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Wer der Frage nachgehen will, was die Welt (an Weinen ver-)kostet, besucht die ProWein in Düsseldorf. Vom 18. bis 20. März fand die internationale Leitmesse für Wein und Spirituosen in diesem Jahr statt, und ich verbrachte wieder einmal drei interessante, genussvolle und gesellige Tage dort mit spannenden sensorischen Eindrücken, bereichernden Gesprächen und äußerst angenehmer Stimmung.

Wie jedes Jahr hatte ich mir eine Liste von Weingütern vorbereitet, die ich besuchen wollte, und auch einige Termine vereinbart. Zwar musste ich den Plan für jeden Messetag jeweils wieder aktualisieren, doch insgesamt kam ich mit fast allem, was ich mir vorgenommen hatte, durch – und ich war wieder mit einem deutlichen Schwerpunkt in Frankreich unterwegs, was im vergangenen Jahr erstmals nicht der Fall gewesen war. Davon abgesehen führte mich meine Verkostungsreise dieses Jahr von Deutschland und Österreich über Spanien und Israel bis nach Uruguay und Neuseeland. 

An den drei Tagen traf ich auch Freunde, Kollegen, Kooperationspartner und Auftraggeber wie Christine Schloter vom Weinkönner Tasting Store in Leipzig, Präsident Peer F. Holm und Vizepräsidentin Nicole Retter von der Sommelier-Union Deutschland, Dr. Eckhard Supp vom Magazin enos, Julia Opländer von der Deutschen Hotelakademie, Meike Frers und Kirstin Laser von ff∙k Public Relations, Alexander Schreck von den WeinKommunikatoren, Susanne Platzer von Culinarium Bavaricum, Journalist und Autor Uwe Kauss sowie die PR-Spezialisten Emily Albers und David Ecobichon.

Einstimmung in Frankfurt

Neuburger Golden Erd, Neuburger Leithaberg DAC und Neuburger Eisenstadt von TinhofDie Einstimmung war in diesem Jahr menschlich wie weinbezogen besonders gelungen und fand noch in Frankfurt statt: Bernd Klingenbrunn und Armin Busch von K&M Gutsweine hatten in ihrer Weinhandlung im Nordend am Samstag vor der ProWein (d.h. am 17. März) nachmittags Lukas Plöckinger vom Weingut Erwin Tinhof am Leithaberg im österreichischen Burgenland zu Gast, der acht ausgewählte Gewächse präsentierte: die drei Neuburger der Qualitätsstufen Eisenstadt (2016), Leithaberg DAC (2016) und Golden Erd (2015), die beiden Basisweine Rosé und Noir (beide 2016) sowie die drei Blaufränkisch der Qualitätsstufen Eisenstadt (2015), Leithaberg DAC (2013) und Gloriette (2015).

Meine Favoriten bei der Verkostung waren:

Der weiße Flaggschiff-Wein, der 2015 Neuburger Golden Erd, präsentierte sich zwar tief, dicht und druckvoll mit viel Schmelz, würzigen und salzigen Noten und festem mineralischem Kern, doch er brauchte sehr viel Luft, um sich zu öffnen, und ließ deutlich genug erkennen, dass er momentan noch nicht in Form ist. Er beansprucht noch einige Jahre Zeit, bevor er bereit sein wird, seinen Charakter freigiebig zu entfalten, und diese wollen wir ihm gern geben – die beeindruckenden Anlagen, die er jetzt schon zeigt, werden uns zweifellos Recht geben.

Kulinarischer Auftakt in Düsseldorf

Lukas war auch einer der sieben Österreicher, mit denen ich am Vorabend der Messe im Weinhaus Tante Anna in der Düsseldorfer Altstadt ein wirklich denkwürdiges kulinarisches Erlebnis teilen durfte. Betreut von Patron Tobias Ludowigs und seinem Team, genossen wir engagierte Gastfreundschaft und schwelgten in der grandiosen Weinkarte. Dabei konzentrierten wir uns auf gereifte Rieslinge – und das intuitiv: Jeder am Tisch wählte frei nach Gusto einen Wein aus, der Sommelier des Hauses nahm die komplette Bestellung entgegen und stimmte die Auswahl in Absprache mit dem Küchenchef auf das Menü ab. Dieses umfasste dann sechs Gänge:

  1. Marinierter Blumenkohl, Gelbe Bete, Winter-Trüffel und Schnittlauchöl
  2. Jakobsmuschel-Winter-Ceviche, Kürbismousse, Granatapfelkerne und Endiviensalat
  3. Confierte Taubenbrust, Kerbelwurzel und Rosenkohlblätter
  4. Confierte Kalbshaxe, in Gewürzöl gegart, Kartoffelbuchteln und Möhren
  5. Käseauswahl vom Affineur Waltmann
  6. Schwarzwälder Kirsch

Die Anzahl der Weine war am Ende doppelt so hoch – einschließlich zweier Magnumflaschen:

Daheim in ÖsterreichBlick durch ein Weinglas auf das Logo des Weinguts Tinhof

Auch auf der Messe nahm Österreich – wie üblich bei mir – einen ordentlichen Teil ein. Ich begann traditionell wiederum bei Tinhof, wo Lukas, sein Onkel Erwin Tinhof selbst und Konstantin Ott mich die Weine probieren ließen, die zuvor in Frankfurt nicht zu verkosten gewesen waren. Neben zwei maischevergorenen Weißweinen (Muskat und Neuburger) – die als gelungenes Experiment betrachtet werden dürfen – waren das vor allem Weißburgunder und Sankt Laurent. Der 2016 Weißburgunder Leithaberg DAC war mit seiner saftigen Art und seiner großen Trinkfreude mein Favorit, der 2015 Weißburgunder Golden Erd präsentierte sich tief, kraftvoll, elegant und lang, ist aber derzeit noch sehr stark vom Holz geprägt; einige Jahre Reife sind auch hier angezeigt. Mit sehr viel Saft erfreute auch der 2015 Sankt Laurent Feuersteig. 

2006 Weißburgunder Leithaberg, 1990 Pinot Blanc Seeberg, 2006 Blaufränkisch Goldberg und 2011 Blaufränkisch Goldberg von PrielerEin weiteres Highlight im Burgenland war das Weingut Prieler, das auch einige gereifte Gewächse mitgebracht hatte. Ich probierte zuerst drei Weißburgunder in einer bemerkenswerten Zeitreise: Der 2016 Weißburgunder Leithaberg DAC erfreute mit Saft, Schmelz, feiner Frucht, Mineralität und Trinkfreude, der 2006 Weißburgunder Leithaberg zeigte sich geradlinig und fest mit Saft, Zug und Finesse; der 1990 Pinot Blanc Seeberg erwies sich als unglaublich frisch, straff und feinsaftig mit vegetabilen und nussigen Aromen. Danach folgte der 2015 Pinot Noir Ried Satz – kühl und saftig mit Aromen von dunklen Beeren und ätherischer Würze. Abschließend verkostete ich drei Jahrgänge des Blaufränkisch Ried Goldberg: den kraftvollen, berührenden 2015er, den sehr langen 2011er und den eleganten 2006er. Fazit: Georg Prieler und seine beiden Standmitarbeiter präsentierten eine beeindruckende Kollektion, und dass die Weine eine längere Maischestandzeit erfahren, kommt ihnen qualitativ sehr zugute.

Himmel voller Sterne brut nature von PreisingerEbenfalls im Burgenland sind Katharina und Georg Preisinger zu Hause. Sie bieten unprätentiöse Weine im besten Sinne, und Georg ist darüber hinaus ein Meister des Storytelling. Das zeigte sich im langen Gespräch mit den beiden ebenso wie an der Idee mit der Rakete, mit der er seine Qualitätsphilosophie bildlich darstellt.

Zur Erklärung darf ich hier meine Blog-Berichte von der ProWein 2012 und 2014 zitieren: „Preisinger hat unter dem Motto ‚Liquide Zeitreisen‘ seine Weine in drei Qualitätslinien eingeteilt: Tradition (‚Kurzstrecke‘), Premium (‚Mittelstrecke‘) und Top (‚Langstrecke‘) – bezogen sowohl auf das Alter der Rebstöcke als auch auf das Reifepotenzial der Weine. Veranschaulicht wird das Motto von einer Spielzeugrakete auch auf den Flaschenetiketten. Diese wurden vom Designer Nikolaus Eberstaller gestaltet und zeigen die Rakete in unterschiedlichen Phasen ihrer Reise.“ „Mit zunehmender Weinqualität fliegt die Rakete immer höher, was sich nicht nur im Bild, sondern auch in der Form des Etiketts ausdrückt.“ Beim Sekt mit dem Namen „Himmel voller Sterne“ ist die Rakete schließlich gar nicht mehr zu sehen.

Georg verwendet für seine Weinflaschen ausschließlich Schraub- und Glasverschlüsse: Seiner Erfahrung nach reifen die Weine dann langsamer und gleichmäßiger und sind dadurch länger lagerfähig. Eine der wichtigsten Lagen des Betriebs ist der Ungerberg, der sich durch einen sehr kargen, kalkhaltigen Boden auszeichnet. Weil darauf nur wenig wächst, erhielt die Lage den Namen Hungerberg, und das H am Anfang schliff sich mit der Zeit ab.

Von den 30 Weinen, die Georg und Katharina mitgebracht hatten, probierte ich die Hälfte. Meine Favoriten waren:

2013 St. Andräer Sankt Laurent Reserve, 2015 St. Andräer Heulage Chardonnay, 2017 Gelber Muskateller, 2017 Weißburgunder und 2017 Welschriesling vom Spitz von ZinielUnd ein weiteres Burgenländer Weingut besuchte ich: Andreas Ziniel führt als Logo den kleinen griechischen Buchstaben Zeta – gelungen! – und stellte ebenso selbstbewusst wie unaufgeregt und charmant die Weine seiner Familie (weiße Etiketten) und auch seine eigenen Kreationen (blaue Etiketten) vor. Aus unerfindlichen Gründen habe ich mir hier keine Notizen zu den Weinen gemacht – aber Favoriten hatte ich dennoch: den 2017 Gelber Muskateller, den 2017 Weißburgunder und den 2017 Welschriesling vom Spitz sowie den 2013 St. Andräer Sankt Laurent Reserve und den 2015 St. Andräer Heulage Chardonnay.

Bei Familie Pfaffl aus dem Weinviertel, wo wieder sowohl die Eltern Roman und Heidi als auch Sohn Roman Josef und Tochter Heidi am Stand waren und gewohnt engagiert und herzlich die Gäste betreuten, verkostete ich rund 30 Weine – und die Favoritenquote war erwartungsgemäß wieder einmal sehr hoch:

Sehr überzeugend waren auch die Weine vom Weingut Geyerhof aus dem Kremstal – allen voran die gereiften Gewächse. Meine Favoriten aus 16 Weinen:

Schließlich konnte ich mir auch einen der großen Namen aus der Wachau nicht versagen. Bei F.X. Pichler probierte ich wirklich ausdrucksstarke, charaktervolle Gewächse aus dem neuen Jahrgang:

Doch das alles war mehr oder weniger nur ein Vorgeschmack: Schwerpunktmäßig werde ich die österreichischen Weine vom 9. bis 11. Juni auf der VieVinum in Wien verkosten.

Pfälzer Akzente

Deutschland wird mein Verkostungsschwerpunkt auf der VDP-Weinbörse am 29. und 30. April in Mainz sein. Auf der ProWein besuchte ich lediglich zwei Weingüter aus der Pfalz, die Sektmanufaktur Schloss Vaux aus dem Rheingau und eine Vergleichsverkostung von Silvanern aus Franken.

2015 Dr. Bonnet & Mr. Hyde Domina trocken von NaegeleInteressante Akzente setzte das Weingut Naegele mit den fünf Weinen, die ich probierte:

2017 Auxerrois trocken von BremerEine sehr lohnende Neuentdeckung für mich war das Weingut Bremer, das von den drei Schwestern Anna, Rebecca und Leah geführt wird. Unterstützung erhalten sie von ihrem Önologen, der passenderweise den naturverbundenen Namen Michael Acker trägt und sein Handwerk offensichtlich bestens versteht. Vier Weine, vier Volltreffer:

Diesen Betrieb werde ich mir bei nächster Gelegenheit einmal genauer anschauen.

Prickelnder Rheingau

2015 Vaux Rosé brut von Schloss VauxDer Besuch am Stand von Schloss Vaux war auch dieses Jahr ein Highlight der Messe – sinnlich ebenso wie menschlich. Äußerst charmant und engagiert betreut von Ayla Serbes und Nikolaus Graf von Plettenberg persönlich, nahm ich mir mit großem Vergnügen Zeit für alle zwölf angebotenen Sekte, die ausschließlich in traditioneller Flaschengärung hergestellt werden. Bemerkenswert waren diesmal besonders die Rosés – meine Favoriten:

Trend zum Maischeausbau

Eine ausgesprochen spannende Verkostung hatte die Gebietsweinwerbung Frankenwein-Frankenland organisiert: In sechs Flights wurden jeweils ein most- und ein maischevergorener Silvaner desselben Produzenten einander gegenübergestellt. Diese zwölf Weine stammten aus den Jahrgängen 2015 bis 2012 und hatten so bereits ihren Charakter entfalten können. Von meinen fünf Favoriten in dieser Degustation waren vier maischevergoren – ein eindeutiges Votum, das mich nicht überraschte:

Grundsätzlich betrachte ich das Arbeiten mit längerer Maischestandzeit oder sogar die Vergärung auf der Maische als Trend bei Weißweinen. Man muss dafür gar keine Hardcore-Orange-Weine produzieren und auch kein Dogma daraus machen, aber die Weine erhalten so einfach mehr Körper und Tiefe, sie sind oft vielschichtiger und nachhaltiger. Das zeigten nicht nur die Silvaner in der Frankenwein-Verkostung, sondern allein auf dieser Messe auch die entsprechenden Gewächse von Tinhof und Prieler.

Jura und Loire ganz typisch

Auch in Frankreich entdeckte ich zwei empfehlenswerte neue Weingüter.

2016 Chardonnay Les Corvées sous Caron und 2014 Blanc-Typé Tradition
 von TissotAls Liebhaber französischer Bergweine zog es mich zur Domaine Jacques Tissot aus dem Jura. Philippe Tissot ließ mich zwölf Weine einschließlich Macvin du Jura und Marc du Jura probieren, die herrlich typisch für ihre Herkunft waren. Meine Favoriten:

Darüber hinaus schenkte Tissot unter anderem aus:

2017 Clos du Saut au Loup Chinon von der Domaine DozonDie Domaine Dozon von der Loire produziert ausschließlich Cabernet Franc, wie es sich für die Gegend von Chinon gehört. Eric Santier präsentierte vier Weine, die alle die Rebsorte sehr gut zum Ausdruck brachten:

Dreimal Champagne

Natürlich gibt es für mich keine ProWein ohne Champagner! Zwei bekannte Häuser und einen mir neuen Produzenten besuchte ich.

2012 Les Sillons Blanc de Blancs Grand Cru Millésime brut von Legras & HaasBei Legras & Haas war neben Jérôme Legras erstmals seit mehreren Jahren auch seine Mutter Brigitte wieder am Stand – ein freudiges Wiedersehen! Die vier Champagner, die ich verkostete, waren sehr bemerkenswert:

Blanc de Blancs Grand Cru extra brut
geradlinig und fein

Blick durch ein Weinglas auf das Logo des Champagnerhauses Nicolas FeuillattePierre Hartweg von Nicolas Feuillatte wartete seinerseits mit einem ganz besonderen Gewächs auf: dem 2008 Blanc de Noirs Grand Cru Millésime brut – sehr geradlinig und subtil mit Noten von roten Johannisbeeren. Man unterschätzt diesen Champagner zunächst gnadenlos; erst nach dem Hinunterschlucken merkt man, welch feines texturelles Netz er im gesamten Mundraum ausgebreitet hat: Denn dann kristallisiert und erstrahlt er und entwickelt einen beeindruckenden Zug. Ich habe ihn „Columbo-Champagner“ getauft – man denkt, er sei schon gegangen, aber dann kommt er zurück, und es wird erst richtig ernst.

Durch einen Zufall kam ich zu Château de Barfontarc – einer Kooperative, zu der sich 52 Familien vor drei Generationen zusammengeschlossen haben. Die Champagner hier fielen vor allem durch ihr Preis-Leistungs-Verhältnis auf:

Drei Rosés von Château CavalierPerlen, Rosés und fliegende Flaschen

Nach meinem Besuch im Bordelais im vergangenen Jahr traf ich bei Castel Kommunikationsdirektor Franck Crouzet wieder, der mir die Neuheiten des Hauses vorstellte. Die Trends, mit denen sich Castel derzeit beschäftigt, sind Rosé und Schaumwein – und beide Weinarten bekam ich folgerichtig zum Probieren. Mein Favorit unter den Rosés war dabei der 2017 Grand Cavalier Côtes de Provence von Château Cavalier – kraftvoll, tief, mineralisch und animierend mit Aromen von dunklen Beeren. Aus der Languedoc-Rebsortenlinie verkostete ich davon abgesehen den 2017 Pinot Noir Grande Réserve – fein, saftig und ausgewogen.

Wein-Ausschanksystem DigbyDarüber hinaus kredenzte Castel Bordeaux-Rotweine aus seinem umfangreichen Sortiment und bediente sich dafür eines speziellen Ausschanksystems der neuen französischen Marke Digby. Dabei handelt es sich um einen Automaten, in den die geöffneten Weinflaschen eingesetzt werden; daraus kann sich eine recht imposante Phalanx ergeben. Eine Automateneinheit umfasst bis zu sechs Module mit je zwei Flaschen (d.h. insgesamt vier bis zwölf Flaschen), die über ein Touchscreen-Display angesteuert werden können. Für jedes dieser Module lässt sich die Temperatur individuell einstellen. Die Flaschen stehen dabei nicht auf dem Boden, sondern werden innerhalb ihrer Öffnung befestigt, so dass sie zu schweben scheinen. Der Befestigungsmechanismus funktioniert mithilfe eines Gummirings, der maschinell zusammengedrückt wird und sich innerhalb des Flaschenhalses ausdehnt, bis er die Flasche komplett hält. In die Flasche wird dann ein Edelgas geleitet, um den Wein vor Sauerstoffeinfluss zu schützen; laut Herstellerangaben bleibt er so bis zu drei Wochen frisch. Über das Display kann dann der Servicemitarbeiter oder der Kunde selbst mit einer Benutzer- oder Kreditkarte die gewünschte (vorher im System festgelegte) Menge den jeweils ausgewählten Weins ins Glas füllen lassen. Ich ließ mir aus diesem Automaten einen Schluck 2014 Château Malartic-Lagravière Pessac-Léognan Grand Cru ausschenken – rund, beerig, feinwürzig und elegant.

Rioja-Reifezeugnis

2010 Viña Bujanda Gran Reserva von Viña Bufanda, 2001 Mirto von den Bodegas Ramón Bilbao, 2010 Polus von Loli CasadoUnterhaltsam und erkenntnisreich war eine Verkostung gereifter Rioja-Rotweine mit David Schwarzwälder, zu der das Informationsbüro DOCa Rioja eingeladen hatte. Bei dieser Gelegenheit wurde auch die neue Image-Kampagne der DOCa Rioja vorgestellt, die unter dem Motto „Saber quién eres“ („Wissen, wer du bist“) die Identität und Authentizität der Region und ihrer Weine betont. Hierzu gab es eine Informationsbroschüre und einen kurzen Film, verbunden mit der selbstbewussten Aussage: „Wer weiß, wer er ist, fragt nicht um Erlaubnis; er fragt nach Rioja.“ Die Bilder der Kampagne zeigen typisch spanische Motive, in denen es um Emotionen und Persönlichkeit geht, und sind – jedenfalls in ihrer ursprünglichen Version – mit Rioja-Rotwein gemalt.

In der kommentierten Verkostung präsentierte David Schwarzwälder sieben Weine „außergewöhnlicher Jahrgänge“ (so der Titel der Veranstaltung), deren Rangfolge sich gemäß meiner persönlichen Präferenz (absteigend) wie folgt gestaltete:

Große Weine, kleines Land

Drei Rotweine von RecanatiWie schon im vergangenen Jahr, besuchte ich auch diesmal das israelische Weingut Recanati, dessen Rotweine mich vor einiger Zeit sehr beeindruckt hatten. Ich hatte die Ehre, dass mich Head Winemaker Gil Shatsberg persönlich durch die Probe führte. Durch seine Erläuterungen wurde mir erst bewusst, wie klein das Land eigentlich ist: Es misst in der Länge 470 Kilometer und in der Breite im Zentrum rund 135 Kilometer, im Süden sogar nur 15 Kilometer; damit ist die Fläche Israels etwa so groß wie die von Hessen. Gil Shatsberg kommentierte das augenzwinkernd: „We are a small country, but we make a lot of noise.“

Ich verkostete acht Weine, von deren Charakterstärke ich wiederum sehr angetan war. Wie viele israelische Weingüter kultiviert Recanati überwiegend französischstämmige Rebsorten, die ich ohnehin sehr schätze. Meine Favoriten waren:

Down Under hoch hinaus

2017 The Ned Pinot Grigio und 2012 The Exemplar Viognier
 von MariscoAuch dieses Jahr verbrachte ich überdurchschnittlich viel Zeit am Stand von Marisco aus Marlborough, Neuseeland. Ausführlich probierte ich alle 18 vorgestellten Weine, wie gewohnt charmant und fachkundig kommentiert von Chris Lysley. Auch Brent Marris und sein Team von Marisco setzen auf langes Maische- und Hefelager, und das kommt den Weinen sehr zugute. Meine Favoriten dieser ausschließlich sortenreinen Gewächse waren:

Anhand der Weinnamen ließe sich übrigens die rund 900-jährige Geschichte der Familie nacherzählen, was aber hier zu weit führen würde. Am besten fliegt man dafür einfach mal hin – oder schaut bei Europa-Vertriebsleiter Christian U. Bonfert in Würzburg vorbei!

Ein verrückter Fuchs

Seit dieser ProWein habe ich auch ein ganz neues Land auf meiner Wein-Weltkarte: Uruguay. Der Staat an der südamerikanischen Atlantikküste hatte in den Wochen vor der Messe mit mehreren Pressemitteilungen auf sich aufmerksam gemacht, und dadurch war ich neugierig geworden.

Weinbau existiert in Uruguay seit Mitte des 17. Jahrhunderts, als spanische Siedler die ersten Rebstöcke einführten. Die kommerzielle Weinproduktion begann um 1870: Der französische Winzer Pascual Harriague, der aus dem Baskenland nach Uruguay auswanderte, brachte die Rebsorte Tannat mit und pflanzte auf seinem Weingut La Caballada – in der Nähe von Salto im Nordwesten des Landes – rund 200 Hektar davon an. Damit gilt Tannat als die älteste Rebsorte Uruguays und ist auch heute noch die wichtigste des Landes: Von den rund 10.000 Hektar Rebfläche (zum Vergleich: Deutschland hat gut zehnmal so viel) ist etwa ein Drittel mit Tannat bestockt. Insofern ist Tannat für Uruguay vergleichsweise das, was Malbec für Argentinien und Carmenère für Chile ist.

Die Weinbaugebiete in Uruguay liegen hauptsächlich entlang der beiden Flüsse Río de la Plata und Río Uruguay, die die südliche und westliche Staatsgrenze zu Argentinien bilden; Río Uruguay bedeutet so viel wie „Fluss der bunten Vögel“, und dieser gab dem Land (das offiziell República Oriental del Uruguay, also „Republik östlich des Uruguay“ heißt) seinen Namen. Seit 1992 gibt es fünf Anbaugebiete für Wein, die einfach geografisch bezeichnet werden: das südliche (rund um die Hauptstadt Montevideo in den Departamentos Canelones, San José, Montevideo und Maldonado), das südwestliche (Departamento Colonia), das mittlere (Departamento Río Negro), das nordwestliche (Departamentos Salto und Paysandú) und das nördliche (Departamento Rivera). 60 Prozent der Rebfläche befinden sich im südlichen Gebiet, die restlichen 40 Prozent verteilen sich unzusammenhängend über die anderen Gebiete.

Uruguay liegt auf dem 32. südlichen Breitengrad, auf dem auch die Weinbauregionen Südafrikas und Südaustraliens liegen. Das Klima ist heiß und feucht: im Norden des Landes subtropisch und im Süden gemäßigt-mediterran; am Río de la Plata sind die klimatischen Verhältnisse ähnlich wie in Südfrankreich, der ursprünglichen Heimat des Tannat. Die Landschaft ist im Süden und Südosten flach, in Flussnähe sumpfig; das Zentrum Uruguays ist ein Hochplateau (Tafelland), das Richtung Norden hügeliger wird, wobei die Erhebungen nur bis knapp über 500 Höhenmeter ansteigen.

Tannat gilt als rustikale Rebsorte, die durch dunkle Frucht und Würze sowie ihren namensgebenden sehr hohen Tanningehalt geprägt ist. Auch wenn ihre Weine in Aromatik und Textur durchaus an eine Straßenbaustelle erinnern können, hat diese Traube doch doppelt so viele Antioxidantien wie Cabernet oder Merlot. Die Weine brauchen viel Reifezeit, und die „brutale“ Sorte muss gezähmt werden. Wie das gelingt, erlebte ich bei Dirk Reinicke vom Weingut El Capricho.

2017 Tannat, 2015 Aguará Tannat Special Reserve und 2015 Tannat Reserve von El CaprichoDass ich bei meinem Messebesuch ausgerechnet an einen deutschen Emigranten geriet, war purer Zufall. Reinicke war über 20 Jahre für ein großes deutsches Bankhaus in Lateinamerika tätig und lebte lange in Argentinien. 2010 kaufte er zusammen mit einem Partner eine kleine Bodega in Uruguay: sieben Hektar Rebfläche in der Nähe von Durazno im Zentrum des Landes. Seine Frau erklärte ihn ob dieses Vorhabens für verrückt – und weil „capricho“ im Spanischen soviel wie Laune, Marotte oder verrückte Idee bedeutet, war damit der Name des Weinguts geboren.

Der Betrieb arbeitet nachhaltig und naturnah. Aufgrund der Namensähnlichkeit zur Figur „Reineke Fuchs“ im Versepos von Goethe ließ Dirk Reinicke die Etiketten seiner Weine von einer uruguayischen Malerin mit Fuchs-Motiven gestalten. Was ich bei ihm probierte, war sehr überzeugend:

Verpflegung und Abendgestaltung

Abgesehen vom kulinarischen Auftakt im Weinhaus Tante Anna war natürlich auch die Verpflegung während der Messetage und an den Abenden relevant.

Sehr empfehlenswert waren tagsüber zum einen die „Organic Lounge“, die die Bioverbände Ecovin, Demeter und Bioland gemeinsam in Halle 13 eingerichtet hatten, sowie zum anderen das Catering von Gruber’s Restaurant in der Österreich-Halle 17. Am Messe-Sonntag verbrachte ich wieder einen sehr angenehmen Abend im Restaurant Kitzbühler Stuben in Lörick.

Blick durch ein Weinglas auf das Logo des "Sommelier-Union Apero"Am Messe-Montag gab es gegenüber den vergangenen Jahren eine Änderung. Hier hatte bisher immer die traditionelle Party der Sommelier-Union stattgefunden, doch diesmal hatte sich der Verband ein neues Konzept überlegt: Unmittelbar im Anschluss an die Messe fand im „Street Food Park“ in der Halle 18 ein „Apero“ statt – Getränke von Champagner bis Sake, Essen und Musik in lockerer Atmosphäre und mit zeitlicher Begrenzung. Dieses Angebot fand eine breite positive Resonanz und wurde gleich beim ersten Mal zu einem würdigen und sehr ansprechenden Branchentreffpunkt. Ich hoffe sehr, dass dieses Konzept zukunftsfähig sein wird. 

Zahlen – Daten – Fakten

Laut der Abschluss-Pressemitteilung der Messegesellschaft waren auf der ProWein dieses Jahr 6.870 Aussteller aus 64 Nationen vertreten – eine weitere Steigerung gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl der Besucher lag der Mitteilung zufolge bei über 60.000 Weinprofis, die aus 133 Ländern angereist waren, was wiederum einen neuen Rekord darstellte. Bei allem Verständnis dafür, dass die Messe Düsseldorf offenbar die Zahlen zur ProWein jedes Jahr steigern muss, erscheint mir die kommunizierte Besucherzahl doch als sehr hoch. Sowohl nach meinem eigenen Empfinden als auch nach dem Eindruck sämtlicher meiner Gesprächspartner war in diesem Jahr weniger los als 2017. Dann hätten sich die Besucher zeitlich und räumlich so verteilt, dass ihre abermals größere Menge nicht auffiel. Das schließe ich auch gar nicht aus und empfinde es sogar als angenehm, doch zumindest aus Aussteller- und Gästesicht kann eine Messe auch dann erfolgreich sein, wenn ihre Besucherzahl nicht jedes Jahr wächst. Denn die Aussteller, mit denen ich sprach, waren sich auch alle darin einig, dass die Qualität der Gespräche in diesem Jahr besonders gut gewesen sei.

Die nächste ProWein findet vom 17. bis 19. März 2019 in Düsseldorf statt. Seien wir gespannt!