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In Weinbeschreibungen liest man oft so etwas wie „mineralische Noten“, „nussige Töne“ oder „Anklänge an Zitrusfrüchte“. Wie kann es sein, dass Geruchs- und Geschmackswahrnehmungen mit Begriffen beschrieben werden, die mit dem Gehör zu tun haben? Hören ist das einzige, was man einen Wein nicht kann.

Töne, Anklänge und Noten sind Begriffe aus der Akustik, genauer: aus der Musik. Mit ihnen etwas zu bezeichnen, das man riecht oder schmeckt (in der Fachsprache: olfaktorsich oder gustatorisch wahrnimmt), erscheint zumindest ungewöhnlich. Anlass für mich, ein originäres Vinolog-Thema aufzunehmen: Wie wird Wein in Sprache gefasst?

Hören, sehen, riechen, schmecken

Bei der Beschäftigung mit dieser Frage habe ich festgestellt, dass nicht nur olfaktorische und gustatorische Eindrücke mit musikalischen Begriffen beschrieben werden, sondern auch optische: „Farbton“ beispielsweise ist eine gebräuchliche Vokabel. Mehr noch, sie ist sogar wissenschaftlich definiert: Neben Sättigung und Helligkeit ist der „Ton“ eine der grundlegenden Eigenschaften einer Farbe.

Aufgrund dieser Erkenntnis ist die ursprüngliche Frage jedoch anders zu stellen: Nicht Begriffe, die dem Ohr zugeordnet sind, beschreiben Wahrnehmungen der Nase und der Zunge einerseits sowie des Auges andererseits, sondern Ton und Farbton sind physikalisch ähnlich erklärbar. Dabei geht es um die Wellenlänge des Schalls bzw. des Lichts. Die Wellenlänge bestimmt die Ausprägung des Tons bzw. Farbtons – hoch oder tief bzw. rot, gelb, grün oder blau.

Sensorik als Bindeglied

Das Bindeglied für die Übertragung des betreffenden Vokabulars auf die Beschreibung von Gerüchen und Geschmäcken ist möglicherweise die wissenschaftliche Disziplin, die sich mit den menschlichen Sinneswahrnehmungen befasst: die Sensorik. Dabei ist zu unterscheiden zwischen technischer Sensorik, die dazu dient, Veränderungen in Systemen zu messen und zu kontrollieren, und Sensorik als Teil der Lebensmittelanalytik. Um letztere geht es beim Verkosten und Beschreiben von Weinen.

Auffällig ist, dass der Ton als akustisches Phänomen – also als Begriff aus der Musik und gewissermaßen übergeordnet aus der Physik – nach seiner Höhe und Länge bestimmt ist, was in Noten, also dem Schriftsystem der Musik, dokumentiert werden kann. Hier sind Töne und Noten unterschiedliche Erscheinungen (die eine hörbar, die andere als geschrieben sichtbar), wenngleich sie sich aufeinander beziehen und einander entsprechen. Die Verbindung zur technischen Sensorik besteht darin, dass sich Töne in Form von Schallwellen messen lassen; gleiches gilt für Lichtwellen.

Abgrenzungsfragen

In der Lebensmittel-Sensorik – die auf der Chemie bzw. der Biochemie aufbaut – beinhalten die musikalischen Begriffe keine Aussage über die Stärke der Wahrnehmung. „Ton“ und „Note“ werden gleichbedeutend verwendet und meinen ein bestimmtes Aroma, das zwingend zusammen mit dem jeweiligen Wort angegeben werden muss; also nicht „Der Wein hat eine Note“, sondern „Der Wein hat eine fruchtige/säuerliche/muffige Note“. Zudem werden Singular und Plural synonym verwendet, das heißt, es besteht kein Unterscheid darin, ob ein Wein „einen pflanzlichen Ton“ oder „pflanzliche Töne“ aufweist.

So sind in der Weinansprache nicht nur Ton und Note identisch, auch Töne und Noten sind dasselbe, und auch Ton und Töne sowie Note und Noten sind bedeutungsgleich. Und alle Begriffe beziehen sich sowohl auf Wahrnehmungen über die Nase als auch über den Mund. Die Intensität der Geruchs- oder Geschmackswahrnehmung wird stets mittels Adjektivattributen angegeben, also stark, schwach, leicht, deutlich etc. („leicht herbe Töne“, „deutliche Honignote“).

Musik im Wein

„Anklänge“ wird meist in der Pluralform verwendet und stellt gegenüber Ton und Note in zweifacher Hinsicht eine Besonderheit dar. Zum einen lässt sich argumentieren, dass dieser Begriff eine geringere Ausprägung des betreffenden Geruchs oder Geschmacks beschreibt als die beiden anderen, denn etwas, das „anklingt“, ist schwächer, kürzer und verborgener als etwas, das „klingt“. Beispielsweise bei einem Rotwein sind „Kirschtöne“ oder „Kirschnoten“ somit deutlicher ausgeprägt und wahrnehmbar als „Anklänge an Kirschen“.

Zum anderen ist „Anklang“ bereits grundsätzlich eine Metapher, nämlich ein anderes Wort für „Assoziation“, „Verbindung“ oder „Erinnerung“. Es wird in keiner eigenen originären Bedeutung verwendet, während „Ton“ und „Note“ eindeutige Phänomene bezeichnen, nämlich das Geräusch und das musikalische Zeichen. Ihre Bedeutung wird in der Weinbeschreibung auf die Sensorik übertragen, die von „Anklang“ ist in jedem Anwendungsbereich eine übertragene.

Gleichwohl entstammen alle drei Begrifflichkeiten der Welt der Musik. Warum gerade diese auf die Lebensmittel- bzw. Weinsensorik übertragen werden – das kann ich immer noch nicht erklären. Hinweise, Theorien und Ideen hierzu sind mir Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.. Dass jedoch so bei vielen Beschreibungen gewissermaßen Musik in den Wein kommt, das gefällt mir.