PDF

Vier Tage war Marcos Eguren in Deutschland unterwegs. Ich hatte die Ehre, den berühmten Önologen von Viñedos y Bodegas Sierra Cantabria für zwei Stunden exklusiv zu treffen, und zusammen mit Jérôme Lejeune, dessen Agentur Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. die Weingüter der Familie Eguren in Deutschland repräsentiert, verkosteten wir neun Weine, deren Entwicklung ich anschließend über eine Woche verfolgen konnte.

Das Unternehmen

Carsten M. Stammen und Marcos Eguren während der WeinprobeViñedos y Bodegas Sierra Cantabria – benannt nach dem Gebirgszug in Nordspanien – vereint fünf Weinlinien unter einem Dach, vier davon in der D.O.Ca. Rioja und eine in der D.O. Toro. Insgesamt umfasst das Unternehmen 40 einzelne Weingüter und bewirtschaftet mehr als 160 Hektar Rebfläche. Verarbeitet werden ausschließlich Trauben aus eigenen Weinbergen. Die wichtigsten Rebsorten sind Tempranillo, Viura, Malvasia Riojana, Garnacha Blanca, Garnacha Tinta und Graciano.

Die Weinbaugeschichte der Familie Eguren reicht zurück bis ins 19. Jahrhundert. 1870 gründete Guillermo Eguren in San Vicente de la Sonsierra den Stammsitz des Hauses, und heute ist mit Marcos und seinem Bruder Miguel die vierte Generation für das Unternehmen verantwortlich: Marcos als Önologe und Betriebsleiter, Miguel als Geschäftsführer. Die Gewächse wie auch ihre Erzeuger wurden im Laufe der Jahre vielfach von internationalen Weinführern und -medien ausgezeichnet.

Die Weinlinien und Herkünfte

Dominio de Eguren ist die Marke der IGP-Weine von Viñedos y Bodegas Sierra Cantabria. Wichtiger – jedenfalls für mich – jedoch sind die Gewächse mit DO-Status:

Sierra Cantabria, D.O.Ca. Rioja

Carsten M. Stammen und Marcos Eguren während der WeinprobeDie Rebflächen erstrecken sich vom Flussufer des Ebro bis zur Sierra Cantabria und liegen im Gebiet Sonsierra Riojana, das zur Subzone Rioja Alta gehört, sowie zu einem kleinen Teil in der Subzone Rioja Alavesa. Die Weinberge sind im Norden durch das Gebirge vor kühlen Winden geschützt und nach Süden und Südosten ausgerichtet. Sie sind terrassenförmig angeordnet und reichen bis auf 650 Meter Höhe hinauf. Das Klima ist von atlantischen, mediterranen und kontinentalen Einflüssen geprägt, die kargen Böden bestehen vornehmlich aus Ton und Kalk. Hauptsächlich wird Tempranillo angebaut, dazu kommen Graciano und Garnacha Tinta als rote sowie Viura, Malvasia und Garnacha Blanca als weiße Sorten.

Viñedos Sierra Cantabria, D.O.Ca. Rioja

Diese Linie steht für Gewächse aus einigen besonders hochwertigen Weinberge in der Sonsierra Riojana (La Veguilla, El Bosque, Los Terreros und Jarrarte) und in der Rioja Alavesa (La Llana). Dazu zählen der El Bosque und der Amancio, den wir verkosteten. Die geschützte Lage, die Bodenstruktur, extreme Ertragsbegrenzung, Handlese und penible Selektion der Trauben begründen die Qualität dieser Spitzenweine.

Señorio de San Vicente, D.O.Ca. Rioja

Dieses Weingut in San Vicente de la Sonsierra erzeugt lediglich einen einzigen Wein – aus den Trauben einer einzigen Rebsorte und eines einzigen Weinbergs. Die 18 Hektar große Lage La Canova ist die höchstgelegene in San Vicente de la Sonsierra: ein nach Süden ausgerichteter, stark abfallender Hang der Sierra Cantabria, durch das Gebirge vor kalten Nordwinden geschützt. Hier steht ausschließlich die Rebsorte Tempranillo Peludo, ein spezieller, autochthoner Klon dieses Gebiets. Die über 30 Jahre alten Rebstöcke wachsen auf kalkhaltigem, leicht alkalischem und eisenhaltigem Lehmboden mit einem ausgewogenen Anteil an organischer Materie; das Klima ist atlantisch geprägt, zeigt jedoch auch kontinentale Einflüsse, so dass die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht während der Reifeperiode sehr groß sind. Der Wein namens San Vicente reift in neuen Barriquefässern, die zu 90 Prozent aus französischem und zu zehn Prozent aus amerikanischem Eichenholz bestehen.

Viñedos de Páganos, D.O.Ca. Rioja

Marcos Eguren und Carsten M. Stammen mit einer Karte der Weinberge von Sierra CantabriaDie 600 Meter hoch gelegenen Weinberge liegen am Fuße der Sierra Canaria in der Rioja Alavesa und sind gleichfalls durch das Gebirge vor kalten Nordwinden geschützt. Maßgeblich sind die Weine aus den Spitzenlagen El Puntido und La Nieta, die auch deren Namen tragen. El Puntido ist 25 Hektar groß und ausschließlich mit Tempranillo bestockt; die Rebstöcke sind über 40 Jahre alt. Der mineralische Boden besteht aus kalkhaltigem Lehm und reinem Ton mit einem Untergrund aus Sandsteinfels; das Klima ist atlantisch geprägt mit kontinentalen Einflüssen. La Nieta umfasst 1,75 Hektar und besteht aus reinem Ton. Hier wächst ebenfalls ausschließlich Tempranillo, die Rebstöcke sind durchschnittlich 30 Jahre alt. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Weinen besteht abgesehen vom Terroir darin, dass der El Puntido in Edelstahltanks und der La Nieta in neuen Eichenholzfässern vergärt.

Teso La Monja, D.O. Toro

In der D.O. Toro erzeugt das Weingut Teso La Monja fünf Weine: Romanico, Almiren, Victorino, Alabaster und Teso La Monja. Sie bestehen alle ausschließlich aus Tinta de Toro (wie der Tempranillo in dieser Region genannt wird), die Reben sind zwischen 50 und 130 Jahre alt. Die Weinberge sind nach Norden ausgerichtet, was eine längere Vegetationszeit ermöglicht, und bestehen aus Lehm mit Kalkadern im Untergrund und Kies an der Oberfläche. Das Klima ist warm und trocken, so dass die Trauben voll ausreifen.

Die Philosophie und die Arbeitsweise

Viñedos y Bodegas Sierra Cantabria arbeitet biodynamisch – allerdings ohne zertifiziert zu sein – und produziert gemäß Selbstdarstellung „Weine, die lange Zeit überdauern, die Frucht, Kraft und Struktur mit Eleganz, Frische und Subtilität vereinen“. Der Boden, das Terroir ist in der Philosophie des Unternehmens sehr wichtig. Marcos fasste das in die Worte: „Wein entsteht in der Erde, nicht im Weingut.“ Seinen Ausdruck verdanke der Wein der Rebe und dem Weinberg, nicht dem Keller; „Gleichgewicht“ war ein Schlüsselwort, das Marcos in unserem Gespräch oft verwendete. Daher habe das Unternehmen mit seiner Struktur gewissermaßen das Terroir in einzelne Weingüter gefasst – gipfelnd im Extremfall Señorio de San Vicente.

Gläser und Weinflaschen auf dem TischDie Weine vergären ausschließlich mit eigenen Hefen, und im Keller wird möglichst wenig in den Prozess der Weinwerdung eingegriffen: Man wolle nicht ständig „etwas machen“ und den Wein in seiner Entwicklung „nicht stören“, erklärte Marcos. Die in den Kalkfels unter der Bodega geschlagenen Kellerräume und -gänge eigneten sich perfekt für die Weinbereitung und -lagerung, denn sie hätten eine konstante Temperatur von zehn bis zwölf Grad, eine hohe Luftfeuchtigkeit und eine spezifische mikrobiologische Flora.

Abgesehen von biodynamischem Anbau und minimaler Intervention im Keller haben die Weine von Viñedos y Bodegas Sierra Cantabria die Besonderheit, dass sie sehr wenig geschwefelt werden: Sie erhalten nur 35 bis 40 Milligramm Schwefel pro Liter (zum Vergleich: der gesetzlich zulässige Höchstwert für biologisch erzeugte Rotweine liegt zwischen 100 und 170 Gramm pro Liter). Alle diese Faktoren sorgen Marcos zufolge dafür, dass die Weine „Leben, Identität, Geist, Gefühl und Reinheit“ haben.

Marcos’ Verständnis von Wein wird in den folgenden Aussagen besonders deutlich: „Ein Wein hat nur eine Aufgabe: den, der ihn trinkt, zu erfreuen – und zwar wann immer er getrunken wird.“ Insofern sei ein Wein wie ein Kind, das in jedem Alter, in jedem Lebensabschnitt, in jeder Situation Freude schenke. Genau wie ein Kind, das verschiedene Entwicklungsphasen durchlaufe, brauche auch ein Wein Zeit – im Keller, im Fass und in der Flasche ebenso wie im Glas, denn: „Wenn man einen Wein karaffiert, verpasst man etwas von seiner Entwicklung“, so Marcos.

Mit dieser gedanklichen Vorbereitung verkosteten wir dann, wie gesagt, neun Rotweine verschiedener Linien, und vier davon probierte ich später zu Hause über einen Zeitraum von mehr als einer Woche nach. Und sie entwickelten sich prächtig!

Sierra Cantabria Reserva D.O.Ca. Rioja 2011Die Weine

Sierra Cantabria Reserva D.O.Ca. Rioja 2011

Reinsortiger Tempranillo von über 30 Jahre alten Reben, Trauben entrappt, 18 Monate in Holzfässern gereift (zu jeweils 50 Prozent aus französischer und amerikanischer Eiche gefertigt, 20 Prozent Erstbelegung und 80 Prozent Zweit- oder Drittbelegung).

Sierra Cantabria Única Reserva D.O.Ca. Rioja 2013

Sierra Cantabria Única Reserva D.O.Ca. Rioja 201397 Prozent Tempranillo mit drei Prozent Graciano von über 30 Jahre alten Reben aus Lagen in San Vicente de la Sonsierra, Trauben entrappt, 24 Monate in Holzfässern gereift (zu 60 Prozent aus französischer und zu 40 Prozent aus amerikanischer Eiche gefertigt, 30 Prozent Erstbelegung und 70 Prozent Zweit- oder Drittbelegung).

Nach zwei Tagen hat er sich gestrafft, bleibt sich aber treu:

Sierra Cantabria Colección Privada D.O.Ca. Rioja 2015

Sierra Cantabria Colección Privada D.O.Ca. Rioja 2015Reinsortiger Tempranillo von über 50 Jahre alten Reben aus den Lagen Valgrande und Jarrarte in San Vicente de la Sonsierra (460 bis 480 Meter hoch gelegen), Trauben entrappt, 18 Monate in Holzfässern gereift (zu jeweils 50 Prozent aus französischer und amerikanischer Eiche gefertigt).

San Vicente D.O.Ca. Rioja 2014

San Vicente D.O.Ca. Rioja 2014Ein Weingut, ein Weinberg, eine Rebsorte, ein Klon, ein Wein: Reinsortiger Tempranillo Peludo von über 30 Jahre alten Reben aus der Lage La Canoca (kalkhaltiger Lehmboden, hohe Pflanzdichte, geringer Ertrag), Trauben entrappt, 20 Monate in Holzfässern gereift (zu 90 Prozent aus französischer und zu zehn Prozent aus amerikanischer Eiche gefertigt, ausschließlich Erstbelegung).

Nach drei Tagen präsentiert er sich weicher und merklich entwickelt, aber nicht weniger präzise:

El Puntido D.O.Ca. Rioja 2014

Reinsortiger Tempranillo von über 40 Jahre alten Reben aus der Lage El Puntido (600 Meter hoch gelegen, kalkhaltiger Lehmboden mit tiefem, sandig-felsigem Untergrund, hohe Pflanzdichte, geringer Ertrag), Trauben entrappt, 16 Monate in Holzfässern aus französischer Eiche gereift (ausschließlich Erstbelegung).

La Nieta D.O.Ca. Rioja 2015

La Nieta D.O.Ca. Rioja 2015Reinsortiger Tempranillo von über 40 Jahre alten Reben aus der Lage La Nieta (kalkhaltiger Lehm- und reiner Tonboden mit tiefem, sandig-felsigem Untergrund, hohe Pflanzdichte, geringer Ertrag), Trauben von Hand entrappt und sehr gründlich selektiert, Kaltmazeration, Vergärung in 1000-Liter-Eichenholzfässern, zweimal täglich mit Füßen gestampft, 18 Monate in Holzfässern aus französischer Eiche gereift (ausschließlich Erstbelegung).

Nach drei Tagen hat er sich noch nicht wesentlich weiter geöffnet:

Nach sieben Tagen ist er vollständig aufgeblüht und präsentiert sich charaktervoll und unwiderstehlich:

Amancio D.O.Ca. Rioja 2014

Amancio D.O.Ca. Rioja 2014Reinsortiger Tempranillo von über 40 Jahre alten Reben aus der Lage La Veguilla (kalkhaltiger Lehmboden mit kleinen, runden Kalksteinen an der Oberfläche, hohe Pflanzdichte, geringer Ertrag), Trauben von Hand entrappt und sehr gründlich selektiert, Kaltmazeration, Vergärung in 500-Liter-Eichenholzfässern, zweimal täglich mit Füßen gestampft, 24 Monate in Holzfässern aus französischer Eiche gereift (ausschließlich Erstbelegung).

Nach drei Tagen ist er einfach atemberaubend und wird zu einem der besten Weine, die ich jemals im Glas hatte:

Auch nach acht Tagen bietet er noch einmal alles auf, was er hat; eine weitere Steigerung ist indessen nicht zu verzeichnen:

Almirez D.O. Toro 2015Sogar nach zehn Tagen zeigt er weiterhin Tiefe, Festigkeit und Feinheit, aber an das Format drei Tage nach dem Öffnen der Flasche kommt er nie wieder heran; auch Größe hält nicht ewig – umso schöner und wertvoller, wenn man den richtigen Moment erwischt.

Almirez D.O. Toro 2015

Reinsortiger Tinta de Toro (Tempranillo) von 15 bis 65 Jahre alten Reben aus Lagen in Valdefinjas und Toro (750 bis 800 Meter hoch gelegen), Trauben entrappt, zwölf Monate in Holzfässern aus französischer Eiche gereift (30 Prozent Erstbelegung und 70 Prozent Zweitbelegung).

Victorino D.O. Toro 2015

Victorino D.O. Toro 2015Reinsortiger Tinta de Toro (Tempranillo) von 45 bis über 100 Jahre alten Reben aus Lagen in Valdefinjas, Toro und Villabuena del Puente (750 bis 900 Meter hoch gelegen), Trauben entrappt, während der Gärung dreimal täglich mit Füßen gestampft, 18 Monate in Holzfässern aus französischer Eiche gereift (ausschließlich Erstbelegung).

Zusammenfassend waren meine Favoriten der Probe:

  1. Amancio 2014
  2. La Nieta 2015
  3. San Vicente 2014
  4. Victorino 2015
  5. Sierra Cantabria Única Reserva 2013

Ich danke Marcos und Jérôme für die Gelegenheit, diese großartigen Gewächse probieren zu dürfen, und für einen ebenso unterhaltsamen wie informativen Abend.

Fotos 1-4: Jérôme Lejeune