Die Rubrik „Altes Zeugs“ hat ja inzwischen eine Tradition im VinoBlog – dieser Beitrag ist bereits der vierte seiner Art. Auch in diesem Jahr kam ich wieder in den Genuss einer Reihe von Weinen jenseits des Jahrgangs 2000, und hier sind meine gesammelten Verkostungsnotizen dazu.
Die Weine stammten aus Beständen von Privatpersonen oder Restaurants im Großraum Rhein-Main-Neckar und in Wien. Zu zwei expliziten Proben gereifter Gewächse habe ich jeweils eigene Blogbeiträge verfasst: „Leerstück mit Schaf“ und „Bis der Doctor kommt“; die dort beschriebenen Weine erscheinen hier nicht noch einmal. Einige der nachstehenden Beschreibungen habe ich allerdings bereits auf Facebook veröffentlicht.
Februar
1976 Kinheimer Hubertuslay Riesling Beerenauslese, Hermann Scheuer, Mosel, Deutschland
Danke fürs Teilen dieses ehrwürdigen Tropfens – der sich als in großartiger Verfassung erwiesen hat. In der Nase getrocknete Aprikosen, Nussschalen, frittierter Salbei, Minze und Thymian; mit Luft immer stärker von Kräutern geprägt, dazu auch Walnüsse und Bienenwachs. Im Mund reife Pfirsiche, kandierte Äpfel, Zitronenzesten, Honig, kandierte Nüsse, teilweise getrocknete Aprikosen, etwas Rosinen, sehr feine Säure, schlank, saftig, geschliffen, im Abgang Kandis und konfierte Zitronen; mit Luft noch mehr Schmelz, völlig stabil, kandierte Orangen und wiederum Kräuter. Für 40 Jahre absolut bemerkenswerter Elan. Beeindruckend.
März
1991 Viña Lombas Rioja DOC, Bodegas de la Torre y Lapuerta, Rioja, Spanien
In der Farbe ziegelrot bis rehbraun. In der Nase getrocknete Beeren und Pflaumen, Gewürze (vor allem Nelken), getrocknete Kräutern und kandierte Orangen. Im Mund flach, metallisch, viel Säure, gekochte Beeren, spürbarer Alkohol; fällt sofort auseinander.
1987 Cabernet Sauvignon, Robert Mondavi, Kalifornien, USA
Kirschrote Farbe. In der Nase gegrillte Paprika, Gewürze, Peperoni und rauchig-speckig. Im Mund zuerst sehr säurebetont, dunkle Beeren und Gewürze, mit Biss. Mit Luft macht er immer mehr auf und wird zunehmend saftig mit Kräuter- und Tabakaromen; in der besten Phase zeigt er sich kraftvoll, kühl, animierend und klar. Nach etwa 20 Minuten geht die Frucht zurück, ein letztes Aufblitzen
mit Zimtnoten, dann bricht er innerhalb von weniger als zwei Minuten völlig zusammen. Insgesamt hat er gut durchgehalten – auch vor 30 Jahren war
Mondavi schon Spitze.
1999 Bonum Beerenauslese, Bernthaler, Burgenland, Österreich
In der Nase getrocknete Früchte (vor allem Aprikosen), leicht oxidativ, Toffee
und Tabak. Im Mund süße Frucht von getrockneten Feigen, Aprikosen und Cranberries, Kandis, Akazienhonig, etwas getrocknete Kräuter, Tabak, ein wenig Pumpernickel, präsente Säure, im Abgang Pflaumenmus mit Zimt.
Mai
1999 Enkircher Steffensberg Riesling Auslese, Niels Rasmussen-Bonne, Mosel, Deutschland
In der Nase Petrol, Pfirsiche, Aprikosen und Kräuter. Im Mund süße Frucht von Pfirsichen und Aprikosen, Zitrusfrüchte (Limetten), Kräuter, feine Mineralität, karamelliger Schmelz, recht präsente Säure, geradlinig; wirkt jung.
Juni
1990 Ruster Blaufränkisch Spätlese Barrique, Rudolf Beilschmidt, Burgenland, Österreich
Nachgerade alterslos. Kühle, dichte Mineralität, dunkle, beerige Frucht, minzige Kräuternoten, tabakige und erdige Würze. Fast ein Wunder, dass wir noch atmen können: Der Wein zieht Luft, als stünde er kurz vor dem Ersticken, keine Karaffe und kein Glas scheint ihm groß genug zu sein – und dabei gewinnt er schließlich eine unglaubliche Saftigkeit und Feinheit. Beeindruckendes Erlebnis!
1993 Château Belair Premier Grand Cru Classé Saint-Émilion Grand Cru AOC, Jean Dubois-Challon, Bordeaux, Frankreich
Habe ich am Anfang unterschätzt – aber er ist zweifellos jetzt auf dem Höhepunkt: Im Duft Zedernholz, sehr reife Beeren, Gewürze, Lorbeer, Bohnenkraut, später auch etwas Süßholz und Pfeffer. Im Mund saftig, dunkle Beeren, Gewürze, zunächst präsente Säure, die dann zugunsten kühler Mineralität zurückweicht, mürbes Tannin, etwas Tabak, mit Luft immer geschliffener und fester, schließlich sehr elegant, nachhaltig. Eine wahre Freude!
1999 Château Saint-André Corbin Saint-Georges Saint-Émilion AOC,
Alain Moueix, Bordeaux, Frankreich
Straff, aber leider im rustikalen Sinne, beinahe spröde, in der Nase Gummi, im Mund erdig-würzig, eher stumpf. Das wird nix mehr.
September
1997 Tattendorfer Pinot Noir trocken, Familie Auer, Thermenregion, Österreich
Fünf Stunden belüftet; dicht, dunkle Beeren, erdige Würze, etwas an Cabernet erinnernd, röstig, Tabak, kühl mineralisch, saftig, kraftvoll und nachhaltig.
Oktober
1999 Terricci Antiche Terre de’ Ricci, Lanciola, Toskana, Italien
In der Nase deutliche, feine Reifenoten, teilweise getrocknete Kräuter, nussig, reife, teilweise angetrocknete Beeren, Gewürze, erdig, Suppenfond. Im Mund geradlinig, saftig, dunkle Beeren, Gewürze, erdig, recht mürbes Tannin, Tabak, mineralische Anklänge, feiner Säurebiss, gewisser Zug, nachhaltig.
November
1971 Hattenheimer Mannberg Riesling Auslese, Langwerth von Simmern, Rheingau, Deutschland
Saftig und tief, getrocknete Aprikosen, Pfirsiche, Orangenmarmelade, Limetten, Kräuter, präsente, feine Säure, mit Luft zunehmend floral, Karamell, nachhaltig und fein.