Ein kaum anders als opulent zu nennender Abend in einer Wiesbadener Altbauwohnung. Wir waren zu viert, und unser Gastgeber – ambitionierter Hobbykoch – verwöhnte uns mit einem anspruchsvollen sechsgängigen Menü. Dazu blickten wir in außergewöhnliche Weinnischen in Deutschland, Österreich, Frankreich, Spanien und Portugal.
Vor der Dokumentation dieser Genussreise darf ich an dieser Stelle meinen herzlichen Dank für die intensiven und in jeder Hinsicht bereichernden Stunden in inspirierender Gesellschaft und für die großzügige Gastfreundschaft aussprechen. Nun denn, wohlan…
Zum Aperitif gab es einen Jahrgangschampagner und einen ebenfalls lange auf der Hefe gereiften Schaumwein aus Portugal:
1996 Grande Année, Bollinger (Champagne, Frankreich)
in der Nase: tief, komplex, rauchige Töne, Noten von Zitrusfrüchten, gerösteten Nüssen, Äpfeln und Quitten
im Mund: Aromen von Zitrusfrüchten, Quitten, Mirabellen und Birnen, röstige Töne, Schmelz, feine Perlage, feine Säure, animierend, frisch, mineralische Anklänge, guter Abgang
2009 Velha Reserva bruto, Raposeira (Douro, Portugal)
in der Nase: florale Töne sowie Noten von Quitten, dunklen Beeren und Birnen
im Mund: Aromen von gelben Früchten (Äpfel, Birnen, Quitten), Cassisgelee und Holunderblüten, elegante, recht lebhafte Perlage, feine Säure, frisch, ausgewogen, nachhaltig, sehr guter Abgang
Als Amuse-Bouche wurden Wachteleier in Tempurateig mit Worchester-Espuma und geröstetem Schwarzbrot gereicht. Danach begann das Menü:
1. Steinbutt- und Lachspastete in Spinat mit Muskateller-Süßweingelee
2005 Rosé brut, Künstler (Rheingau, Deutschland)
degorgiert 2015
in der Nase: Noten von Beeren sowie fast ein wenig animalische und erdig-mineralische Töne
im Mund: geradlinig, Aromen von roten Beeren, Karamell, Cassis und Minze, lebendige, eher grobe Perlage, erdig-mineralische Töne, feine Säure, etwas Gerbstoff, guter bis sehr guter Abgang; mit Luft straffer und dunkler in der Aromatik
In Kombination mit den Fischpasteten ist der Sekt überfordert und findet keine Anknüpfungsmöglichkeit; der im Gericht verwendete Dill verstärkt zusätzlich die Bitter- und Gerbstoffe.
2005 Schlossberg Rosé brut nature, Huber (Baden, Deutschland)
degorgiert 2011
in der Nase: Noten von Äpfeln, Birnen, roten Beeren und Blüten
im Mund: komplexe dunkelbeerige Frucht, lebhafte Perlage, Aromen von gerösteten Nüssen, Nougat und Karamell, Schmelz, feine Säure. mineralische Anklänge, gewisse Kraft, dicht, ausdrucksstark, nachhaltig, im Stil weinig, sehr guter Abgang; mit Luft dunkler und nussiger im Duft
Der badische Rosé-Sekt hüllt alle Aromen des Gerichts (süß, salzig, würzig) in seine Frucht ein und verstärkt sie dadurch, die Mineralität tritt deutlicher hervor.
2. Linguine mit Mandel-Orangen-Pesto und gegrillter Aubergine
2012 Silvaner Philosophie trocken, Bajano (Franken, Deutschland)
in der Nase: ätherische und rauchige Töne, Noten von Quitten, Äpfeln, Zitrusöl und Kiefernharz, dicht und konzentriert
im Mund: sehr dicht und kraftvoll, mineralische, an Feuerstein erinnernde Noten, Aromen von gelben Früchten, vegetabile und herb-nussige Töne, feine Säure, sehr guter Abgang; mit Luft saftiger und komplexer mit mehr Röstnoten, Schmelz und Nachhaltigkeit
Der kraftvolle, gereifte Silvaner erdet das Gericht und verleiht ihm eine mineralische Unterlage.
3. Doppelte Rinderkraftbrühe mit Eierstich und Schnittlauch
2016 Alvarinho Granit Mineral Selection Monção e Melgaço, Soalheiro (Vinho Verde, Portugal)
in der Nase: ein Eindruck von Salzluft, Noten von Litschis, Ananas, Äpfeln, Birnen und Blüten
im Mund: geradlinig, Aromen von Zitrusfrüchten, Äpfeln und Papayas, zupackende Mineralität, präsente Säure, animierend, guter bis sehr guter Abgang; mit Luft Rhabarbernoten und rauchige Mineralität
Der mineralische Vinho Verde zeigt ein fruchtiges Spiel und schwebt geradezu auf der Salzigkeit der Suppe.
4. Barbarie-Entenbrust mit Honig-Thymian-Glasur an kleinem Salatbouquet mit Himbeeren und fermentiertem Blumenkohl
2015 Organza, Sierra Cantabria (Rioja, Spanien)
in der Nase: Noten von gelben Früchten, Nüssen und Fenchel
im Mund: intensive Mineralität, Kraft, Holzwürze, Vanille- und Röstnoten, Aromen von gelben Früchten, Anklänge an geröstete Fenchelsaat, feine Säure, kompakt, recht gehaltvoll, sehr guter Abgang; mit Luft ätherische Töne sowie Noten von Esskastanien, Zimt, Piment und Kubebenpfeffer, Schmelz
Der sehr komplexe weiße Rioja harmoniert besonders gut mit dem Blumenkohl im Gericht.
2016 Dernauer Spätburgunder trocken, Julia Bertram (Ahr, Deutschland)
in der Nase: röstige und rauchige Töne, klare Beeren- und Kirschfrucht, Gewürznoten
im Mund: sehr geschliffen, saftig, Aromen von Beeren und Kirschen, mineralische Töne, animierende Säure, kräuterige Würze, Griff, guter bis sehr guter Abgang; mit Luft mehr Saft und Schliff, noch animierender
Der Spätburgunder-Ortswein von der Ahr harmoniert besonders gut mit der Ente.
5. Filet Wellington (Rinderfilet im Blätterteig mit Mangold-Pilz-Farce) mit Sous-vide-Karotten, Broccoli-Timbale mit Walnuss-Topping, Beurre Rouge und Bratenjus
2011 Les Bressandes Beaune Premier Cru, Domaine des Croix (Burgund, Frankreich)
in der Nase: Noten von Lorbeer, Liebstöckel und dunklen Früchten
im Mund: sehr geschliffen und saftig, klare Beerenfrucht, Gewürznoten, sehr geradliniges Tannin, präsente, feine Säure, elegant, florale Anklänge, sehr guter Abgang; mit Luft Noten von Kastanienmousse, Fenchel und Eukalyptus, ätherische, nussige und mineralische Töne, Schmelz, saftig, opulent und muskulös, wirkt übermütig, ist aber zugleich streng; später animierend, tief, Feuerstein- und Wacholdernoten, mehr Schmelz; noch später immer mehr Schmelz, gleichzeitig straffer mit ausgeprägter Mineralität
Der rote Burgunder verschmilzt in Aromatik und Textur förmlich mit dem Gericht. Der Wein hätte – erwartungsgemäß – spielend noch ein bis zwei Jahrzehnte im Keller liegen können.
6. Dunkle Mousse au Chocolat mit Olivenöl und gepfeffertem Birnen-Kompott
2001 Weißburgunder Trockenbeerenauslese, Tinhof (Burgenland, Österreich)
im Glas: Farbe zwischen Mahagoni und dunklem Bernstein
in der Nase: zunächst leicht flüchtig, dann dicht, balsamisch, Noten von Kastanien, teils getrockneten, teils kandierten Aprikosen, Feigen und Pflaumen, Gewürzen, gerösteten Nüssen und Zimt
im Mund: süße Frucht, Tabaknoten, balsamisch, feine, lebendige Säure, Aromen von Rosmarin sowie getrockneten Aprikosen und Pflaumen, intensiv, langer Abgang; mit Luft immer feiner
Der fast 20 Jahre alte Süßwein dockt aromatisch komplett am Dessert an. Er ist jetzt in exzellenter Verfassung, wird das aber auch noch in zehn Jahren sein.