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Eine Freude und Ehre war es, dass Champagne Gosset mich über seine deutsche Kommunikationsagentur ff.k Public Relations zu einem Champagner-Dinner ins Frankfurter Gourmetrestaurant Lafleur einlud. Das Protokoll eines Abends auf denkwürdig hohem kulinarischem Niveau.

Theater, Autor, Regie und Ensemble

Menükarte beim Champagner-Dinner von Gosset im Frankfurter Restaurant "Lafleur"Das älteste Champagnerhaus mit Sitz in der Champagne wurde vertreten durch den Kellermeister und stellvertretenden Geschäftsführer Odilon de Varine und Exportdirektor Wilfred Schuman. Bereits 1584 produzierte der Winzer und Magistratsbeamte Pierre Gosset in Aÿ Weine aus selbst angebauten Trauben und handelte mit ihnen. Das Jahr der historischen Urkunde, die das dokumentiert, gilt damit als Gründungsjahr des Champagnerhauses Gosset. Das Unternehmen besitzt keine eigenen Weinberge und arbeitet mit rund 200 Vertragswinzern zusammen; die Trauben kommen von etwa 200 Hektar Rebfläche.

Lafleur-Souschef Tobias Schmitt und sein Team bereiteten zu ausgewählten Champagnern von Gosset ein exzellentes Fünf-Gänge-Menü zu, und unter der Moderation von Sommelière und Champagner-Botschafterin Yvonne Heistermann durften rund 20 Gäste – professionelle Weinschreiber, -dozenten, -fachhändler und Gastronomen – drei stimmungsvolle und sensorisch erfüllende Stunden genießen.

Für mich war es das erste Mal, dass ich zu einem Menü ausschließlich Champagner getrunken habe – auch wenn ich schon lange von vielen Seiten immer wieder gehört hatte, welch gelungene Essensbegleiter Champagner sein können. Nach der Erfahrung dieses Gosset-Dinners kann ich das absolut bestätigen. Weinjournalist Fabian Lange, der am Tisch neben mir saß, formulierte das Geheimnis dahingehend, dass der Champagner aufgrund seiner Kohlensäure eine besonders „dynamische“ Verbindung mit dem Gericht eingehe. Der Stil von Gosset kommt dem möglicherweise zusätzlich entgegen: Yvonne Heistermann beschrieb ihn als „lebendig“ und „mineralisch“ und hob hervor, dass Gosset grundsätzlich auf biologischen Säureabbau verzichte.

Prolog

Gosset Champagne Grand Rosé brut Zum Empfang und Aperitif wurde der Grand Rosé brut ausgeschenkt: klar, kühl und geradlinig mit Noten von Beeren und Kirschen – angenehm fruchtbetont und balanciert, eine sehr vielversprechende Einstimmung. Der Champagner besteht aus 50 Prozent Chardonnay und 42 Prozent Pinot Noir mit einer Zugabe von acht Prozent Rotwein aus Pinot Noir; vor dem Degorgieren reifte er mindestens drei Jahre im Keller, die Dosage liegt bei acht Gramm pro Liter.

1. Akt: Großes Orchester

Der erste Gang war ein kunstvolles Arrangement von roh mariniertem Kaisergranat, Imperial-Kaviar, Burrata-Krustentier-Eis, Gurke, Piemonteser Haselnuss und Zitrone.

Dazu kam der Grand Millésime 2006 brut ins Glas: im Duft gelbe Früchte, Getreide, Nüsse und getrocknete Blüten, im Mund weich, animierend und rund mit Aromen von Pfirsichen, gelben Äpfeln und Nüssen (Krokant), später auch Anklängen an Blaubeeren und Blüten, ausgewogen und nachhaltig mit feiner Perlage, feiner Säure, Tiefe und Länge. Der Champagner besteht aus 44 Prozent Chardonnay und 56 Prozent Pinot Noir, reifte acht Jahre im Keller und hat eine Dosage von sechs Gramm pro Liter.

Das Zusammenspiel zwischen der Vorspeise und diesem Champagner war geradezu überwältigend – für mich so etwas wie die kulinarische Übersetzung von Bruckners 7. Sinfonie. Für das sehr komplexe und filigrane Gericht schuf der Champagner zuerst einen mineralischen Grundakkord und spann dann feine Fäden zu allen Komponenten (salzig, süßlich, nussig, herb), nahm diese in sich auf und präsentierte sie schließlich strahlend, verstärkt und völlig rein auf einer Bühne, die er jeweils in Sekundenbruchteilen ebenfalls selbst errichtete. So etwas habe ich kaum je erlebt. Der Geschmackseindruck dieser Verbindung war sehr tiefgehend und klang nahezu ewig nach – welch ein Auftakt!

2. Akt: Springbrunnen

Gosset Champagne Grande Réserve brutDer zweite Gang war ein Filet vom Angelkabeljau mit Olivenkruste, Espelette-Buttersauce, Aubergine, marinierter Zucchini, Olive und Jahrgangs-Anchovis.

Als Begleiter war der Grande Réserve brut ausgesucht worden: in der Nase Limetten, Melisse, Zitronengras, grüne Äpfel, Kressekeimlinge und etwas Rauch, im Mund feinsaftig und geradlinig mit Aromen von Äpfeln und Zitrusfrüchten, pflanzlichen und salzig-mineralischen Noten, frischer Säure, zartem Schmelz, feiner, lebendiger Perlage und sehr gutem Abgang. Dieser Champagner besteht aus jeweils 45 Prozent Chardonnay und Pinot Noir sowie zehn Prozent Pinot Meunier; vor dem Degorgieren reifte er mindestens drei Jahre im Keller, die Dosage liegt bei acht Gramm pro Liter.

Angesichts des pikanten und opulenten Charakters dieses ersten Zwischengangs war ich sehr gespannt, wie der Champagner damit umgehen würde. Er löste die Aufgabe auf überraschende und sehr gelungene Weise: Er legte sich unter die Aromatik des Gerichts, zerfloss zu einer wachsartigen Einheit (in der Textur, nicht im Geschmack) und setzte dann mit intensivierter Säure einen delikaten Frischeakzent – das alles noch nicht einmal besonders subtil, sondern ähnlich wie ein Springbrunnen, in jedem Fall sehr stimmig. Davon war ich fasziniert und konnte mir ein amüsiertes, anerkennendes Lächeln nicht verkneifen. 

3. Akt: Kristallisation

Gosset Champagne Grand Blanc de Blancs brutDer dritte Gang bestand aus Artischockenravioli in Trüffelschaum mit Spitzkohlröllchen und Bete.

Dazu gab es den Grand Blanc de Blancs brut: in der Nase kompakt mit Noten von Blüten, weißen Früchten und Zitrusfrüchten, im Mund ausgewogen und frisch mit Aromen von Zitrusfrüchten, Äpfeln und etwas Karambole, zarter pflanzlicher Würze, frischer Säure, lebendiger Perlage, kreidiger Mineralität und gutem bis sehr gutem, festem Abgang. Der Champagner besteht – logischerweise – zu 100 Prozent aus Chardonnay, reifte vor dem Degorgieren mindestens drei Jahre im Keller und hat eine Dosage von acht Gramm pro Liter.

Dieser zweite Zwischengang war geprägt von erdigen, vegetabilen und pilzigen Aromen, der Champagner bildete dazu einen reizvollen Gegenpart: Er kristallisierte gewissermaßen, setzte sich selbst auf null und überließ dem Gericht die geschmackliche Führung – wie ein Pianist, der einen Sänger begleitet und dabei auch zu improvisieren versteht; der Gesang (hier: die Speise) steht im Vordergrund, aber erst die Begleitung (hier: der Champagner) macht das Genusserlebnis komplett.

4. Akt: Monolith

Gosset Champagne Grand Blanc de Noirs extra brutAls vierter Gang wurde Rehrücken aus hessischer Jagd mit Brioche-Rapssamenkruste, Ravioli von Bio-Gänseleber, Essigpflaumensauce, Gewürzkarotte, Sellerie, Steinpilz und Umeboshi serviert.

Der Champagner dazu war ein historisches Unikat: der Grand Blanc de Noirs extra brut, der goldgelb mit kupferfarbenen Reflexen im Glas funkelte. Hier wurden Pinot-Noir-Trauben (100 Prozent) mit Chardonnay-Hefen vergoren – ein einmaliges Experiment, das, wie Odile de Varine betonte, nicht wiederholt werden wird. Diesen Umstand bedauerte die gesamte Tischgesellschaft, denn dieser Champagner, der vor dem Degorgieren mindestens neun Jahre im Keller reifte und eine Dosage von fünf Gramm pro Liter hat, war ein monumentales sensorisches Erlebnis: in der Nase weinig und opulent mit Noten von Pflaumen, roten Beeren und Mirabellen, zart kräuterigen und nussigen Tönen sowie Anklängen an Zitrusfrüchte und Cassis; im Mund straff, kraftvoll und tief mit Aromen von eingemachten dunklen Beeren, Kräutern und später auch Zitrusfrüchten, feiner Perlage, frischer, lebendiger Säure, Nachhaltigkeit und Länge.

Er durfte zunächst eine Rehessenz mit Wachtelei und Reh-Leberknödel begleiten und trat dazu weltmännisch und großherzig auf. Zum Hauptgang selbst konzentrierte er sich dann auf seine Frucht und entfaltete eine feste, beerige Kraft, in deren Fundament eine feine herbe Würze eingebettet war. Champagner zu Wild? Die Herausforderung meisterte dieser hier souverän – eine kongeniale Verbindung, denn der Grand Blanc de Noirs brut ist im besten Sinne seriös: ernsthaft, ohne schwer zu sein; ein Champagner „mit Brokat“, wie es neben mir am Tisch treffend hieß.

5. Akt: Schaumteppich

Gosset Champagne Petite Douceur Rosé extra dryDer fünfte Gang bestand aus Allerlei von Beeren, Crème Crue mit Holunderblüte, Mürbteigcrumble und Sauerklee-Pistazien-Eis.

Ins Glas kam dazu der Petite Douceur Rosé extra dry: abricot- bis kupferfarben, im Duft Orangen, rote Früchte und Blüten, im Mund sehr lebendige Perlage, Aromen von Orangen, Himbeeren und Zimt, zarte Würze, harmonische Säure und ordentlicher Abgang. Der Champagner besteht aus 60 Prozent Chardonnay und 33 Prozent Pinot Noir mit einer Zugabe von sieben Prozent Rotwein aus Pinot Noir; vor dem Degorgieren reifte er mindestens drei Jahre im Keller, die Dosage liegt bei 17 Gramm pro Liter.

Um es diplomatisch auszudrücken: Diesen Champagner habe ich nicht verstanden. Er wirkte auf mich – mit Verlaub – ziemlich plump, und ich empfand die Kohlensäure als laut und dominant, um nicht zu sagen ordinär; dem so komplexen, verspielten und animierenden Dessert ließ sie keine Chance. Dieser Champagner entsprach nicht ansatzweise der Eleganz der anderen Gewächse und bekennt sich meiner Ansicht nach nicht zu seiner Herkunft. Das war für mich leider ein erheblicher Einbruch in der Dramaturgie des Abends.

Epilog

Gosset Champagne 15 ans de cave a minima brutDoch die „Versöhnung“ ließ nicht lange auf sich warten: Während zum Abschluss des Menüs Petits Fours aufgetragen wurden, stellte das Lafleur-Serviceteam drei weitere Gosset-Champagner zum Verkosten bereit.

Der 15 ans de cave a minima brut war ein wahrer Schatz: in der Nase leicht oxidativ mit Noten von Getreide, Nüssen, Mispeln, Bratäpfeln, Kornblumen und Anis, im Mund tief und sehr fein mit Aromen von Zitrusfrüchten, später auch Mirabellen und Quitten, nussiger Würze, frischer Säure, sehr feiner, moderater Perlage und mineralischem Nerv, präsent und druckvoll, feinsaftig und lang. Die Cuvée aus 60 Prozent Chardonnay und 40 Prozent Pinot Noir wurde 1999 (!) mit einer Dosage von sieben Gramm pro Liter gefüllt und reifte seitdem in den Kellern von Gosset. Ein Stück Geschichte, einzigartig und bewegend – an diesem Abend aus der Karaffe ausgeschenkt.

Der Célébris Vintage 2004 extra brut war nach dem Grand Blanc de Noirs brut und vor dem Grand Millésime 2006 brut mein zweiter Favorit des Abends: im Duft getrocknete Feigen, Nüsse, feine Kräuter und Zitrusfrüchte, im Mund straff und mineralisch mit Aromen von Zitrusfrüchten, Birnen und getrockneten Blüten, frischer Säure, lebendiger Perlage und feinem Schmelz, frisch und animierend, tief, nachhaltig und rund mit langem, sehr wohlklingendem Nachhall. Dieser Champagner besteht aus 55 Prozent Chardonnay und 45 Prozent Pinot Noir, reifte vor dem Degorgieren mindestens zehn Jahre im Keller und hat eine Dosage von fünf Gramm pro Liter.

Der Célébris Vintage 2007 Rosé extra brut erwies sich schließlich als der würzigste Champagner des Abends: im Duft Nüsse, Kreuzkümmel, Kakao, etwas Kräuter und rote Beeren, im Mund Aromen von gelben und roten Früchten, erdig-mineralische Töne, präsente Säure, moderate Perlage und guter Abgang. Er besteht aus 59 Prozent Chardonnay und 34 Prozent Pinot Noir mit einer Zugabe von sieben Prozent Rotwein aus Pinot Noir; vor dem Degorgieren reifte er mindestens sechs Jahre im Keller, die Dosage liegt bei fünf Gramm pro Liter.

Eintrag ins Gästebuch

Gosset versteht sich selbst als der „Gastronomie-Champagner“, der nicht nur als Aperitif, sondern explizit auch als Speisenbegleiter eingesetzt werden will. Diesem Anspruch ist das Haus an diesem Abend im Lafleur mit Bravour gerecht geworden; von diesem Ansatz bin ich nun überzeugt. Ich danke Champagne Gosset und ff.k Public Relations für die Einladung und dem Team des Zwei-Sterne-Restaurants für das außergewöhnliche kulinarische Vergnügen, das ich erleben durfte.