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Oft ist es in der Werbung zu lesen, ob im Weinhandel, im Restaurant, auf Veranstaltungen oder direkt auf dem Weingut: „Ausgesuchte Weine“ werden angeboten. Dabei machen sich die Verwender dieser Formulierung einen sprachlichen Umstand zunutze, dessen sich möglicherweise weder sie noch die Rezipienten wirklich bewusst sind. Aber so funktioniert die Marketingsprache.

Der Begriff „ausgesucht“ ist positiv konnotiert, d.h. er wird gemäß der allgemeinen Sprachkultur und -konvention als eine Qualitätsaussage wahrgenommen. Synonyme sind insofern „ausgewählt“ oder gar „erlesen“ (beide gewissermaßen wörtlich, also unter Beibehaltung der Wortfom Partizip), sinngemäß auch „exquisit“ oder „außergewöhnlich (gut)“. Der Gedanke dahinter: Aus einer (im Zweifelsfall beliebigen) Grundmenge wurden für das beworbene Angebot bestimmte Weine ausgewählt – und das Sprachempfinden setzt dabei voraus, dass diejenigen Weine ausgesucht wurden, die besonders gut sind, die also den anderen qualitativ überlegen sind. Das muss aber gar nicht notwendigerweise so sein.

Etwas auszusuchen, bedeutet zunächst, eine Teilmenge zu bilden – und sei es, dass die gewählte Teilmenge nur aus einem einzigen Objekt aus der Grundmenge besteht („Ich suche mir eine Flasche Wein aus.“). Hier spielt zwar in der Bedeutung – in der tatsächlichen wie in der gefühlten – bereits mit hinein, dass das, was ausgewählt oder ausgesucht wird, etwas Gutes, Erstrebenswertes ist. Dieser Aspekt ist bereits in der Grundbedeutung des Worts „suchen“ enthalten: Etwas, das ich suche, will ich finden, will ich haben, ist mir wichtig, empfinde ich als positiv, nutzbringend, wohltuend. Auch etwas oder jemand, das bzw. der gewählt (oder gar erwählt) wird, hat ein positives Image, wird „gewollt“.

Im Weinbereich hängen damit noch zwei weitere Begrifflichkeiten zusammen: Bei der Weinernte werden – so sollte es jedenfalls sein – auch nur die gesunden, reifen, geeigneten, „guten“ Trauben gelesen, und nicht zuletzt heißt die Ernte von Weintrauben ja explizit Lese. Wenn es dann später um „erlesene“ Weine geht, erscheint dasselbe Grundwort: „lesen“ im Sinne von „das Positive auswählen“. Der zweite Begriff in diesem Zusammenhang ist „Selektion“ bzw. „selektieren“. Darin steckt das lateinische Wort für lesen (legere), mit derselben Bedeutung von „auswählen“, „aussuchen“, „das Gute vom Schlechten trennen“. Wie oft ist von „Selektion“ oder (vermeintlich noch feiner) „Selection“ die Rede, wenn ein – angeblich – besonders hochwertiges Weinangebot (wörtlich: eine besonders hochwertige Wein-Auswahl) vermarktet wird, und der Begriff (mit c geschrieben) ist ja sogar weingesetzlich verankert.

Jedoch: Erstens sei die tatsächliche Qualität der präsentierten Weine einmal dahingestellt. Und zweitens kann man auch Negatives aussuchen! Formulierungen wie „von ausgesucht schlechtem Geschmack“ oder „von ausgesuchter Scheußlichkeit“ belegen dies, wobei sie rhetorisch explizit die positive Grundbedeutung von „aussuchen“ umkehren und ironisieren. Es ist möglich, aus einer Grundmenge an Weinen diejenigen zu selektieren, die überlagert oder qualitativ minderwertig sind, die gewissermaßen „weg müssen“, und diese dann als „ausgesuchte“ oder „ausgewählte“ Weine anzubieten. Sachlich ist das vollkommen korrekt, denn diese Weine wurden als Teilmenge aus einer größeren herausgenommen. Doch das Sprachgefühl wird in diesem Fall getäuscht, denn der Gast oder Kunde erwartet – gemäß Konvention – bei dieser Formulierung besonders gute Weine.

Der entscheidende Punkt ist, dass die herausgesuchten „schlechten“ Weine dann zum Kauf angeboten, also Gegenstand des Marketings werden. Üblicherweise werden mangelhafte Produkte ausgesondert; „aussondern“ ist somit gewissermaßen das negativ konnotierte Pendant zu „aussuchen“. Ausgesonderte Waren kommen nicht mehr in den Verkauf, allenfalls als Sonderposten (sic!). Ausgesuchte Waren, die als solche vermarktet werden, sollten dagegen nicht nur einwandfrei, sondern auch tatsächlich von überdurchschnittlicher Qualität sein. Darauf lohnt es sich bei entsprechenden Angeboten und Formulierungen zu achten.