines riesigen, bildgewaltigen, strahlenden Puzzles anlegen oder den Schlüssel im Schloss einer Geheimtür zu einer Schatzkammer voller Kostbarkeiten drehen. Das unmittelbar danach einsetzende Gefühl der Erfüllung und des inneren Friedens, des Staunens ob der Schönheit und der Vollkommenheit – das beschert dieser Wein.
Zwei Tage später:
Eine Aromen-Flutwelle von Honig, Karamell, Vanilletabak und Aprikosenkonfitüre, durchdringt jede Kapillare, ergreifend, voll und sehr fein, perfekte Harmonie, strahlende Schönheit, ewig lang.
Solera 1927 Pedro Ximénez Montilla-Moriles, Alvear, Andalusien, Spanien
In der Nase Liebstöckel, Trockenpflaumen, Tabak, eingemachte rote Früchte, etwas Teer. Im Mund Zuckersirup, sehr süß, tief, Zimt, Tabak, Zedernholz, Kandis, Schmelz, Länge.
Diesseits der Jahrtausendgrenze
Charles VII Grande Cuvée Le Victorieux brut, Canard-Duchêne, Champagne, Frankreich
Zitrusfrüchte, Quitten, Blüten, Mirabellen, sehr fein, feine Perlage, feine Säure, frisch, elegant, subtil, dabei tief und nachhaltig.
2009 Merlot, Lukas Markowitsch, Carnuntum, Österreich
In der Nase dunkle Früchte, Nelken, schwarzer Pfeffer, Kräuter. Im Mund tief, geschliffen, vollfruchtig, dunkle Beeren, Gewürze, etwas Tabak, Vanille und Schokolade, kräftiges, dabei feines Tannin, fest, kühle Mineralität, Zug, saftig, lang.
2009 Cuvée, Lukas Markowitsch, Carnuntum, Österreich
(85% Syrah, 10% Merlot, 5% Cabernet Sauvignon)
In der Nase Lebkuchenherzen, Vanille, Kokos, dunkle Früchte, Leder, Pflaumen, Kräuter. Im Mund kraftvoll, rote Früchte, erdige Würze, sehr fein, geschliffen, geschmeidiges Tannin, kühl, fest, mineralisch, dicht, vollmundig, elegant, lang.
2009 Cuvée Lukas Reserve, Lukas Markowitsch, Carnuntum, Österreich
(85% Syrah, 10% Merlot, 5% Cabernet Sauvignon; knapp ein Drittel kaltmazeriert, spontanvergoren)
In der Nase sehr dicht, tief und kühl mit Aromen von dunklen Beeren und Kräutern sowie erdig-würzigen Tönen und Anklängen an Orangen. Im Mund tief, dicht, kühl und sehr kraftvoll mit geschliffener dunkler Beerenfrucht, erdiger, tabakiger und kräuteriger Würze, kräftigem Tannin, feinem Säurebiss, mineralischen Noten und großer Länge; beeindruckend.
2009 Valpolicella Classico Superiore, Quintarelli, Venetien, Italien
Rote Früchte im Überfluss, dicht, sehr fein und ausgewogen, schwarzer Pfeffer, Nelken, ein wenig Teer, Tabak, sehr geschliffen, kraftvoll, feines Tannin, sehr saftig und animierend, feiner Säurebiss, Finesse und Länge.
2008 Terra delle Sirene Nero d’Avola, Zenner, Sizilien, Italien
Fein gereift, reife, teilweise eingemachte Brombeeren, Tabak, Waldboden, Lorbeer, seidiges Tannin, feiner Säurebiss, geradlinig, saftig, nachhaltig.
2008 Gran Reserva, Conde Valdemar, Rioja, Spanien
(10 Stunden karaffiert)
In der Nase Vanille, Gewürze, geröstete Haselnüsse, rote Früchte, Kräuter, Tabak. Im Mund präsente Säure, dunkle Beeren, Schwarzkirschen, erdige und kräuterige Würze, festes, dabei recht feines Tannin, gewisse Kraft, mineralisch, kühl, nachhaltig, schokoladiger Schmelz, Waldboden, Laub, Tabak; mit Luft zunehmend saftig und geradlinig.
2008 Weißer Burgunder Beerenauslese, Just, Burgenland, Österreich
In der Nase getrocknete Aprikosen, Pflaumen, Ananas, Kräuter, Tabak, tief. Im Mund sehr feine Süße, eingemachte gelbe Früchte (Pfirsiche, Mirabellen, Quitten), kandierte Orangen, Honig, feine Würze, etwas Kandis, feine Säure, sehr nachhaltig.
2007 Amarone della Valpolicella Classico, Bertani, Venetien, Italien
Reife, teilweise angetrocknete Beeren und Pflaumen, Kräuter, Tabak, feine Süße, viel Kraft, kühle Mineralität, kräftiges, recht feines Tannin, sehr nachhaltig und typisch.
2006 Iphöfer Tri Terra trocken, Wirsching, Franken, Deutschland
(Weißburgunder, Grauburgunder, Chardonnay)
In der Nase gelbe Früchte, Kräuter und Malz. Im Mund saftig, feiner, zart süßlicher Schmelz, Nüsse, Karamell, kandierte Ananas, teilweise eingemachte Birnen, harmonische Säure, nachhaltig.
2006 La Montagne Marsannay, Olivier Guyot, Burgund, Frankreich
In der Nase ätherisch, Orangenöl, Kräuter (Estragon, Thymian, Rosmarin, Oregano, Salbei), gegrilltes rotes Fleisch, röstig, erdig, später Himbeeren, tief und dicht. Im Mund kompakt, dunkle Früchte, später rote Beeren (Himbeeren, etwas Erdbeeren und Johannisbeeren), erdige Würze, Tabak, etwas geröstete Kakaobohnen, festes Tannin, feiner Säurebiss, kühle Mineralität, Altholz, Waldboden, viel Zug, beeindruckende Tiefe und Länge. Mit Luft immer saftiger und geschliffener, sehr elegant, dabei gewisse Strenge, fest und dicht mit unwiderstehlichem, zwingendem Trinkfluss. Ein Wein, der mindestens eine Menschengeneration reifen muss – um sich überhaupt soweit zu öffnen, brauchte er allein drei Tage in der Karaffe.
2005 Grüner Veltliner Zwirch, Neumayer, Traisental, Österreich
Röstiges Holz, Zitrusfrüchte, Äpfel, Karamell, Pfeffer, recht feste Mineralität, feiner Schmelz, animierende Säure, gewisse Kraft, sehr nachhaltig.
2002 Morillon Pfarrweingarten, Sattlerhof, Südsteiermark, Österreich
Ausgesprochen burgundisch, röstige und rauchige Holzwürze, reife gelbe Früchte, Karamell, Kaffee, tiefe Mineralität, feine Säure, in sich ruhend, sehr fein, ausgewogen und nachhaltig; eine große Selbstverständlichkeit. Potenzial für mindestens zehn weitere Jahre.
2001 Ungeheuer Riesling GC trocken, Dr. Bürklin-Wolf, Pfalz, Deutschland
In der Nase Noten von Karamell, Minze, reifen gelben Früchten und Orangenzesten sowie ätherische Nuancen. Im Mund straff und sehr fein mit Aromen von Blüten, Pfirsichen, Quitten, Mirabellen und Ananas, recht präsenter Säure, Noten von Orangen, etwas Karamell und Bergamotten, feinem Schmelz und kühlen erdig-mineralischen Anklängen, saftig und nachhaltig.
2001 Monzinger Halenberg Riesling Auslese trocken, Emrich-Schönleber, Nahe, Deutschland
Sehr fein, Zitrusfrüchte, Pfirsiche, Aprikosen, Blüten, saftig, feingliedrig und fest zugleich, kühle Schiefermineralität, zarter Schmelz, sehr charaktervoll, viel Zug, große Länge und Tiefe; wirkt zehn Jahre jünger, als er ist.
Zweite Flasche einige Tage später:
In der Nase Aromen von Zitrusfrüchten, Pfirsichen, Aprikosen und Kräutern, unterlegt mit erdigen Tönen. Im Mund sehr saftig und fein mit Noten von Zitrusfrüchten, Pfirsichen und roten Äpfeln, feinem Schmelz, präsenter Säure, kühler Mineralität sowie viel Zug, Spiel und Länge.