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Unzählige Weinbeschreibungen enthalten haarsträubendes Geschwafel. Unrealistische Überhöhungen, Wortkombinationen ohne Sinn und Substanz und absurde Formulierungen, die den Inhalt sogar sachlich falsch werden lassen. Abgesehen von stilistischen Schwächen gibt es dabei vielfach auch grammatikalische Fehler – zumal bei Präpositionen.

Einer der am weitesten verbreiteten Fehler ist wohl die undifferenzierte und inflationäre Verwendung der Präposition „nach“. Wie oft ist von Weinen die Rede, die „Aromen nach“ (vorzugsweise irgendwelchen Früchten) hätten. Einige besondere Kuriositäten, die dieses Phänomen auf die Spitze treiben, habe ich kürzlich gelesen:

  • „Anklänge nach Grapefruit“,
  • „ein Potpourri nach Muskat, Apfel und Aprikosen“,
  • „schöner Fruchtdruck nach Waldbeeren“ und
  • „langanhaltend am Gaumen nach Aprikosen und Honig“.

Alle diese Konstruktionen sind grammatikalisch falsch. Denn „nach“ lässt sich nicht als Universalpräposition in jedem Kontext anwenden, in dem es um sinnliche Wahrnehmung geht. Zwar stimmt es, dass bestimmte Verben der sinnlichen Wahrnehmung mit „nach“ stehen – etwa „riechen“, „schmecken“, „sich anhören“ und „aussehen“. Dabei sind alle diese Verben auf das Objekt der Wahrnehmung (also das, was wahrgenommen wird) gerichtet, nicht auf das Subjekt (die Person, die etwas wahrnimmt). Es geht also stets um die intransitive Verbbedeutung. Beispielsätze*:

  • Der Wein riecht nach Kork.
  • Der Kaugummi schmeckt nach Pfefferminze.
  • Die Sinfonie klingt nach Mozart.
  • Der Himmel sieht nach Regen aus.

Linguistischer Hintergrund

Die genannten (konzeptionellen) Objekte haben demnach die Eigenschaft, dass sie sich über das durch das Verb implizit angegebene menschliche Sinnesorgan wahrnehmen lassen. Mit dem Begriff nach der Präposition „nach“ wird eine Vergleichsgröße beschrieben, die dem Sinneseindruck (dem Geruch, dem Geschmack, dem Klang oder dem Aussehen) des Objekts ähnelt.**

Dem liegt folgendes sprachliches Konzept zugrunde: Die Präposition „nach“ kommt – so Kluge („Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache“) – vom Adjektiv „nah“ und hat zum einen eine temporale Bedeutung (die die zeitliche Reihenfolge von Ereignissen angibt) sowie zum anderen eine lokale Bedeutung (die die die räumliche Beziehung von Gegenständen oder Ortsangaben ausdrückt). Das Adjektiv „nah“ bedeutet ursprünglich „zugeneigt, in Richtung auf“ und steht insofern in lokalem Kontext.

Mit Blick auf die weiteren Überlegungen danke ich vorab den Sprachexperten im Forum www.linguisten.de für ihre Einschätzungen, Anregungen und Hinweise: Bei der Konstruktion der genannten Verben der sinnlichen Wahrnehmung mit „nach“ wird der betreffende Sinn gewissermaßen auf den Raum abgebildet. Das erklärt anschaulich auch den (insofern metaphorischen) Begriff „Geschmacksrichtung“. Das jeweilige Objekt der Wahrnehmung befindet sich hinsichtlich des Geruchs, Geschmacks, Klangs oder Aussehens „in der Nähe“ der Vergleichsgröße und löst entsprechende Assoziationen aus (siehe zu „schmecken“ auch das „Grammatische Wörterbuch“ des Instituts für Deutsche Sprache, speziell die Bedeutungen 6 und 5).

Ein Forumsteilnehmer führt in diesem Zusammenhang ein Zitat aus dem Artikel „Crosslinguistic grammaticalization patterns of the allative“ von Sally Rice und Kaori Kabata – erschienen im Dezember 2007 in der Zeitschrift „Linguistic Typology“ (Seite 462) – an: „Again, physical space is the domain against which most non-literal uses of image schemas are projected. That is, an act of sensory perception can be expressed as if the perceiver moves in some perceptual space towards the percept or, conversely, that the percept moves towards its goal, the perceiver.“ Ein anderer Forumsteilnehmer verweist auf den Ausdruck „mir steht der Sinn nach“ sowie auf die Bedeutung von „nach“ als Synonym zu „gemäß“, „laut“ und „à la“; diese Phänomene seien ebenfalls im übertragenen räumlichen Kontext zu betrachten. Die Verwendung der Präposition „nach“ im sensorischen Kontext ist demnach als direktional zu verstehen.***

Sinn, Reiz und Wahrnehmung

Jedoch (bezogen auf das „zwar“ im dritten Absatz): Mit der Präposition „nach“ steht, wie gesehen, stets nur das Objekt der Wahrnehmung (das, was wahrgenommen wird, also z.B. der Wein) oder allenfalls die Wahrnehmung selbst (die von den Verben der sinnlichen Wahrnehmung abgeleiteten Substantive wie Geruch, Geschmack, Klang oder Aussehen). Insofern wäre es durchaus korrekt zu sagen „Geruch nach“ oder „Geschmack nach“ (und analog „Klang/Aussehen nach“ oder auch „Duft nach“). Unmöglich ist jedoch „Aroma/Aromen nach“, und damit sollen im Folgenden die eingangs erwähnten grammatikalisch falschen Konstruktionen analysiert werden.

„Aromen nach Pfirsichen“

Die Aromen sind nicht Objekt der Wahrnehmung gemäß der zugrunde liegenden Definition. Sie sind vielmehr der Reiz, der die Wahrnehmung überhaupt ermöglicht und der die Assoziation mit der Vergleichsgröße auslöst: Der Wein hat – in diesem Beispiel – Pfirsicharomen, und Pfirsiche haben Pfirsicharomen; die Aromen riechen oder schmecken selbst nicht, sondern der Wein riecht/schmeckt nach den Aromen. Insofern lässt sich die Aussage „Der Wein riecht/schmeckt nach Pfirsichen“ paraphrasieren als „Der Wein riecht/schmeckt nach Aromen von Pfirsichen“. Damit wird anhand des Satzgefüges deutlich, dass die Aromen eigentlich zur Vergleichsgröße gehören und somit erst hinter der Präposition stehen. „Aromen nach Pfirsichen“ kann es also nicht geben; es muss heißen: „Aromen von Pfirsichen“.

„Anklänge nach Grapefruit“

„Anklänge“ sind gewissermaßen ein Synonym für „Aromen“, verbunden mit der Konnotation „in geringerer Intensität“. Grammatikalisch und semantisch ist dieser Fall daher derselbe wie oben: Die „Anklänge“ gehören zur Vergleichsgröße und stehen hinter der Präposition „nach“; „Anklänge nach“ ist also ebenso unsinnig wie „Aromen nach“. Hier ist durch die Vorsilbe im Wort die korrekte Präposition sogar bereits implizit vorgegeben: „Anklänge“ steht immer mit „an“, so dass die Formulierung – wieder eingesetzt in einen paraphrasierten Beispielsatz – richtig lautet: „Der Wein hat Anklänge an Grapefruit“ oder „Der Wein riecht/schmeckt nach Anklängen an Grapefruit“.

„ein Potpourri nach Muskat, Apfel und Aprikosen“

Auch beim „Potpourri“ verhält es sich so wie bei „Aromen“ und „Anklängen“, wobei hier der explizite Zusatz weggelassen worden ist, dass es sich um ein „Aromenpotpourri“ handelt. Jedenfalls ist „nach“ aus den bereits erläuterten Gründen wiederum die falsche Präposition; korrekt ist „(Aromen-)Potpourri von Muskat, Apfel und Aprikosen“ (dass die beiden genannten Obstsorten einmal im Singular und einmal im Plural stehen, empfinde ich davon abgesehen als inkonsistent und plädiere hier für Einheitlichkeit).

„schöner Fruchtdruck nach Waldbeeren“

Ich habe keine Ahnung, was „Fruchtdruck“ sein soll. „Frucht“ wird als Geruch oder Geschmack wahrgenommen, „Druck“ zählt zur Textur und wird taktil wahrgenommen. Soll „Fruchtdruck“ eine besonders stark ausgeprägte Fruchtigkeit beschreiben? Die Vermischung der beiden Begriffe erscheint rätselhaft und ist insofern als unzulässig, weil nicht zweckdienlich einzustufen. Das Attribut „schön“ ist darüber hinaus in einer professionellen Weinbeschreibung fehl am Platz, weil unsachlich und subjektiv (und überdies banal). In jedem Fall ist „nach“ – selbst wenn die Wortkreation „Fruchtdruck“ einen Sinn ergäbe – auch hier die falsche Präposition, denn weder Frucht noch Druck sind Objekte der sinnlichen Wahrnehmung gemäß Definition, sondern allenfalls wiederum Teile der Vergleichsgröße. Die einzig denkbare Formulierung hier wäre wohl: „(schöne) Frucht von Waldbeeren“ – wobei „Frucht“ in diesem Zusammenhang als ein weiteres Synonym für „Aromen“ zu verstehen ist.

„langanhaltend am Gaumen nach Aprikosen und Honig“

Bei dieser Formulierung fehlt eindeutig ein Teil der Satzkonstruktion; die Präposition „nach“ steht völlig ohne Bezugswort da. Das Verb „(an)halten“ (als Synonym für „dauern“), dessen Partizip Präsens hier verwendet wird, kennt keine Konstruktion mit „nach“. Um einen Sinn zu ergeben, müsste die Phrase ergänzt werden zu „langanhaltend am Gaumen mit Aromen von Aprikosen und Honig“, so dass die Präposition vor „Aprikosen und Honig“ ein Bezugswort erhielte, doch – der bekannten Argumentation folgend – könnte diese dann nicht „nach“ sein, sondern müsste wiederum „von“ sein.

Fazit

Mit der Präposition „nach“ stehen bei Weinbeschreibungen bestimmte Verben der sinnlichen Wahrnehmung in intransitiver Bedeutung (präzise: „riechen“ und „schmecken“) oder auch von ihnen abgeleitete Substantive („Geruch“, „Geschmack“). Als Synonyme für „riechen“ und „Geruch“ gilt dies auch für „duften“ bzw. „Duft“.

Nicht mit „nach“ stehen dagegen die Reize, die die sinnliche Wahrnehmung auslösen und die Teil der Vergleichsgröße sind, die hinter der Präposition steht. Dies betrifft insbesondere Begriffe wie „Aroma/Aromen“, „Note/Noten“, „Ton/Töne“ oder „Anklänge“ (siehe hierzu auch den Blogbeitrag „Musikalische Metaphorik“) sowie weitere einschlägige Synonyme.

 


* Syntaktisch sind die hier als „Objekte der Wahrnehmung“ bezeichneten Nominalphrasen in den Beispielssätzen das Subjekt, denn der Wahrnehmungsprozess wird hier grundsätzlich aus Sicht des Objekts konzipiert. Man muss insofern jeweils unterscheiden zwischen einem konzeptionellen und einem syntaktischen Subjekt bzw. Objekt.

** Diese und alle weiteren Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf den konzeptionellen und nicht auf den syntaktischen Kontext: Mit „Objekt“ ist der Gegenstand (im Sinne von Denotat) gemeint, der die Eigenschaft „sinnlich wahrnehmbar über Nase/Mund/Ohr/Auge“ hat, mit „Vergleichsgröße“ ein anderer Gegenstand, der diese Eigenschaft ebenfalls hat und inhaltlich näher beschreibt.

*** Ein weiterer Forumsteilnehmer stellt hingegen auch noch einen temporalen Bezug her, indem er schreibt: „Der aktuelle Geruch löst eine Assoziation aus, die an die gespeicherte Datei mit ‚Geruch a, b, … Geruch y‘ erinnert, also einem vorausgegangenen Dateninput und seiner epistemischen Fundus-Qualität nachfolgt.“ Diesem Ansatz will ich jedoch nicht weiter nachgehen, wenngleich er einleuchtend ist. Der lokalen bzw. direktionalen Interpretation von sensorischem „nach“ widerspricht er jedenfalls nicht, sondern ergänzt sie lediglich.