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Ich fühlte mich geehrt, als mich Dirk Würtz vom Weingut Balthasar Ress zu „einer ganz besonderen VDP-Veranstaltung in Hattenheim“ einlud: Am 28. Januar fand in der wineBANK zum zweiten Mal „DAS FEST“ statt – die komprimierteste und stimmungsvollste Verkostung Rheingauer Spitzenweine, die man sich vorstellen kann, eingebettet in eine große Party mit Essen und Musik.

Überregionaler Branchentreff

Eingang der wineBANK in GattenheimPräsentiert wurden die beiden jüngsten Großen Gewächse (GG), ausgewählte Sekte sowie reifere und edelsüße Spezialitäten von 21 Rheingauer VDP-Weingütern: Künstler, Diefenhardt, Jost, Weil, Baron Knyphausen, von Oetinger, Jung, Ress, Barth, Prinz, Spreitzer, Kühn, Schönleber, Wegeler, Schloss Vollrads, Allendorf, Johannishof, Schloss Johannisberg, Mumm, Leitz und Kesseler. Dementsprechend stand der Abend, abgesehen von einer knappen Handvoll Spätburgunder, ganz im Zeichen des Rieslings.

Die nahezu 100 geladenen Gäste waren handverlesen und ausnahmslos vom Fach: Sommeliers, Gastronomen, Weinhändler, -berater, -dozenten und -blogger, größtenteils aus dem Rhein-Main-Gebiet, aber auch aus dem Raum Köln/Bonn, dem Ruhrgebiet, dem Städtedreieck München-Augsburg-Nürnberg und sogar aus der Schweiz. So traf ich unter anderem Harry H. Hochheimer (Wein- und Gastronomieberatung), Claudia Stern (ehemals Restaurant „Vintage“), Peer F. Holm (Wein & Wissen), Christin Jordan und Lars Dalgaard (Dalgaard & Jordan), Nicola Neumann (Weininseln, Champagne Characters), Christin Baumeister (WeinErleben), Marcus Hofschuster (Wein-Plus), „Direttore“ Philipp Erik Breitenfeld (La Gazzetta del Vino), Joachim A.J. Kaiser (Vinositas), Thorsten Kogge (Weinwisser), Yves Beck (Weinwisser), Boris Maskow (Sparkling Online) und Klaus Kneib (WeinWerk).

High-End-Broschüre als Leitfaden

Broschüre "DAS FEST"Schon von Anfang an zeichnete sich „DAS FEST“ durch perfekte Organisation aus: Zusammen mit der Einladung wurde eine hochprofessionelle, fast 30-seitige Broschüre im PDF-Format übersandt, die vor Ort dann in gedruckter Form verteilt wurde. In einem leidenschaftlich formulierten Vorwort der „FEST“-Veranstalter wird darin kurz die Entwicklung der Weinregion Rheingau in den letzten Jahren skizziert, und die drei Schlüsselsätze sind wohl die folgenden: „Mit dem Jahrgang 2012 haben wir beschlossen, uns an die Klassifikation des Bundes-VDP anzupassen und anstelle der bisherigen ‚Ersten Gewächse‘ ebenfalls ‚VDP.GROSSE GEWÄCHSE’ zu produzieren. Diesen, für uns sehr großen, Einschnitt haben wir genutzt, um alles zu hinterfragen und auf den Prüfstand zu stellen. Herausgekommen ist eine fantastische Dynamik und eine neue Form des kollegialen Miteinanders, die im Wesentlichen auf einem permanenten Austausch beruht.“

Riesling Rüdesheim Berg Schlossberg GG 2014, Gunter KünstlerNach einem knappen Überblick über Zahlen und Daten zum Weinbau im Rheingau werden dann die „Mitstreiter“ (die Personen hinter den 21 mitwirkenden VDP-Betrieben) kurz vorgestellt. Deutlich ausführlicher sind danach die Porträts der 26 Rheingauer GG-Lagen – mit Informationen über Namen, Geschichte, Geologie, Exposition und Mikroklima sowie einer historischen Karte zur geographischen Orientierung. Ein solches Kompendium habe ich sonst noch nirgendwo gesehen; das ist für jeden Weinprofi von großem Wert – denn am Rheingau kommt man in der Weinwelt nicht vorbei.

GG-Probe, Flying Dinner und Musik

Nach diesen theoretischen Hintergrundinformationen wird die Broschüre dann zum unmittelbaren Führer durch den Veranstaltungsablauf: 27 GGs des Jahrgangs 2013 und 29 GGs des Jahrgangs 2014 sind – nach Lagen in Flussrichtung angeordnet – aufgelistet, und genau so waren die Weine auch auf einem langen, von beiden Seiten zugänglichen Tisch in der wineBANK aufgebaut. Hinzu kamen noch fünf Jahrgangs-Winzersekte (von 2009 bis 2013). Zwei Stunden hatten die Gäste Zeit, um alle Weine durchzuverkosten und sich dabei untereinander und mit den anwesenden Winzern auszutauschen. Schon währenddessen machte ein DJ (sehr gute) Musik.

Riesling Hattenheim Hassel Brut 2011, BarthIm Anschluss an die Fachverkostung hielt Gastgeber Christian Ress eine launige Begrüßungsrede, und damit begann der gesellige Teil des Abends, in dessen Verlauf die Musik allmählich (und unmerklich) immer mehr in den Vordergrund rückte. Gabi Würtz und ihr ausgesprochen freundliches und zuvorkommendes Catering-Team servierten ein sechsgängiges Flying Dinner – und das setzte Maßstäbe. Die Gerichte waren von erstklassiger Qualität, die Größe der Portionen mehr als ordentlich, und der aufmerksame, liebenswürdige und professionelle Service war stets präsent. Noch in keinem Hotel und bei keiner anderen Veranstaltung habe ich ein Flying-Dinner-Konzept erlebt, das so gut funktioniert hat. Mein großes Kompliment!

Weinbar und Partystimmung

Weinbar in der wineBANK mit zwei Dekantierkaraffen und einer MagnumflascheBegleitet wurde das fliegende Abendessen von zwei „Weingängen“: Zur Selbstbedienung standen in zwei aufeinanderfolgenden Arrangements jeweils 21 gereifte Gewächse bereit – zum einen überwiegend trockene Große und Erste Gewächse aus den Jahrgängen 2009 bis 2012 und zum anderen überwiegend rest- und edelsüße Weine aus den Jahrgängen 1992 bis 2009. So konnte jeder nach Herzenslust probieren und trinken, was er wollte, und eine solche Auswahl gibt es sicher auf keiner zweiten Rheingau-Weinveranstaltung.

Ich habe auch noch nie erlebt, dass sich der Übergang von einer konzentrierten Weinprobe über das (auf die Hand bzw. an Stehtischen servierte) Abendessen zur ausgelassenen Party so organisch vollzogen hätte. Das ist sowohl der Location und der Atmosphäre als auch dem Veranstaltungskonzept und vor allem der gelungenen Musik-Regie des DJs zu verdanken. Einige Gäste, die bereits an der „FEST“-Premiere im vergangenen Jahr teilgenommen hatten, meinten zwar, damals sei die Stimmung noch lebhafter gewesen, doch ich war vom diesjährigen Event hellauf begeistert. Wo sonst kann man so entspannt und genussreich über 100 hochwertige Weine degustieren und sogar trinken, die einen Querschnitt durch sämtliche Premiumlagen, Qualitätsstufen und sage und schreibe 22 Jahre Rheingau zeichnen? Insofern meinen herzlichen Dank an die „FEST“-Organisatoren und -Gastgeber!

Resultate meiner Verkostung

Riesling St. Nikolaus GG 2013, Peter Jakob KühnIch verkostete sämtliche Riesling GGs beider präsentierter Jahrgänge und notierte mir meine Favoriten. Dabei stachen einige Weine und Produzenten besonders heraus:

Über allem schwebten – wieder einmal – die Weine von Peter Jakob Kühn: der Riesling Doosberg GG 2013 und besonders der Riesling St. Nikolaus GG 2013. Mit ihrer Dichte, Tiefe und Komplexität und ihrer dabei unwiderstehlich animierenden Art stellten sie eine ganz eigene Dimension dar.

Besonders subtil waren die Weine von Achim von Oetinger: der Riesling Marcobrunn GG 2013 und der Riesling Marcobrunn GG 2014. Beeindruckt war ich auch von den beiden brillanten Jungfern von Fred Prinz: dem Riesling Jungfer GG 2013 und dem Riesling Jungfer GG 2014. Als besonders fein und saftig erwiesen sich der Riesling Silberlack GG 2013 und der Riesling Silberlack GG 2014 von Schloss Johannisberg, und mit der Qualität fast aller vorgestellten Weine aus verschiedenen Lagen (Riesling Hölle GG 2013, Riesling Rottland GG 2013 und 2014) fiel mir darüber hinaus ein Weingut auf, das ich bisher offenbar viel zu wenig beachtet habe: der Johannishof von Johannes Eser.

Riesling Jungfer GG 2014, Fred PrinzWeitere hervorhebenswerte Weine sind:

Der würdevolle Abschluss der offiziellen Verkostung war der kraftvolle, elegante und geschliffene Riesling Berg Schlossberg GG 2014 von Gunter Künstler. Bei den Sekten lagen Norbert und Mark Barth mit dem Hattenheim Hassel Brut 2011 (aus der Magnumflasche) und dem Primus Brut 2009 um Längen vorn.

Gereifte Höhepunkte

Riesling Mittelheim St. Nikolaus GG 2005, Peter Jakob KühnZum Essen und danach probierte ich den Riesling Rüdesheim Berg Schlossberg GG 2012 von Wegeler, den Riesling Hochheim Hölle Erstes Gewächs 2009 von Künstler (überragend), den Riesling Erbach Hohenrain Erstes Gewächs 2011 von Jung sowie den Riesling Erbach Hohenrain Erstes Gewächs 2011 und den Riesling Erbach Hohenrain Erstes Gewächs 2009 von von Oetinger, die sich beide durch ihre Straffheit, Frische und Kompaktheit auszeichneten. Zur geschmorten Rinderbacke mit Süßkartoffel und Petersilienwurzel passte exzellent der Riesling Hattenheim Nussbrunnen Auslese 1992 von Ress.

Riesling Rüdesheim Berg Schlossberg TBA 2005, G.H. von MummDie beiden nachhaltigsten und eindrucksvollsten Weine des Abends stammten aus dem Jahr 2005: der vielschichtige, lebendige und bezwingende Riesling Oestrich St. Nikolaus 2005 von Peter Jakob Kühn und der unfassbar konzentrierte, in sich ruhende Riesling Rüdesheim Berg Rottland Trockenbeerenauslese 2005 von Mumm, der zum lauwarmen Schokoladenkuchen-Parfait geradezu eine Offenbarung war.