Bei der diesjährigen Hausmesse der K&U Weinhalle in Nürnberg leistete ich mir den größten Luxus, den man sich auf einer Weinmesse erlauben kann: Ich ließ mich einfach durch das Geschehen treiben. Zwar entwickelte sich zwischendurch mitunter doch eine Mikro-Dramaturgie, aber ich ging ohne vorgefassten Plan und rein intuitiv vor.

Wie jedes Jahr fand die Veranstaltung am 18. und 19. November, die sich laut Gastgeber Martin Kössler „als eine der größten privaten Weinmessen der Bundesrepublik etabliert“ hat, im Ofenwerk statt: Das Fahrzeugmuseum bildet einen einzigartigen nostalgischen Rahmen für mehr als 360 Weine von über 60 Winzern aus zehn Ländern sowie ausgesuchte „Spezereien“ von Brot und Käse über Austern und warme Speisen bis zu Schokolade und Confiserie. (Hier fand ich auch die perfekte Messeverpflegung für mich: nur mit Butter bestrichenes Landbrot von der Bäckerei Arnd Erbel aus Dachsbach – sensorisch neutral, kräftigend und ausgesprochen schmackhaft.)

„Es dürfte nicht viele Veranstaltungen in Deutschland geben, die ähnlich hohes Winzer- und Wein-Niveau präsentieren. Über 2.000 interessierte Besucher finden alljährlich den Weg ins Nürnberger Ofenwerk, Tendenz steigend“, meint Martin Kessler selbstbewusst und freut sich: „Es war eine tolle Hausmesse. Noch mehr Besucher, darunter sehr viel junges Publikum, das sich besonders wissbegierig und interessiert zeigte, und wieder begeisterte Winzer, die über die Disziplin und das Interesse seitens unserer Besucher staunten.“

Die genussorientierte, geschäftige Atmosphäre kann ich absolut bestätigen: viele Menschen, hoher Geräuschpegel, umlagerte Stände, verbindende Neugier, Kundige geben Neulingen Tipps, unter Profis (wie etwa den Bloggern Thomas Golenia und Leo Quarda, denen ich immer wieder über den Weg lief) Fragen nach Entdeckungen und gegenseitige Empfehlungen. „Probiere Gutes und rede darüber“, könnte das Motto sein.

Ich probierte in knapp sechs Stunden am Messesamstag gut 80 Weine und begann meine Reise stilgerecht mit Champagner. Frankreich bildete auch insgesamt den deutlichen Schwerpunkt meiner Verkostung, darüber hinaus besuchte ich mehrere Winzer aus Österreich und machte einzelne Abstecher nach Kalifornien, Italien und Deutschland. Für alles Folgende gilt: Die Aussagen und Einordnungen beziehen sich – logischerweise – ausnahmslos auf die Weine, die ich verkostet habe; über alle anderen (d.h. über mehr als drei Viertel des Angebots) kann ich mir kein Urteil erlauben. Insofern ist die Aufstellung hier eine sehr limitierte und subjektive und die Bewertung in keiner Weise absolut zu sehen.

Wie schon in meinem Bericht über die Hausmesse von K&M Gutsweine in Frankfurt am Wochenende zuvor teile ich meine Wein-Favoriten in die Kategorien „Überragend“, „Begeisternd“ und „Empfehlenswert“ ein, doch ich will vorher noch einige Weingüter herausheben, deren Sortiment mich in besonderer Weise angesprochen hat:

Stéphane Tissot, Jura
Das Jura ist seit jeher ein Weinbaugebiet für Liebhaber mit sehr eigenständigen Rebsorten und Gewächsen. Stéphane Tissot gelingt jedoch das Kunststück, mit seinem klaren Stil auch die „wilden“ autochthonen Sorten zu zähmen, verständlich zu machen und in großen Genuss zu verwandeln. Grandiose Weine!

Werlitsch, Steiermark
Eine eigene Dimension von Wein. Was Ewald Tscheppe in seine Flaschen füllt (jetzt mit neuem Etikettendesign), ist Naturwein, der alle Sinne berührt: geerdet, entschleunigt, flüssige, konservierte Zeit. „Weine mit Seele“ nennt Tscheppe sie, und dass die Wertegemeinschaft, der sein Demeter-Betrieb angehört, „Schmecke das Leben“ heißt, macht ganz deutlich, worum es hier geht.

Manincor, Südtirol
Die Weine von Manincor stachen – weiß wie rot – durch ihre Eleganz und Feinheit aus dem Messeangebot heraus. Beeindruckend!

Léon Boesch, Elsass
So präzise und finessenreiche Weine habe ich aus dem Elsass sehr lange nicht getrunken – eine großartige Entdeckung!

Clos de Trias, Rhône
Even Bakke ist Norweger und produziert am Mont Ventoux außergewöhnliche Weine. Sein 2011 Clos de Trias Ventoux Rouge reifte fünf Jahre im Keller und ist für mich mit knapp 13 Euro die ultimative Preis-Genuss-Empfehlung der Messe!

Überragend

Schaumwein

• 2002 Champagne Assemblage Millésime brut, Bruno Paillard, Champagne
  
voll, saftig, mineralisch und sehr fein mit Aromen von Nüssen und reifen gelben Früchten, elegant und lang
• Champagne Terre de Vertus Premier Cru brut nature,
  Larmandier-Bernier, Champagne
  
komplex, fein, saftig und lang mit Noten von Trockenobst und Nüssen

Weißwein

• 2013 Chardonnay Quarzit, Dieter Herist, Burgenland
  
rauchig, saftig und tief
• 2013 Les Genièvrières Mâcon-Cruzille, Guillot-Broux, Burgund

  mineralisch und lang mit viel Körper, Schmelz und Aromen von gelben Früchten, Nüssen und Karamell; Preis-Genuss-Empfehlung
• 2013 Chardonnay Les Graviers Arbois, Stéphane Tissot, Jura
  
sehr fein, saftig, mineralisch und animierend
• 2013 Clef de Sol Blanc Montlouis-sur-Loire, La Grange Tiphaine, Loire

  Kraft, Saft, Druck und Länge
• 2015 Moscato Giallo Alto Adige, Manincor, Südtirol

  saftig, typisch und ausdrucksstark
• 2002 Grüner Veltliner Solist Fass 5 Straßer Stangl Kamptal, Kirchmayr, Niederösterreich

  komplex und ästhetisch schön mit feiner Kraft, Schmelz und Länge
• 2010 Ex Vero II, Werlitsch, Steiermark

  fest mit Nuss- und Kräuteraromen, Schmelz, Länge und bezwingender Ruhe; senkt nach dem Schlucken förmlich den Pulsschlag
• 2012 Gewürztraminer Grand Cru Zinnkoepflé Vendanges Tardives,
  Léon Boesch, Elsass
  
rund und lang mit Volumen und großer Finesse

Rotwein

• 2013 Mason Pinot Noir Alto Adige, Manincor, Südtirol

  elegant, fein und lang mit kühlem Schliff
• 2012 Pinot Noir Knox Alexander Santa Maria Valley, Au Bon Climat, Kalifornien

  sehr elegant, rund und feinwürzig
• 2014 Le Vin de ma Cocotte Pays d’Aude, Mamaruta, Languedoc

  kraftvoll und dicht mit saftiger, dunkler Beerenfrucht, komplexer Würze und
  viel Extrakt
• 2011 Clos de Trias Ventoux Rouge, Clos de Trias, Rhône

  zart gereift, kraftvoll, komplex, sehr fein, saftig und sehr animierend; Preis-Genuss-Empfehlung
• 2011 Côte-Rôtie, Stéphane Ogier, Rhône

  sehr fein, elegant, balanciert und lang
• 2012 Cabernet Sauvignon Sonoma Mountain, Laurel Glen, Kalifornien

  sehr saftig, vollfruchtig und feinwürzig

Begeisternd

Schaumwein

• Crémant du Jura extra brut, Stéphane Tissot, Jura

  sehr animierend und rund
• Champagne Réserve Privée Blanc de Blancs extra brut,
  Bruno Paillard, Champagne
  
saftig, fein, mineralisch und animierend
• 2008 Champagne du Levant Grand Cru Vieilles Vignes Millésime extra brut, Larmandier-Bernier, Champagne

  kompakt, frisch, straff, mineralisch und klar
• Birnenschaumwein, Kirchmayr, Niederösterreich
  
saftig und fein mit intensiver Birnenfrucht

Weißwein

• 2014 Rechnitzer Weißburgunder, Dieter Herist, Burgenland
  
saftig und dicht; Preis-Genuss-Empfehlung
• 2013 Rechnitz, Dieter Herist, Burgenland

  kraftvoll, kompakt und saftig
• 2014 Grüner Veltliner St. Georgen, Moric, Burgenland

  saftig, komplex und animierend mit Schmelz
• 2015 Grüner Veltliner Fass 5 Straßer Stangl, Kirchmayr, Niederösterreich
  
kraftvoll und saftig mit Schmelz
• 2015 Chardonnay Patchwork Arbois, Stéphane Tissot, Jura
  
saftig, elegant und zart holzwürzig
• 2014 Chardonnay Los Alamos, Au Bon Climat, Kalifornien

  saftig und feinfruchtig mit Holznoten
• 2012 Hildegarde Estate Reserve Santa Maria Valley, Au Bon Climat, Kalifornien

  röstig mit Kraft und Schmelz
• 2013 Le Fief du Breil Muscadet Sèvre et Maine, Jo Landron, Loire

  animierend mit Schmelz und Zug
• 2015 Muscat L’Amandier, Léon Boesch, Elsass

  sehr typisch, fein, komplex und angenehm
• 2013 Sauvignon Blanc Katl, Kirchmayr, Niederösterreich
  
saftig und feinfruchtig mit Zitrusnoten
• 2014 Sauvignon Blanc Quatre Mains, La Grange Tiphaine, Loire

  viel Kraft und Zug
• 2015 Viognier La Rosine Collines Rhodaniennes, Stéphane Ogier, Rhône

  Frucht, Schmelz und Saft
• 2013 La Combe de Malleval Condrieu, Stéphane Ogier, Rhône

  vegetabile und mineralische Noten, Heilkräuteraromen
• 2015 Reserve della Contessa Bianco Alto Adige, Manincor, Südtirol

  elegant, saftig und kraftvoll
• 2015 Sophie Chardonnay V.S. Alto Adige, Manincor, Südtirol

  saftig, kraftvoll und fein
• 2014 Gewürztraminer Grand Cru Zinnkoepflé, Léon Boesch, Elsass
  
rund und kraftvoll mit Schmelz und Würze
• 2012 Dreigenerationenwein, Werlitsch, Steiermark

  tief, komplex, dicht und animierend; verströmt wohltuende Wärme

Rotwein

• 2011 Pinot Noir Reserve, Dieter Herist, Burgenland

  elegant, kühl und saftig mit Kirsch- und Beerenfrucht und Holzwürze
• 2014 Reserve del Conte Rosso Alto Adige, Manincor, Südtirol

  geradlinig, saftig und harmonisch
• 2012 La Myotte Bourgogne Rouge, Guillot-Broux, Burgund

  leicht gereift mit Eleganz und Finesse
• 2014 Le Coupe Soif Fitou, Mamaruta, Languedoc

  saftig und dicht mit Finesse
• 2010 Clos de Trias Vieilles Vignes, Clos de Trias, Rhône

  viel Kraft, Fruchtfülle und feine Würze; Fassprobe
• 2014 Trousseau Singulier Arbois, Stéphane Tissot, Jura

  würzig mit Kirscharomen, Zug und Balance
• 2015 Poulsard Amphore, Stéphane Tissot, Jura

  geschliffen, säurefrisch und geradlinig

Empfehlenswert

Schaumwein

• Crémant du Jura BBF Blanc de Blancs extra brut, Stéphane Tissot, Jura

  straff und zupackend
• Champagne Longitude Blanc de Blancs extra brut, Larmandier-Bernier, Champagne

  fein, mineralisch, straff und animierend
• Champagne Réserve Privée Rosé extra brut, Bruno Paillard, Champagne

  feinfruchtig und rund

Weißwein

• 2014 Rechnitzer Welschriesling, Dieter Herist, Burgenland
  
feinwürzig und gesetzt
• 2015 Grüner Veltliner vom Löss, Kirchmayr, Niederösterreich
  
„Spaß im Glas“
• 2014 Pinot Gris Clos Zwingel, León Boesch, Elsass

  ganz trocken mit Finesse
• 2014 Les Combettes Mâcon, Guillot-Broux, Burgund
  
sehr geradlinig und mineralisch
• 2015 Amphibolite Nature Muscadet Sèvre et Maine, Jo Landron, Loire

  straff und saftig; Preis-Genuss-Empfehlung
• 2015 Chenin Blanc Bel Air Touraine-Amboise, La Grange Tiphaine, Loire
  
saftig und feinfruchtig
• 2015 Sauvignon Blanc Trinqu’Âmes Touraine, La Grange Tiphaine, Loire

  typisch und saftig; Preis-Genuss-Empfehlung
• 2011 Weiß Alte Reben, Wachter-Wiesler, Burgenland
  
Kraft und Saft
• 2012 Grüner Veltliner Große Reserve Straßer Stangl, Kirchmayr,
  Niederösterreich

  kühl, saftig und feinfruchtig mit Marzipannoten
• 2015 Viognier Kaliber 17, Adams Wein, Rheinhessen

  typisch mit gewisser Feinheit
• 2015 Viognier Pays d’Oc, Les Yeuses, Languedoc

  typisch, fein und saftig
• 2014 Gewürztraminer Les Fous, Léon Boesch, Elsass

  saftig und feinwürzig
• 2010 Ex Vero Legoth, Werlitsch, Steiermark

  fest und säurebetont mit Aromen von Maracuja und Physalis
• 2012 Ex Vero I, Werlitsch, Steiermark
  
komplex, rauchig, straff und erdig-mineralisch mit Kräuternoten

Rotwein

• 2014 Spätburgunder Kaliber 12, Adams Wein, Rheinhessen
  
feinwürzig, etwas nussig-schokoladig, harmonisch
• 2013 Spätburgunder Kaliber 48, Adams Wein, Rheinhessen
  
kräuterig-würzig und elegant
• 2012 Pinot Noir Isabelle Morgan Santa Maria Valley, Au Bon Climat, Kalifornien
  
Kraft, Würze und kühler Saft
• 2013 Pinot Noir San Andreas Fault, Hirsch, Kalifornien
  
recht fein, elegant und geradlinig
• 2015 Amassa, Mamaruta, Languedoc

  saftig und süffig; Preis-Genuss-Empfehlung
• 2013 Syrah La Rosine Collines Rhodaniennes, Stéphane Ogier, Rhône
  
kühl, fein und saftig mit Schokoladennoten
• 2013 Cabernet Sauvignon Lyndenhurst Napa Valley, Spottswoode, Kalifornien
  
kraftvoll mit viel Tabak

Die Hausmesse von K&U ist für mich jedes Jahr ein Höhepunkt im Veranstaltungs- und Verkostungskalender: für ökologisch erzeugte „Weine von Winzern mit Ethos, die ihre Überzeugungen leben“, wie Martin Kössler es formuliert. „Unsere Winzer wissen, dass ihre handwerklich gemachten Weine jenseits des geschmacklichen Mainstreams Fragen provozieren“, sagt er und resümiert: „Unser Portfolio spiegelt programmatisch souverän und konzeptionell kompromisslos die faszinierende Vielfalt handwerklichen Weines jenseits regionaler, ideologischer und stilistischer Grenzen wider.“ Und genau deshalb freue ich mich jetzt schon auf die nächste K&U-Hausmesse am 17. und 18. November 2017.