Content

Die ProWein 2011 war anders als alle vorherigen. Erstmals habe ich die Messe als Aussteller und Repräsentant von Wein-Plus erlebt. Das bedeutete eine neue Rolle, einen konkreten Auftrag, mehr Termine und bessere Gespräche.

Extra für die Messe hatte ich mir ein paar Tage vorher noch ein SmartPhone zugelegt, um flexibler zu sein und insbesondere spontan twittern zu können. Das hat sich bezahlt gemacht. Und mit Manfred Klohr, Vorstand der Winzergenossenschaft Weinbiet, (sowie mit vermutlich Tausenden anderen Messeteilnehmern) bin ich mir darin einig, wie sinnvoll und praktisch derartige elektronische Geräte sind, wenn man unterwegs ist. Klohr, also die WG Weinbiet, denkt übrigens darüber nach, Weinflaschen mit OCR-Codes auszustatten.

Doch bevor dieser Beitrag zu technisch wird, kommen wir endlich auf das Wesentliche zu sprechen: Hier sind meine persönlichen Eindrücke von der ProWein 2011; die Aussagen sind keine offiziellen Äußerungen der Wein-Plus-Redaktion, auch wenn der Bezug an manchen Stellen gegeben ist.

Erster Messetag: Preise, Schaumwein, Burgenland

Der Sonntag stand ganz im Zeichen der „Kollektion des Jahres“, für die Wein-Plus alljährlich internationale Weinerzeuger auszeichnet. Die Preisträger haben im Verkostungszeitraum 2010/2011 jeweils das beste Weinsortiment ihrer Region bei Wein-Plus zur Beurteilung eingereicht. Am ProWein-Sonntag zog ich also zusammen mit Chefverkoster Marcus Hofschuster und Geschäftsführer Utz Graafmann sowie einem Fotografen und zwei Hostessen durch die Messehallen, um insgesamt 15 Winzern aus Deutschland, Österreich und Südtirol ein gläsernes Laptop mit Gravur sowie eine Urkunde zu überreichen. Mir oblag dabei die Koordination. Drei der insgesamt 18 Preisträger konnten ihre Auszeichnung nicht auf der Messe entgegennehmen.

Da wir insgesamt mit den Preisverleihungen deutlich schneller voran kamen als sicherheitshalber geplant, hatte ich zwischendurch ausreichend Zeit für einen Besuch bei Burgenland-Winzer Erwin Tinhof, der diesmal seinen Neffen Lukas Plöckinger dabei hatte. Der 22jährige Weinbaustudent unterstützt seinen Onkel auch bereits im Weingut. Tinhof macht nicht nur hervorragende Weine, sondern ist auch immer für einen humorvollen Spruch gut. Als Besucher des Nachbarstandes sein Crachoir benutzen wollten (was sie natürlich durften), machte er sich Gedanken über sein „Spitting Image“. Und über seinen Blaufränkisch-Rosé, der – wenig überraschend – besonders für den Sommer geeignet sei, sagte Tinhof: „Wenn der Sommer kommt, gut. Wenn nicht, haben wir trotzdem den Wein dazu!“ Mir gefielen bei der Probe speziell sein 2010er Neuburger, sein 2007er St. Laurent und sein 2006er Leithaberg rot. Große Erwartungen weckten die 2009er Rotwein-Fassproben, besonders der 2009er Steinriegel.

Anschließend machte ich noch Station bei Schloss Vaux, um die Manufaktur-Sekte durchzuprobieren. Besonders ansprechend präsentierte sich diesmal der Pinot Blanc Öko 2009. Nach Abschluss der Preisverleihungen für die „Kollektion des Jahres“ ließ ich den ersten Messetag beim sympathischen Antoine Huray vom Champagnerhaus Henriot ausklingen, der neben dem exzellenten Blanc de Blancs auch grandiose Burgunder von Bouchard im Angebot hatte.

Zweiter Messetag: Südfrankreich und Südafrika

Montag war der Tag mit den meisten im Vorhinein vereinbarten Gesprächsterminen. Gleich morgens lernte ich bei Sud de France einige Winzerinnen der Vereinigung Vinifilles kennen, die mir jeweils einen ihrer Weine vorstellten. Dabei konnte ich gezielt unterschiedliche Rebsorten und Terroirs gegeneinander verkosten. In Frankreich geht man übrigens mit dem Begriff Terroir nach wie vor völlig unverkrampft um. Eine Diskussion wie in Deutschland über die Bedeutung und Sinnhaftigkeit des Terroirbegriffs gibt es dort nicht. Das mag daran liegen, dass der Terroirgedanke ja originär französisch ist, so dass er in seinem Ursprungsland tiefer verankert und mit konkreten Inhalten besetzt ist. Interessant ist auch die neue Klassifikation im Langedoc-Roussillon, über die an anderer Stelle bald mehr zu lesen sein wird.

Danach widmete ich mich zunächst der Pressearbeit für die Preisverleihung zur „Kollektion des Jahres“ vom Vortag, bevor ich mittags an einer Champagnerprobe von Legras & Haas teilnahm. Dabei wurden die Jahrgänge 1995 und 1996 des Blanc de Blancs Grand Cru aus Magnumflaschen ausgeschenkt – beeindruckende Schaumweine von großer Finesse.

Auf dem Nachmittagsprogramm stand zuerst ein Gedankenaustausch mit Corinna Dosch und Michael Stolzke vom Presseportal Mercurio Drinks, wo in angenehm offener und gelöster Atmosphäre sehr schnell viele Ideen aufkamen. Anschließend lernte ich das südafrikanische Weingut Allée Bleue sowie dessen Inhaber, das sichtlich vermögende Unternehmerehepaar Dauphin aus dem fränkischen Hersbruck, kennen. Allée Bleue hat ein höchst professionelles Marketing- und Markenkonzept und produziert saubere, solide Weine, vorwiegend aus typisch südafrikanischen Rebsorten.

Der Messemontag schloss mit dem traditionellen VIP-Abend von Wein-Plus – einer stimmungsvollen Zusammenkunft von internationalen Spitzenwinzern, Weinhändlern, Kooperationspartnern, Journalisten und Bloggern.

Dritter Messetag: Europa, Kanada, Neuseeland

Den Dienstag begann ich sofort um neun Uhr beim Weingut Pfaffl aus dem Weinviertel, wo Junior Roman Josef inzwischen komplett für Weinberge und Keller verantwortlich ist. Innerhalb einer knappen Stunde probierte ich die gesamte neue Kollektion von 18 Weinen und informierte mich über den Jahrgang 2010. Der ist, wie Vater Roman Pfaffl sagte, endlich wieder einmal ein „österreichischer“, was die Säurewerte betrifft. Roman Josef erklärte, dass auf 2009, der besonders einfach zu vinifizieren gewesen sei, mit 2010 direkt der schwierigste vorstellbare Jahrgang gefolgt sei. Pfaffl hatte rund 50 Prozent weniger Leseertrag und musste Trauben zukaufen, um die wichtigsten Exportmärkte Deutschland, Niederlande und USA angemessen beliefern zu können. Die Qualität der Weine hat das in keiner Weise beeinträchtigt. Es war aufschlussreich, die vier jeweils sehr eigenständigen Grünen Veltliner direkt nebeneinander zu verkosten und die Unterschiede wahrzunehmen. Gleiches galt für die beiden Chardonnays, und die ausdrucksstarken Roten ließen keinen Zweifel an ihrem Potenzial.

Außergewöhnlich waren anschließend die kanadischen Weiß-, Rot- und Eisweine, die ich bei Evelyn Wenderoth von WineDelight kennenlernte. Von Vineland Estates probierte ich den 2008er Dry Riesling, den 2008er Chenin Blanc, den 2010er Chardonnay Musqué sowie den 2009er Pinot Meunier und den 2008er Cabernet Franc. Eine besondere Spezialität namens „Vice“ erwies sich als Mischung aus 65 Prozent kanadischem Icewine und 35 Prozent kanadischem Wodka. Von Pillitteri Estates verkostete ich den 2009er Gewürztraminer + Riesling (mit einem Prozent Riesling-Eiswein), den 2007er Cabernet Franc, den 2007er Cabernet Franc Reserve sowie den 2005er Trivalente Family Reserve, einen klassischen Bordeaux-Blend. Der 2006er Vidal Icewine, der 2007er Chardonnay Icewine und der 2004er Cabernet Franc Icewine beschlossen die Degustation würdig.

Mit Original-Bordeaux ging es danach weiter: Thomas Herter von Château Segonzac aus den Côtes de Blaye bietet mehrere Blends an, aber auch reinsortige Weine, darunter einen faszinierenden Petit Verdot. Herter kann sowohl die Flaschenausstattung als auch sogar die Assemblage individuell nach Kundenwünschen (etwa speziell für den amerikanischen oder britischen Markt) zusammenstellen.

Vom Süden Frankreichs reiste ich dann auf die Südhalbkugel: Die Weine, die mir Claire Allan von Huia Vineyards aus Marlborough, Neuseeland, präsentierte, waren ausgesprochen überzeugend. Huia produziert mit viel Aufwand und Sorgfalt ausschließlich Bioweine, die mit wilden Hefen vergoren werden, und arbeitet seit vier Jahren völlig CO2-neutral. In Sachen Klimaschutz war und ist das Weingut Pionier. Der Rebsortenspiegel ist französisch (Elsass, Loire) und insofern auf Cool Climate ausgerichtet. Huia ist übrigens benannt nach einem nur in Neuseeland vorkommenden Vogel gleichen Namens, der jedoch seit Anfang des 20. Jahrhunderts ausgestorben ist; zu Deutsch heißt er Lappenhopf.

Ein weiterer Besuch bei Brigitte und Jérôme Legras von Champagne Legras & Haas gab mir am Nachmittag einen Überblick über das aktuelle Sortiment, mit Blanc de Blancs Grand Cru, Blanc de Blancs Grand Cru Millésime 2005 und Rosé. Mein Favorit war indessen der herrlich puristische Extra Brut.

Zum Abschluss besuchte ich noch zwei deutsche VDP-Weingüter, beide unter anderem ausgewiesene Scheurebe-Spezialisten: Schloss Proschitz aus Sachsen und Hans Wirsching aus Franken. Schloss Proschwitz arbeitet viel mit Regent und Dornfelder, was erstaunlich filigrane Ergebnisse hervorbringt. Marketingdirektor Philipp Kunstmann sprach für mein persönliches Empfinden allerdings etwas zu oft von „Produkt“ anstatt von „Wein“. Diese (in seiner Position wohl legitime) Vertriebs- und Handelsattitüde wird dem Charakter der Proschwitzer Weine meines Erachtens nicht gerecht und schafft eine unangemessene, künstliche Distanz. Der neue Jahrgang der legendären Scheurebe war jedoch leider nicht zu verkosten und wird auch bei anderer Gelegenheit nicht zu probieren sein: 2010 gab es nur so wenig von diesem Wein, dass die gesamte Menge allein für die wichtigen Händler kontingentiert ist. Dafür überraschte Kunstmann mit „Portos“, einem bemerkenswerten sächsischen Portwein aus Frühburgunder und Dornfelder. Bei Wirsching hingegen gab es die aktuelle Scheurebe. Verkaufsleiter Armin Huth traut ihr sogar zu, dass sie ein großer Wein werden kann. „Die Weine von 2010 gehen weit über die ersten Erwartungen hinaus“, so Huth. Die positive Entwicklung, die die Weine jetzt zeigten, sei vor zwei Monaten noch nicht absehbar gewesen. Hervorragend ist bereits der 2009er Iphöfer Julius-Echter-Berg Riesling Großes Gewächs (im Weinführer von Wein-Plus mit 90 Punkten bewertet), der dann mein gelungener Messeabschluss war.

Keine Messe ohne Menschen

Als der Branchentreff lebt die ProWein von den Menschen. Ich habe mich sehr gefreut, wie jedes Jahr zahlreiche Fixsterne in meinem Viniversum zu treffen: Trainerin Christine Schloter, Gastronom Cyril Marguerit, Wein- und Gastronomieberater Harry H. Hochheimer, Sommelier Rüdiger Meyer, Winzer und Weinhändler Norbert Spielmann, Weinhändler Bernd Klingenbrunn, Verleger Evert Kornmayer sowie Fachgroßhändler Jens Holzkämper. Darüber hinaus habe ich viele Journalistenkollegen persönlich kennengelernt, darunter Uwe Kauss, Wolfgang Faßbender und das Team von Wein + Markt. Und diese Messe bot auch endlich die Gelegenheit, Twitterer, die ich bislang nur virtuell kannte, in natura zu erleben, beispielsweise Baccantus-Weinblogger Stefan Schwytz, Alexander Ultes vom badischen Weingut Kiefer oder Michael Pleitgen von der Weinakademie Berlin.

ProWein heißt für mich: Weine entdecken, Kontakte knüpfen, Neues erfahren, Kollegen treffen und Freundschaften pflegen. Insofern gilt das bereits im Titel dieses Beitrags verwendete offizielle ProWein-Motto: Auf ein weiteres großartiges Jahr!