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Es ist wieder Spargelsaison. Und noch bevor die ersten Stangen vorsichtig ihre Köpfe aus der Erde stecken, wird man bei Weinhändlern und Weingütern mit Angeboten bombardiert: Spargelwein!

Spargelwein ist ein besonderes Phänomen. Es ist zwar verwandt mit berühmt-berüchtigten (weil allmählich gnadenlos abgedroschenen) Erscheinungen wie „Terrassenwein“ oder „Grillwein“ (im ersten Fall vor allem Rosés und leichte Weißweine, im zweiten Fall kräftige Rotweine, die auch im Sommer ihre Chance bekommen sollen), aber der Begriff „Spargelwein“ ist in seinem verlässlichen, inflationären Auftreten und seiner Absolutheit meiner Meinung nach nicht zu überbieten. Dabei ist er inhaltlich noch nicht einmal eindeutig.

Sommelier Silvio Nitzsche schreibt in einem Artikel in der Sächsischen Zeitung dazu treffend: Die Spargelzeit ist „immer wieder mit der Frage verbunden, welches der perfekte Wein zum Spargel ist. Die Spargelweine, die in jedem Drogeriemarkt empfohlen werden, sind es jedenfalls nicht. Hier soll das Gemüse als Synonym für die totale Frische dienen – nur haben diese Weine leider außer Frische wirklich nichts.“ Das deutet schon an: Spargelwein ist zu einem beliebigen Modeetikett geworden, das jedes Jahr im Frühling an alle möglichen und unmöglichen Weine geheftet wird – ausgehend von der Vorstellung, dass von Anfang April bis zum 24. Juni alle Welt ausschließlich Spargel esse und dazu dringend den passenden Wein brauche. Etwas weniger Aufregung täte hier meines Erachtens gut. Denn die Sache ist differenzierter, als die Wein-Marktschreier sie machen.

Als „idealer Spargelwein“ wird immer wieder Silvaner angepriesen. Eine Google-Suche nach dem Begriff „Spargelwein“ liefert immerhin 32.500 Treffer, und bei „verwandten Suchanfragen“ zu diesem Wort erscheint neben diversen Jahreszahlen (was die Regelmäßigkeit unterstreicht, mit der das Thema auftaucht) eine Rebsorte: Silvaner.

Das ist übrigens zweifellos ein deutsches Phänomen: In Österreich nimmt die Rolle des prominenten Spargel-Begleiters der Grüne Veltliner ein. Beide Sorten haben auch unbestritten Eigenschaften, die sie mit Spargel gut harmonieren lassen: zum einen die vegetabile Aromatik, die mit dem Gemüse korrespondiert, und zum anderen die relativ moderate Säure, die nicht zu stark sein darf, um die Bitterstoffe des Spargels nicht zusätzlich zu betonen. – In Österreich gibt es sogar jedes Jahr einen von der Österreich Wein Marketing (ÖWM) veranstalteten Wettbewerb mit dem Titel „Selektion Spargelwein“, bei dem Weine in drei Kategorien antreten: Grüner Veltliner, weiße Burgundersorten und andere weiße Rebsorten. Das zeigt, dass einerseits der Grüne Veltliner als eigene Kategorie besonderen Status genießt, dass andererseits aber auch andere Weißweine als kulinarische Begleiter zu Spargel erst genommen werden.

Auch in Deutschland ist der Silvaner bereits seit mehreren Jahren keine alleinige Empfehlung mehr. Ähnlich wie in Österreich werden auch hierzulande zunehmend die weißen Burgundersorten (Weißburgunder, Grauburgunder, Chardonnay etc.) mit ihren gelbfruchtigen und nussigen Aromen sowie ihrer milden Säure als bestens geeignete Spargel-Partner empfohlen. Weitere Empfehlungen reichen von Müller-Thurgau (alias Rivaner) über weiß gekelterten Spätburgunder (Blanc de Noirs) bis zu Bukettsorten wie Muskateller oder Scheurebe. Die Vielfalt der möglichen „Spargelweine“ ist also nicht zu unterschätzen.

Bei der Weinempfehlung kommt es übrigens immer auch auf die Art des Spargels und die Zubereitung an: weißer Spargel, grüner Spargel, gekocht, gebraten, als Salat mit Vinaigrette, mit zerlassener (heller oder brauner) Butter, mit Sauce Hollandaise oder Béarnaise, mit Grüner Soße, mit Schinken-Ei-Petersilien-Buttersauce, mit rohem oder gekochtem Schinken, mit Kalbs- oder Schweineschnitzel, mit Rindersteak, mit gebratenem oder gegrilltem Lachsfilet und, und, und… Vor diesem Hintergrund haben sowohl die ÖWM als auch das Deutsche Weininstitut (DWI) eigene Internetseiten zum Thema Spargel konzipiert – eine lohnende Lektüre:

Ich selbst habe durchaus drei Wein-Favoriten zu Spargel – ausdrücklich jenseits des Silvaners (der mir oft zu grün ist und den ich in vielen Fällen inzwischen langweilig dazu finde):

  • Erstens – und da gehe ich mit Silvio Nitzsche konform – einen nicht im Holz ausgebauten Chardonnay, der mit seiner Frucht und Mineralität zu sehr vielen Spargelgerichten eine sehr gute Figur macht.
  • Zweitens einen Auxerrois – ein weiteres, wenig bekanntes Mitglied der Burgunderfamilie (eine natürliche Kreuzung aus Weißem Heunisch und Burgunderrebe). Mit seiner feinen Art und Noten von Kernobst, Blüten und Nüssen versteht er sich ganz vortrefflich mit (vorzugsweise weißem) Spargel.
  • Drittens einen Neuburger – eine autochthone österreichische Sorte, die in deutschen Landen leider nahezu unbekannt ist (eine natürliche Kreuzung aus Rotem Veltliner und Sylvaner). Mit gelber Frucht, nussigen Anklängen und feiner Würze begleitet er exzellent auch komplexere Spargelgerichte.

Für Auxerrois und Neuburger habe ich sogar zwei konkrete Tipps: den Auxerrois trocken 2015 vom Weingut Pfirmann in der Pfalz und den Neuburger trocken 2015 vom Weingut Tinhof im Burgenland. Und als Wahl-Frankfurter habe ich abschließend noch eine ganz andere Alternative: Auch Apfelwein passt sehr gut zu Spargel!