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Zum zweiten Mal hatte Wein- und Gastronomieberater Harry H. Hochheimer einen rein schwulen Gästekreis zum „Sister Day“ eingeladen, um einige Weine aus seinem (reichhaltig bestückten) Keller zu verkosten. Bei der Auswahl der Gewächse hatte er sich – einem Wunsch meinerseits entsprechend – auf Burgunder konzentriert. So probierten wir zu acht insgesamt zehn weiße und rote Weine aus Reben der Burgunder-Familie sowie zusätzlich drei Weine aus anderen Rebsorten, die aus Deutschland, Österreich und Frankreich kamen.

Wir begannen mit zwei weißen Burgundern aus Baden vom Weingut Dr. Heger: einem noch sehr jungen Grauburgunder und einem etwas gereiften Weißburgunder, beide aus derselben (Spitzen-)Lage.

2012 Ihringer Winklerberg Grauburgunder und 2007 Ihringer Winklerberg Weißburgunder von Dr. Heger2012 Ihringer Winklerberg Grauburgunder trocken, Dr. Heger, Baden, Deutschland

Nase: Kernobst, floral, nussig, leicht gewürzig, Zitrus, Mineralik
Mund: Mineralik, kraftvoll, Schmelz, gelbe Früchte, feine Würze, nussig, noch extrem jung, elegant, sehr nachhaltig

2007 Ihringer Winklerberg Weißburgunder trocken, Dr. Heger, Baden, Deutschland

Nase: sehr burgundische Aromatik, buttrig, mineralisch, fein, Kernobst, Zitrus, Melone, Pistazien, Mandeln, Artischocken
Mund: straff, kompakt, Zitrus, Kernobst, floral, erdige Mineralik, nussig, getrocknete Pflanzen, Schmelz, zarte Würze, komplex, nachhaltig, noch lange nicht auf dem Höhepunkt

Danach wandten wir uns zwei gereiften Chardonnays aus dem Chablis zu.

2000 Vaucoupin Chablis Premier Cru und 2001 Vaillon Chablis Premier Cru2000 Vaucoupin Chablis Premier Cru, Molusson, Chablis, Frankreich

Nase: gelbe Früchte (Quitte, Mango), Mineralik, Karamell, Salz, Kräuter (Salbei), erdig, etwas Anis, floral
Mund: buttrig, tiefe erdige und salzige Mineralik, Gewürze (Piment, Zimt), Zitrus, Kernobst (reife Quitte), Kräuter, gewisse Kraft, viel Schmelz, sehr nachhaltig, wirkt noch jugendlich, aber schon seriös, sehr gut strukturiert, opulent, aber fokussiert

2001 Vaillon Chablis Premier Cru, Domaine du Vieux Château (D.-E. Defaix), Chablis, Frankreich

Nase: komplex, Feuerstein, rauchige Mineralik, reife Quitte, Melone, Tabak, grüne Oliven, Honig, Schmelz, Kräuter, Dosenchampignons
Mund: schon ein wenig fragil (Höhepunkt fast überschritten), intensive salzige Mineralik, Kernobst, getrocknete Pflanzen, Mandeln, kräuterige Würze, erdig, Pilze, zunehmend nussig und vegetabil (angemachter Weißkohl), Anis

Als nächstes standen eigentlich drei Pinot Noirs aus dem Burgund auf dem Programm, doch wir verkosteten erst zwei und schoben dann Harrys erklärten Lieblingswein – einen reifen Bordeaux – ein, weil dieser besser zum Essen passen sollte. Insgesamt wurde an diesem Sonntag Nachmittag in Frankfurt wieder kräftig aufgetischt: pochierter und geräucherter Lachs mit zweierlei Saucen, Pulposalat, Thai-Salat mit Garnelen, Kartoffel-Kürbis-Karotten-Suppe mit Kernöl, Bœuf à la mode sowie Käse-Schokoladen-Torte, Apfel-Walnuss-Kuchen, Tiramisu und Schokoladenpudding mit Eierlikör und Sahne.

2006 Les Maconnets Savigny-les-Beaune Premier Cru und 2004 Pommard2006 Les Maconnets Savigny-les-Beaune Premier Cru, Simon Bize, Bourgogne, Frankreich

Nase: Kirsche, Veilchen, rote Beeren, Cassis, Kräuter, Vanille, Kokos, etwas fleischig
Mund: rote und schwarze Beeren, Gewürze (Pfeffer, Anis, Nelken), Kräuter, erdige Mineralik, geschliffen, nachhaltig, elegant, in bester Verfassung

2004 Pommard, Bouchard Père & Fils, Bourgogne, Frankreich

Nase: animalisch, pilzig, gewürzig, dunkle Beeren, grüne Pflaumen, Sauerkirsche, etwas vegetabil
Mund: dunkle Beeren (Cassis), getrocknete Kräuter, erdige Mineralik, Gewürze, ein wenig trocknendes Tannin, leicht rußiges Holz, deutlich zu jung, Tabak, Leder, strafft sich mit Luft, nachhaltig

2002 Gevrey-Chambertin und 1990 Château La Nerthe1999 Château Poujeaux Moulis-en-Médoc, Jean Theil, Bordeaux, Frankreich

Nase: leicht entwickelt, zedrig, animalisch, fleischig, rote Beeren, etwas Cassis, Gewürze, Kräuter, Tabak, Oliventapenade, Brombeeren, komplex
Mund: dunkle Beeren, Mineralik, erdig, Gewürze, mürbes Tannin, Oliven, Leder, zedrig, Kräuter, sehr fein, samtige Textur, Pflaume, rohes Fleisch, grüner Pfeffer, jetzt voll da

Den Bordeaux erwischten wir tatsächlich auf seinem Höhepunkt – er war unbestritten der beste Wein des Abends. Das merkten bzw. wussten wir bereits im Moment der Probe und bemühten uns daher, unsere Erwartungshaltung gegenüber den folgenden Weinen anzupassen. Nach dem dritten roten Burgunder folgte zunächst ein Süßwein.

2002 Gevrey-Chambertin, Bouchard Père & Fils, Bourgogne, Frankreich

Nase: Tabak, Dörrpflaumen, Pfeffer, dunkle Beeren, Mineralik
Mund: Gewürze, Mineralik, Tabak, dunkle Beeren, Kräuter, etwas zedrig, Bitterschokolade, leicht trocknendes Tannin, noch eher jung

Muskat-Ottonel TBA von PaslerMuskat-Ottonel Trockenbeerenauslese, Martin Pasler, Burgenland, Österreich

Nase: getrocknete Aprikosen, kandiertes Steinobst, Kräuter, Pflaume, Maracuja, Blüten, komplex, Tabak, Kandis, Bergamotte
Mund: Kandis, Karamell, kandierte Ananas, eingemachte Pfirsiche, Apfelkompott, Blütenhonig, zarte Würze, Bergamotte, nachhaltig, Schmelz, grüner Tee, komplex, extrem fein, lang, zeitlos

Die TBA von Martin Pasler war für mich der zweitbeste Wein des Abends: Die betörende, vielschichtige Earl-Grey-Aromatik mit den Bergamotte- und Karamellnoten nahm immer mehr zu, und der Wein schien immer fokussierter und geschliffener zu werden, während er gleichzeitig immer neue Facetten zeigte. Ein Meisterwerk!

Der letzte rote Burgunder in der Verkostung kam wieder aus Deutschland, war aber leider auch der schwächste, denn er hatte seinen Zenit bereits um einige Jahre überschritten. Schade!

1992 Spätburgunder Mimus und 1999 Château Poujeaux1992 Mimus Ihringer Winklerberg Spätburgunder trocken, Dr. Heger, Baden, Deutschland

Nase: animalisch, etwas oxidativ, Gewürze, überlagerte Nüsse, vegetabil, eingemachte Beeren
Mund: Oliven, dunkle Beeren, schon ein wenig stumpf, trocknendes Tannin, vegetabil, nussig, ziemlich kurz im Abgang

Gereift, aber noch keineswegs ausgezehrt präsentierte sich der nächste Rotwein: ein über 20 Jahre alter Châteauneuf-du-Pape.

1990 Château La Nerthe, Châteauneuf-du-Pape, Frankreich

Nase: deutlich entwickelt, Gewürze, Olivenöl, animalisch, vegetabil (Sellerie, Fenchel, Paprika), dunkle Beeren, Pfeffer
Mund: Schokolade, vegetabil (Oliven, Artischocken), rote und schwarze Beeren, Tabak, Karamell, feinkörniges Tannin, Moos, Lorbeer, etwas Teer, Mineralik, Pfeffer, Malz, ein wenig morbid, Laub, geschmorte Pilze

Der Châteauneuf war definitiv ein Wein für Liebhaber; ungeübte Gaumen sind mit den herb-würzigen und welk-pflanzlichen Aromen tendenziell überfordert. Mit gefiel er sehr gut!

Um diesem speziellen Tropfen zum Abschluss noch etwas Frischeres entgegenzusetzen, öffneten wir noch zwei weitere Weine, einen weißen und einen roten.

2012 Hochheimer Hölle Weißburgunder Spätlese trocken, Petri, Rheingau, Deutschland

Nase: floral, Zitrus, Kernobst, Aprikose, pflanzlich, zart kräuterwürzig
Mund: Eisbonbon, gelbe Früchte, floral, pflanzlich, Kräuter, Schmelz, präsente Säure, leicht nussig, schlank, ein wenig Honig, Banane, Brioche, gute Struktur, aber etwas vordergündig

2006 Oxhoft (Zweigelt, Cabernet Sauvignon, Blaufränkisch), Birgit Braunstein, Burgenland, Österreich

Nase: etwas verschlossen, Gewürze (Lorbeer), animalisch, Limette, Kräuter, kühl, Zedernholz, Veilchen
Mund: straff, säuerliche Beerenfrucht, Gewürze, Tabak, Kräuter, kraftvoll, erdig, geschliffen, dunkle Aromatik, nachhaltig

Harry wollte an diesem Nachmittag Gast im eigenen Hause sein und überließ mir die Rolle des – wie er es nannte – „Zeremonienmeisters“ und dem versierten Hotellerie- und Gastronomieprofi Daniel die ausführende Rolle des Sommeliers. Alle Beteiligten hatten, wie beim ersten Mal, viel Spaß am Probieren und durften außergewöhnliche Weine erleben, die größtenteils nur noch selten zu finden sind. Das letzte Wort nach fünf stimmungsvollen und genussreichen Stunden ließ Harry sich aber dann doch nicht nehmen: „Ich kann vieles, aber nix richtig, Das einzige, was ich sensationell gut kann, ist dummes Zeug erzählen.“ Und weil das natürlich eine grandiose Untertreibung ist, kann man ihm dabei stundenlang (und mit Gewinn) zuhören.