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Um dem Wunsch eines ehrgeizigen jungen Kochs zu entsprechen und ihn näher an die Welt der Weine heranzuführen, verkosteten wir gemeinsam in einer ausgedehnten Probe 18 europäische Weine, die ich dafür einigermaßen willkürlich ausgewählt hatte: weiße und rote, trockene und süße, junge und gereifte Weine aus Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Österreich und Bulgarien.

Dabei ging es darum, die Vielfalt der Weinwelt kennenzulernen, Aromen und Charakteristika zu identifizieren und Präferenzen für bestimmte Weintypen herauszufinden. Einige Weine waren schon so alt, dass ihre Genießbarkeit fraglich erschein, andere waren bereits mehrere Tage offen, so dass sich teilweise der Einfluss des Sauerstoffs bemerkbar machte. Wieder andere beobachtete ich nach der Probe noch mehrere Tage an der Luft.

Großer Auftritt der kleineren Weinbauländer

Das Ergebnis ist vielleicht gerade wegen der eher unsystematischen Zusammenstellung der Weine interessant (vielleicht aber auch eben deshalb genau nicht): Bei den Weißen machten ein 2006er Grüner Veltliner aus Niederösterreich und ein 2005er Bourgogne Premier Cru die Spitzenposition unter sich aus – und als nachhaltiger zeigte sich am Ende der Österreicher, der zum Trinkzeitpunkt voll auf der Höhe war (also weiterlesen und dann im Keller nachschauen – wer davon noch was hat: jetzt öffnen und genießen!).

Als beste Rotweine präsentierten sich wiederum ein 2005er Bourgogne Premier Cru (das Pendant zum weißen) sowie eine 2007er Cuvée aus Portugal und – Überraschung! – ein 2001er Mavroud aus Bulgarien. Die drei rest- bzw. edelsüßen Weine, allesamt 2010er Rieslinge von der Mosel, waren ohnehin über jeden Zweifel erhaben und wären es auch gewesen, wenn der vierte, ebenfalls deutsche Süßwein nicht wegen eines Korkfehlers ausgefallen wäre.

Hier nun die Weine in der Reihenfolge der Verkostung (diese war wiederum mit Bedacht so festgelegt und erwies sich als richtig):

Weißweine

  • 2007 Weißburgunder Spätlese trocken
    Weingut Simon-Bürkle, Hessische Bergstraße, Deutschland
    Der Wein ließ mit Kernobstaromen und pflanzlichen Noten seine Rebsorte erkennen, zeigte sich aber auch sehr säurebetont und zunehmend nussig. Es wurde klar, das er nicht auf lange Lagerung angelegt war und seinen Höhepunkt leider schon um mindestens zwei Jahre überschritten hatte.
  • 2010 Weißburgunder von den Hügeln
    Weingut Erwin Tinhof, Burgenland, Österreich
    So schmeckt ein guter, frischer und typischer Weißburgunder, der mit Birnen- und Zitrusaromen sowie pflanzlichen Noten zu erfreuen wusste.
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  • 2007 Riesling Spätlese trocken
    Weingut Simon-Bürkle, Hessische Bergstraße, Deutschland
    Auch der Riesling hatte – wie sein Weißburgunder-Bruder – seinen Höhepunkt leider bereits um mindestens zwei Jahre überschritten; davon zeugten Aromen von Pfirsich und getrockneter Aprikose sowie phenolische und auch buttrig-laktische Noten.
  • 2005 Château de Chamirey Mercurey Premier Cru La Mission
    Marquis de Jouennes d‘Herville, Bourgogne, Frankreich
    Ein großer weißer Burgunder (aber natürlich kein Weißburgunder, sondern standesgemäß ein reiner Chardonnay). Feine Holzwürze mit Vanille- und Kokosaromen trat als erstes in die Nase, dazu buttrige Töne, Kernobst und pflanzliche Noten. Der Wein überzeugte mit viel Schmelz und sehr guter Substanz.
    Nach drei Tagen verkostete ich ihn allein erneut, um seine Entwicklung an der Luft zu verfolgen. Sie war erwartungsgemäß positiv: Jetzt präsentierte sich der Wein kraftvoll und schmelzig, mit differenzierter gelbfruchtiger Aromatik und feiner Würze.
  • 2010 Château Barthé Blanc FC Graves AOC
    Château Barthé, Bordeaux, Frankreich
    Dieser Wein – eine für einen weißen Bordeaux typische Cuvée aus Sauvignon Blanc und Sémillon – war zum Probezeitpunkt bereits drei Tage offen und zeichnete sich durch Vanille- und Zitrusaromen sowie pflanzlich-herbe Noten aus.
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  • 2008 Minéral Vacqueyras AOC
    Montirius, Rhône, Frankreich
    Die autochthone Cuvée besteht zur Hälfte aus Bouboulenc sowie zu jeweils einem Viertel aus Grenache Blanc und Rousanne. Als vorherrschende Aromen stellten sich Käse, Marzipan und Rumtopffrüchte sowie Minze, Fenchel und Kräuter ein. Leicht oxidative Noten zeigten, dass auch dieser Wein zum Probezeitpunkt bereits drei Tage offen war, und er baute mit weiterem Sauerstoffkontakt relativ schnell ab.
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  • 2006 Grüner Veltliner Goldjoch
    Weingut R&A Pfaffl, Weinviertel, Österreich
    Dieses Prachtexemplar eines gereiften Grünen Veltliners stellte sich mit Aromen von grünen Mandeln sowie leicht gebrannten und herben Noten vor, dann folgten vegetabile und nussige Töne sowie Kernobst. Sein Schmelz und seine sehr gute Substanz machten ihn zu einem äußerst gelungenen Vertreter seiner Art.
    Wie den Mercurey probierte ich auch diesen Wein nach drei Tagen erneut, und er hatte an der Luft noch einmal zugelegt: präsent, in sich geschlossen und kompakt, dabei gleichzeitg elegant, harmonisch und animierend stellte er sich dar – und bietet damit genau jetzt höchsten Trinkgenuss.

Rotweine

  • 2008 Spätburgunder vom Kalksteinfels
    Weingut Philipp Kuhn, Pfalz, Deutschland
    Mit Holzwürze sowie kühler Beeren- und Kirschfrucht ließ der Wein durchblicken, in welche Richtung er gehen soll, zeigte aber insgesamt eher wenig Finesse.
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  • 2008 Syrah Côteau la Tour
    Les Crêtes di Charrere, Aostatal, Italien
    Aromen von Blaubeere und Cassis sowie kühle und kräuterige Würze machten diesen samtigen Wein aus, der beim Trinken einen hohen Spaßfaktor bot.
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  • 2007 Crianza
    Bodegas Luis Cañas, Rioja, Spanien
    Ein typischer Rioja-Rotwein aus 95 Prozent Tempranillo und 5 Prozent Garnacha, dessen Reife sich in animalischen Noten, Aromen von Pflaume und Beeren sowie mürben Tanninen widerspiegelte.
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  • 2007 Quinta do Mondego tinto
    Quinta do Mondego, Dão, Portugal
    Eine autochthone portugiesische Cuvée aus 40 Prozent Touriga Nacional, 30 Prozent Tinta Roriz, 20 Prozent Jaen und 10 Prozent Alfrocheiro. Sie präsentierte sich zunächst maskulin und mit dunkler Aromatik: Oliven, Kaffee und Pflaumenmus sowie Teer, Brombeere und Lakritz, ergänzt um kühle Würze und Bitterschokoladenoten bestimmten den sensorischen Eindruck. Mit Luft gewann der Wein deutlich an Charme, wurde geschmeidiger und weicher und entwickelte eine saftige Blaubeer- und Pflaumenfrucht mit feiner Würze.
  • 2001 Mavrud Specialia Reserva
    Vinzavod Asenovgrad, Bulgarien
    Die Rebsorte Mavroud ist für mitteleuropäische Gaumen gewöhnungsbedürftig, kann aber Weine mit gutem Reifepotenzial hervorbringen – wie sich bei dieser Special-Reserve zeigte: Süßholz und Suppenkräuter, vegetabile und gewürzige Noten sowie Holztöne, dazu dunkle Beeren, Pflaumen und Bitterschokolade prägten zunächst das Aromenbild. Mit mehr Luft stellten sich Rosenholz, Kirsche und Zimt ein, so dass der Wein insgesamt zugänglicher wurde und etwas von seiner anfangs sehr rustikal wirkenden Art verlor.
  • 2000 Zar Simeon Reserve
    Zar Simeon, Nova Zagora, Bulgarien
    Der reinsortige Cabernet Sauvignon zeigte mit Aromen von Zedernholz, Gewürzen, eingemachten Beeren und Sauerkirschen kein besonders gutes Reifeverhalten, er wirkte angestrengt mit trocknendem Tannin und baute an der Luft schnell ab.
  • 2005 Château de Chamirey Mercurey Premier Cru Les Ruelles
    Marquis de Jouennes d‘Herville, Bourgogne, Frankreich
    Der Duft erschien schon etwas entwickelt, Aromen von Beeren, Cassis und Gewürzen prägten den ersten sensorischen Eindruck. Mit Luft entwickelten sich eine opulente Beeren- und Kirschfrucht sowie eine feine, an Tabak erinnernde Würze. Ein eleganter Pinot Noir, der jetzt auf dem Höhepunkt ist, aber auch schon etwas fragil wirkte.
    Nach einem Tag an der Luft baute der Wein dann bereits deutlich ab und zeigte Noten von Lakritz und Dörrpflaumen sowie leicht oxidative Töne, die an Portwein erinnerten.

Süße Weine

  • 2010 Maximin Grünhäuser Herrenberg Riesling Spätlese
    Schlosskellerei C. von Schubert, Mosel, Deutschland
    Dass der Wein zum Probezeitpunkt bereits drei Tage offen war, wirkte sich, wenn überhaupt, dann nur positiv aus: Florale Noten, feine Kräuterwürze sowie Aromen von Pfirsich und rosa Grapefruit dokumentierten ebenso die filigrane und differenzierte Art wie der feine Säurenerv.
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  • 2010 Brauneberger Juffer-Sonnenuhr Riesling Beerenauslese Erste Lage
    Weingut Fritz Haag, Mosel, Deutschland
    Zum Probezeitpunkt bereits rund zweieinhalb Wochen offen, überzeugte der Wein mit Honig- und Kräutertönen, Aromen von kandiertem Steinobst sowie Noten von Apfel, Pfirsich und Zitrusfrüchten.
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  • 2010 Brauneberger Juffer-Sonnenuhr Riesling Trockenbeerenauslese Erste Lage
    Weingut Fritz Haag, Mosel, Deutschland
    Auch die TBA war zum Probezeitpunkt bereits rund zweieinhalb Wochen offen. Sie begeisterte mit Aromen von Kräutern, Honig, kandierten Äpfeln und getrocknete Aprikosen, präsentierte sich saftig, dicht und tief mit floralen, an Orangenblüten erinnernden Noten sowie Kandis- und Zitrustönen. Der hoch komplexe Wein bewies im Mund Nachhaltigkeit und Länge.
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  • 2005 Ortega Trockenbeerenauslese
    Weingut Schmitt, Rheinhessen, Deutschland
    Dieser Wein hatte einen unangenehmen Korkfehler (jener war nämlich nicht ganz dicht) und ließ allenfalls Trockenfrüchte und die Würze von getrockneten Kräutern erkennen.

Nachschlag

Drei weitere Weine sollen noch Erwähnung finden, die ich knapp zwei Wochen nach der beschriebenen Probe und völlig unabhängig von dieser zusammen mit einem Kollegen verkostete. Alle drei waren schon gereift, präsentierten sich in bemerkenswerter Form und passten in das Europa-Konzept:

  • 2007 Escherndorfer Lump Silvaner Spätlese trocken Beste Beere
    Weingut Clemens Fröhlich, Franken, Deutschland
    Das macht einen sehr guten, gereiften Silvaner aus Franken aus: Aromen von reifer Quitte und Mirabelle, grasige und kräuterige Würze, Saftigkeit und viel Schmelz.
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  • 2005 Pignoletto Superiore Colli Bolognesi DOC
    Az. Agr. Maria Letizia Gaggioli, Emilia-Romagna, Italien
    Ein faszinierender Wein aus der autochthonen norditalienischen Rebsorte Pignoletto, der sein Reifepotenzial unter Beweis stellte. Schon leicht entwickelt, aber mit Kernobstaromen, pflanzlicher Würze, Schmelz und Mineralität.
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  • 2004 Les Ginestes Côtes du Roussillon AOC
    Domaine Salvat, Roussillon, Frankreich
    Die für Südfrankreich recht typische Cuvée besteht zu 50 Prozent aus Syrah zu 30 Prozent aus Mourvèdre und zu 20 Prozent aus Grenache. Sie zeigte zunächst Noten von dunklen Beeren und Pflaumen, gewürzige und kräuterige Aromen sowie Anklänge an Marzipan. Der Wein muss dekantiert werden und offenbarte mit eineinhalb Stunden Luft eine kühle, gereifte Beeren- und Kirschfrucht, Noten von Veilchen, Kräutern und eingemachten Pflaumen sowie eine feine Würze von Zimt, Nelken, Vanille und Kardamom; mit seiner saftigen Art und und seinem festen Bau zeigte er, dass er bereits jetzt eine hervorragende Trinkreife, aber auch noch Potenzial für mehrere weitere Jahre besitzt.