Freunde von mir haben eine Kiste mit hochwertigen französischen Weinen geschenkt bekommen und wollten diese zusammen mit jemandem genießen, der die Qualität auch zu schätzen wüsste. So kam ich zu einer äußerst großzügigen Einladung, die ein lukullisches Abendessen, begleitet von dreien der Weine aus der besagten Kiste, beinhaltete.
Den Aperitif brachte ich mit, und so hatten wir vier französische Gewächse: einen Schaumwein aus der Champagne, einen Weiß- und einen Rotwein aus der Bourgogne sowie einen Süßwein aus dem Roussillon. Insbesondere die beiden Burgunder verfolgten wir im Glas jeweils über bis zu zwei Stunden, wobei der Weiße zur Vorspeise frisch geöffnet wurde, während der Rote bereits am Nachmittag karaffiert worden war.
Amuse-Bouche mit Champagner
Zur kulinarischen Einstimmung gab es Pflaumen im Speckmantel sowie Feigen mit Ziegenkäse, Serranoschinken und Walnüssen – eine formidable Anregung des Geschmackssinns. Der Comte de Marne Grande Cuvée Brut Rosé Grand Cru von Fiévet erwies sich dazu als sehr guter Partner, denn er konnte sowohl mit den fruchtigen als auch mit den salzigen und würzigen Noten der Tapas bestens umgehen:
Duft nach Himbeeren, Walderdbeeren und Getreide, zart buttrig-hefig. Auf der Zunge sehr geradlinig und nachhaltig, geschliffene beerige Frucht, Anklänge an Nüsse, Kaffee und Karamell, feines Mousseux und ebensolche Säure.
Als Cuvée aus Pinot Noir (55%) und Chardonnay (45%) stellte dieser Rosé-Champagner die perfekte Vorbereitung auf die beiden folgenden Burgunder dar, die die beiden Rebsorten jeweils in Reinkultur verkörperten.
Fisch mit Chardonnay
Die Vorspeise war eine reizvolle Kombination von zweierlei Fischterrine (von Lachs und Jakobsmuschel) mit Sahnemeerrettichschaum und Blattsalat auf Rote-Bete-Carpaccio. Dazu kam der Rully 1er Cru Les Margotés 2012 von der Domaine Vincent Dureuil-Janthial zum Einsatz:
In der Nase zuerst rauchiges, speckiges Holz, Cassis und Holunder sowie feine kräuterige Anklänge. Auf der Zunge Holzwürze, Zitrusfrüchte und Kernobst, dann auch Mineralik und Kaffee, zunehmend Vanille und Karamell und immer mehr Schliff. Mit Luft mehr Schmelz, Aprikosen, straff mineralisch. Nach einer kurzen irritierenden Phase mit Haarspray schließlich saftig und tief, weiche gelbe Frucht, auch deutlich Kumquats, feine, an Tabak erinnernde Würze, feste Mineralik, dazu Butterkaramell und Vanille.
Der Chardonnay von der Côte Chalonnaise war noch sehr, sehr jung und brauchte gut 90 Minuten, um sich zu öffnen. Auch dabei blieb er immer auf der Holzseite, allein die Mineralik kam mit der Zeit immer deutlicher durch. Stilistisch passte der Wein aber vorzüglich zu dem Gericht, denn er griff die Aromen des Meeres (Fisch, Muscheln, Salz) ebenso wie die der Erde (Rüben, Rettich, Salat) auf.
Wild mit Pinot Noir
Als Hauptgang kam ein saftiger, rosafarbener Rehrücken mit Portweinjus, Sellerie-Kartoffel-Püree und Bohnen-Speck-Bündeln auf den Tisch. Nach mehreren Stunden in der Karaffe hatte der dazu ausgewählte Griotte-Chambertin Grand Cru 2006 von der Domaine Ponsot schon ordentlich durchgeatmet (und war daher bereits deutlich ruhiger als der Weißwein):
In der Nase immer noch ein wenig animalisch, Gewürze (Pfeffer, Lorbeer, Wacholder), Unterholz und Cassis. Auf der Zunge sehr geschliffene Kirsch- und Beerenfrucht, kühl und mineralisch, Gewürznoten, sehr elegant und fein, durchaus tief, mürbes Tannin, feiner Säurebiss, im Abgang Kaffee und Schokolade.
Ein vollmundiger, beeindruckend präziser Pinot Noir von der Côte de Nuits, der nicht nur die Feinheit und Größe der burgundischen Rotweine zeigte, sondern auch das subtil-würzige Wildgericht aufs Vortrefflichste begleitete.
Dessert mit Banyuls
Den gelungenen Abschluss des Menüs bildete eine Mousse au Chocolat mit Portweinfeige und Vanillesahne. Mit dem dazu gereichten Wein begaben wir uns ins tiefste Südfrankreich und wechselten auch zu dort heimischen Rebsorten; der Banyuls Rimage Mise Tardive 2006 von der Domaine du Traginer ist eine Cuvée aus Grenache Noir (60%), Grenache Gris (30%) und Carignan Noir (10%):
In der Nase leicht oxidativ, Gewürze, eingelegte Pflaumen und getrocknete Beeren, Kräuter und Zimt. Auf der Zunge sehr elegant, zart wärmender Alkohol, Blaubeeren und Himbeeren, Bitterschokolade, auch eingemachte Erdbeeren, Würze von Tabak und Nelken, reich, sanft, weich, vollendet.
Der noble Dessertwein war unbestritten für alle Beteiligten der Wein-Höhepunkt des Abends. Allerdings mag man dabei auch eine gewisse Befangenheit bzw. Euphorisierung unterstellen, denn naturgemäß steigerte sich auch die Stimmung im Verlauf der genussreichen Stunden. Das lässt sich auch in der zum Schluss immer opulenteren Bildsprache in meinen Verkostungsnotizen ablesen; wir fanden, dass der Wein förmlich vibriere, und ich konstatierte: „Hätte dieser Wein eine Stimme, ließe ich mich in sie fallen!“ Auf der Suche nach dem Charakter der Stimme dieses wohlig warmen, feinen, samtigen und generösen Tropfens kamen wir relativ schnell und einmütig zum legendären Schauspieler und Synchronsprecher Arnold Marquis, dessen sonorer Bass den gesetzten Stil und die dunkle Aromatik des roten Süßweins genau widerspiegelt – für einen hochklassigen Banyuls zweifellos eine würdige Assoziation.