Bereits im November war ich wieder auf zwei Weinhändler-Hausmessen, die schon seit Langem zu meinem jährlichen Repertoire gehören: der Hausmesse der K&U Weinhalle im Ofenwerk in Nürnberg und der Winter-Hausmesse von K&M Gutsweine in Frankfurt, die diesmal als „6. Frankfurter Wein- & Genusstag“ in der Kochschule von Mirko Reeh stattfand. Auf beiden Veranstaltungen traf ich bekannte Menschen und machte wieder spannende Weinentdeckungen.
„Wein radikal anders“, 14.-15. November 2014, Nürnberg
Die Hausmesse der K&U Weinhalle in Nürnberg zählt für mich zu den drei wichtigsten Weinmessen in Deutschland (zusammen mit der ProWein in Düsseldorf und der Véritable in St. Martin). Martin Kössler steht für ehrliche, handwerklich und naturnah (oft biodynamisch) erzeugte Weine und ist bekannt für seine kompromisslose Qualitätspolitik. Seine Messe unter dem Motto „Wein radikal anders“ fand in diesem Jahr zum 32. Mal statt.
Aufgrund anderer Termine vorher und nachher hatte ich diesmal leider nur am Samstag gut drei Stunden Zeit, die es effizient zu nutzen galt. Daher war ich bei der Auswahl der Winzer, die ich besuchte, besonders restriktiv und konzentrierte mich auf Aussteller, von deren Qualität ich mich in den vergangenen Jahren bereits hatte überzeugen können, um ihr aktuelles Sortiment zu begutachten; gleichwohl blieb jedoch auch Gelegenheit für einen Blick nach links oder rechts, um Neues aufzuspüren.
Daneben traf ich unter anderem die inzwischen ehemaligen Kollegen Stephan Eichinger und Anja Barocha von Wein-Plus sowie Bernhard Meßmer und Bettina Hoffmann vom Seminaranbeiter einfach geniessen, denn die Veranstaltung ist stets ein Magnet für Weinfreunde und -profis aus Franken, Bayern und weit darüber hinaus. „Die Besucher kamen zahlreich aus der gesamten Bundesrepublik“, bilanzierte Martin Kössler in seinem Newsletter. „Es war eine tolle Messe. Wir alle empfanden sie als die gelungenste bisher. Die Stimmung unter den Besuchern wie unter den Winzern war so gut wie nie zuvor. Das Gedrängel an den Ständen blieb dieses Jahr aus, die Besucherströme verteilten sich gut und so konnte jeder Besucher in Ruhe verkosten.“ Er sei „glücklich und zufrieden mit dem Besuch, dem Verlauf und dem Ergebnis dieser Messe“, so Kössler. „Viele Blogger berichteten ausführlich, viele Besucher stellten Bilder und Berichte ins Internet, und unsere Winzer überschlugen sich förmlich in ihrem Lob über die fast familiäre Stimmung, die ihnen die zwei Messetage zum offensichtlichen Vergnügen machte. Alle Winzer betonten zudem sichtlich erstaunt das hohe Niveau unserer Kunden und der Besucher.“ Diese Einschätzung teile ich unumwunden.
Ich startete – klassisch – mit Schaumwein und machte als erstes bei Benoît Defranoux von Bouvet-Ladubay Station, um die Crémants de Loire des Hauses zu probieren. Meine Favoriten waren der 2009 Trésor Brut Blanc Saumur AOC und der 2009 Zéro Extra Brut Saumur AOC, woran abzulesen ist, dass sich der Jahrgang 2009 derzeit besonders gut präsentiert. Danach ging ich zu René Duboys Fresney von Champagne Bruno Paillard, und hier war vor allem der Blanc de Blancs Réserve Privée eine wahre Freude – ein Bilderbuch-Champagner mit Frische, Schmelz, Schliff und Länge!
Den Übergang von Schaum- zu Stillweinen vollzog ich bei Stéphane Tissot aus dem Jura. Dort verdienen fast alle Weine eine Erwähnung – ganz besonders jedoch der Crémant du Jura Indigène Extra Brut (ausgeschenkt aus der Magnumflasche) sowie die vier Chardonnays 2013 Patchwork Arbois AOC, 2012 La Mailloche Arbois AOC, 2012 Les Graviers Arbois AOC und 2012 En Barberon Arbois AOC.
Beim niederösterreichischen Weingut Kirchmayr gefielen mir in diesem Jahr der 2013 Grüner Veltliner Fass No. 5 Straßer Stangl, der 2013 Sauvignon Blanc Katl und der 1998 Grüner Veltliner Fass No.5 besonders gut. Als weitere gereifte Weine hatten Kirchmayrs auch noch den 1999 Solist Pinot Blanc Klostersatz, den 1992 Silvaner Gebling und den 1988 Solist Grüner Veltliner Retz dabei – und ausgesprochen erfrischend und delikat war auch wieder der legendäre Birnenschaumwein.
Indes kam fein Prickelndes auf anderer Basis als Weintrauben nicht nur aus Österreich, sondern auch aus Frankreich: Von der Kelterei Kystin aus der Bretagne gab es Cidre zu verkosten – gewonnen aus Birnen sowie aus Äpfeln und Kastanien (ein verrücktes, witziges, süßlich-fruchtiges und deutlich nussiges Gebräu).
Aus dem Burgund blieben der 2011 Charmes aux Prêtres Marsannay AOC von Sylvain Pataille und der 2011 Les Perrières Mâcon-Cruzille AOC von der Domaine Guillot-Broux in besonders positiver Erinnerung, aus dem Languedoc der 2011 Le Blanc de Mas Jullien Pays d’Oc IGT von Mas Jullien; aus dem spanischen Valdeorras überzeugte der 2012 Godello Lias von der Bodega A Coroa.
Abgesehen von Frankreich warf ich während meiner knapp bemessenen Zeit einen gezielteren Blick in die Alpen-Anrainerstaaten Österreich, Slowenien und Norditalien. Aus dem Kamptal beeindruckte mich der 2013 Riesling Steinmassl Erste Lage von Fred Loimer, aus Südtirol der 2013 Sauvignon Blanc Karneid vom Weingut Gojer Glögglhof und aus dem Friaul der 2011 Vitovska Carso DOC vom Weingut Zidarich. Bei Marjan Simčič aus Gorika Brda belohnten der 2010 Sauvignon Blanc Opoka, der 2011 Chardonnay Opoka und der 2009 Rebula Opoka mein Interesse, und der 2012 Rimosso Lambrusco di Sorbara DOP von der Cantina della Volta erwies sich als ein hochinteressanter Schaumwein aus der Emilia-Romagna.
An Rotweinen probierte ich nur zum Schluss eine Handvoll: beim toskanischen Weingut Riecine, wo ich am 2012 Riecine Chianti Classico DOCG, am 2010 Riecine Toscana IGT, am 2010 Merlot Improvvisazione II Toscana IGT und am 2011 Sebastian Toscana IGT Gefallen fand – obwohl ich mit Chianti üblicherweise wenig anfangen kann.
Mein Lieblingswein der Messe kam dagegen wiederum aus Frankreich, und zwar von der Loire: der 2011 Vieilles Vignes Éparses Coteaux du Loir AOC von der Domaine de Bellivière. Éric Nicolas ist hier ein äußerst eindrucksvoller Chenin Blanc gelungen, dessen Tiefe und Saftigkeit mich vollauf begeistert haben. Die 50 bis 80 Jahre alten Rebstöcke stehen auf Tonerde und Feuerstein. Martin Kössler ist von diesem Wein selbst sehr angetan, wie er bekannte: „Wenn es eine Rebsorte gibt, die Frankreich beschreibt, dann ist es Chenin Blanc.“
Hierzulande ist die Sorte – wenngleich an der Loire eine der wichtigsten weißen Trauben und auch in Südafrika sowie in Nord- und Südamerika großzügig vertreten – indessen kaum bekannt, wie auch das Gespräch zeigt, das ein befreundeter Önologe an einem Messestand führte: Ein Paar um die 40 war unschlüssig, ob es einen französischen Weißwein probieren sollte, und meinte: „Bei den Franzosen weiß man ja nie genau, was drin ist.“ Besagter Önologe, der ebenfalls als Messebesucher zufällig daneben stand, gab Hilfestellung: „Doch – hier ist es Chenin Blanc.“ Darauf die Frau: „Was ist das?“ Önologe: „Die Rebsorte.“ Frau: „Wie heißt das?“ Önologe: „Chenin Blanc.“ Frau: „Und wie heißt das auf Deutsch?“ Der Dame war es offenbar vollkommen unbegreiflich, dass es noch andere Rebsorten gibt als die, die man in Deutschland kennt, und dass diese Sorten auch nicht alle deutsche Synonyme haben. Insofern fällt sie angesichts der oben zitierten Aussage von Martin Kössler wohl ein wenig aus dem Rahmen...
„6. Frankfurter Wein- & Genusstag“, 22. November 2014, Frankfurt
Die Hausmesse von K&M Gutsweine in Frankfurt ist immer wieder eine Freude – vor allem, weil sie sogar zweimal im Jahr stattfindet. Stets zeichnet sich diese Messe durch ihre familiäre Stimmung und – wie bei Martin Kössler – durch die Qualität der von Bernd Klingenbrunn und Armin Busch mit viel Sachverstand und Engagement ausgesuchten Winzer und Weine aus; der Kunde profitiert davon, dass Händler und Erzeuger einander persönlich kennen und in vielen Fällen schon jahrelang vertrauensvoll zusammenarbeiten.
Die diesjährige K&M-Wintermesse fand erstmals in den Räumen von Mirko Reehs Kochschule in Bornheim statt und war als „Wein- & Genusstag“ konzipiert: An 14 Ständen wurden Weine aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, Spanien und Portugal ausgeschenkt, und Mirko bereitete als kulinarisches Begleitprogramm raffinierte kleine Gerichte zu. Auch hier begann ich mit Champagner und erfreute mich wieder einmal besonders am Non Dosé von Janisson-Baradon.
Ausführlich unterhielt ich mich mit Benedikt Baltes vom Weingut Stadt Klingenberg aus Franken, in dessen Betrieb jetzt auch Julia Bertram – Deutsche Weinkönigin 2012/2013 – arbeitet, die er mit nach Frankfurt gebracht hatte. Benedikt ist mit dem Jahrgang 2013, wie er sagte, „hochzufrieden“ und verfolgt nun ein klar formuliertes Ziel: „stilsicher werden“. Dafür setzt er auf sehr präzises Holzmanagement und verwendet nur Fässer aus Spessarteiche – ein deutliches Bekenntnis zur untermainischen Region. Seine Spätburgunder bestätigten auch diesmal den Erfolg seines Bestrebens: der 2012 Spätburgunder Buntsandstein trocken, der 2012 Klingenberger Spätburgunder trocken und der klassische, durchaus edel zu nennende 2012 Spätburgunder Schlossberg GG mit Finesse und Tiefe.
Viel Zeit verbrachte ich auch bei Dorli Muhr, die die außergewöhnlichen Gewächse ihres zusammen mit Dirk Niepoort gegründeten Weinguts Muhr - van der Niepoort aus dem Carnuntum vorstellte. Alle ihre Weine kommen vom Spitzerberg in Prellenkirchen, und auch wenn sie bereits zwölf Jahrgänge vinifiziert hat, sieht sie ihre Arbeit noch am Anfang: „Wir kommen langsam dahin, zu verstehen, wie der Berg ist, was er will“, erklärte Muhr. Die Trauben werden traditionell mit den Füßen gestampft, so dass die Kraft des Körpergewichts zugleich intensiv und sanft auf die Beeren einwirkt, denn im Gegensatz zu allen mechanischen Keltern gibt der menschliche Fuß bis zu einem gewissen Punkt nach; so werden die Trauben schonend zerdrückt, und auch das Gefühl und die Körperwärme spielen bei diesem Verfahren eine Rolle. Muhr jedenfalls ist von dieser altbewährten Methode überzeugt, und die Qualität der Weine gibt ihr recht: Die 2011 Cuvée vom Berg aus 60 Prozent Blaufränkisch und 40 Prozent Syrah war ein gelungener Einstieg; hier werden die „Wohlstandstrauben“ (Muhr) von den Rebstöcken unten am Hang verwendet, wo aufgrund der Bodenerosion eine stärkere Erdauflage und damit eine bessere Wasserversorgung gegeben sind. Charaktervoll präsentierten sich der 2011 Blaufränkisch Carnuntum und der 2012 Samt & Seide (dessen Nachfolger); der 2011 Blaufränkisch Spitzerberg Alte Reben war für mich sogar der beste und beeindruckendste Wein der gesamten Messe: ein „Grand Cru“ von 40 bis 60 Jahre alten Reben – tief, ruhig und sehr elegant. Den Weißwein schenkte Dorli Muhr erst als Letztes aus, und das war richtig so: Der 2011 P............n (der Name Prellenkirchen muss sich verstecken) ist ein faszinierender, frischer Orange Wine, der hauptsächlich aus maischevergorenem Grünem Veltliner sowie etwas Chardonnay und Riesling besteht und sich mit Schmelz, Mineralik und feinem Gerbstoff ausgesprochen animierend darbot.
Aus der Toskana gefiel mir erneut der feine, würzige und samtige 2011 Pugnitello Toscana IGT vom Weingut Poggio al Gello besonders gut. Wie Alda Chiarini und Giorgio Nelli berichteten, wachsen die Reben auf Kalkstein am Monte Amiata, einem erloschenen Vulkan.
Die Weine von Château Spencer la Pujade aus dem Languedoc befanden sich in der Obhut von Michael Jetter vom Weinhandel Rebhof Weine, einem sympathischen Kollegen von Bernd und Armin. Hier nahm mich besonders der saftige und geradlinige 2011 Tradition Rouge Corbières AOC für sich ein – zur Hälfte Carignan, dazu Syrah, Grenache und Mourvèdre. Gleich nebenan gab’s Bordeaux, und der 2010 Château Siaurac Lalande de Pomerol AOC zeigte, dass er sich sehr gut entwickelt hat, seit ich ihn zuletzt probierte: samtweich, feinfruchtig und straff genug.
Von der Quinta Quietud im Toro bewiesen der 2012 Corral de Campanas Toro DO und der 2008 Quinta Quietud Toro DO, wie gut sich das Zusammenspiel der autochthonen Sorte Tinta de Toro (einer Spielart des Tempranillo) mit den geographischen Gegebenheiten der Region zur Geltung bringen lässt. Jean François Hebrad wies darauf hin, dass die Rebstöcke wurzelecht seien, da sich die Reblaus in den Sandböden des Gebiets nicht habe ausbreiten können.
Einen besonders nachhaltigen Eindruck hinterließen bei mir die Weine aus Portugal, die ich auf der Messe verkostete. Im besten Sinne eigenständig waren die Gewächse, die Pedro Marques von Vale da Capucha aus Lisboa offerierte: Der 2012 Fossil Branco Lisboa VR, hergestellt aus Arinto, Gouveio und Ferñao Pires, machte seinem Namen alle Ehre – steinig, salzig, fast jodig, pure Mineralität. Ebenfalls sehr überzeugend waren der 2012 Pynga Selection Branco Lisboa VR aus Viognier, Arinto und Ferñao Pires („pynga“ bedeutet übersetzt „Tropfen“) und der 2011 Vale da Capucha Tinto Lisboa VR aus Touriga Nacional und Aragonez (der portugiesischen Variante des Tempranillo). Sandra Tavares von der Quinta de Chocapalha, gleichfalls aus Lisboa, setzte gekonnte Akzente mit dem 2009 Quinta de Chocapalha Tinto (einer feinen, straffen, kühlen und ausgewogenen Cuvée aus Tinta Roriz, Touriga Nacional, Castelão und Syrah) sowie dem 2010 Quinta de Chocapalha Cabernet Sauvignon. Und bei der Quinta do Passadouro aus dem Douro konnte ich neben dem 2012 Passa Douro Branco und dem 2012 Passadouro Tinto (wie alle in diesem Beitrag genannten Weine wiederum beide empfehlenswert) zum Abschluss den atemberaubenden 2011 Vintage Port von 80 Jahre alten Reben kennenlernen – unendlich jung, noch verschlossen, aber schon jetzt kraftvoll, Aromen von Kräutern, Tabak und getrockneten Beeren, komplex und lang mit einem Potenzial, das etliche Generationen überdauern wird.