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Sie ist und bleibt die schönste Weinmesse, die ich kenne: Vom 4. bis 6. Juni 2016 fand im einzigartigen Ambiente der Wiener Hofburg wieder die VieVinum statt. Laut Veranstalter kamen an den drei Tagen etwas mehr als 15.000 internationale Besucher nach Wien, und wie immer war die Stimmung angenehm entspannt – zumal im Vergleich zur hektischen ProWein.

Saal in der Wiener Hofburg bei der VieVinum 2016Rund 550 Aussteller präsentierten in den festlichen Sälen des ehemaligen Kaiserpalasts Weine aus sämtlichen Regionen Österreichs, aber auch aus Südtirol und anderen Gebieten Italiens, aus Frankreich sowie aus Ost- und Südosteuropa (genannt „New Europe“), Portugal und Übersee. Aus Deutschland waren 15 Mitglieder des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) als Gastwinzer vertreten, die Gewächse aus Württemberg, Baden, Rheinhessen, dem Rheingau sowie von der Mosel und der Nahe anboten. 

Verkostungseindrücke

Broschüren der Weingüter Wieninger und Hajszan-NeumannIch nutzte die Vormittage jeweils, um Gespräche mit Winzern zu führen, und begann mit der Verkostung erst am frühen Nachmittag. Diese brachte neben dem Wiedersehen mit alten Bekannten eine Reihe von neuen Kontakten und Entdeckungen; meine wesentlichen Erkenntnisse fasse ich nachfolgend zusammen:

In der Wachau wird das rechte Donauufer erheblich unterschätzt; bei mehreren Betrieben – etwa Eder – probierte ich sehr ansprechende Qualitäten. Am linken Flussufer gefiel mir von Gritsch Mauritiushof die stimmige Lagencuvée Grüner Veltliner Kirchpoint 2015 besonders gut.

Grundsätzlich ist der Rotweinjahrgang 2013 in Österreich als sehr gut zu beurteilen. Bei den Burgundermachern in der Thermenregion probierte ich Pinot Noir und Sankt Laurent und lernte dabei auch die individuellen Stile der Winzer kennen; die Weine von Johann Gisperg und Leopold Auer fielen mir dabei besonders positiv auf.

TBA 2004, Gloriette 2013 und TBA 2001 von TinhofIn der Steiermark entdeckte ich Weine von drei Betrieben, die ich bislang noch nicht gekannt hatte: die blitzsauberen, sortentypischen Weißen von Skringer, die ausdrucksstarken Schilcher von Langmann vlg. Lex und den süffigen, erfrischenden Sauvignon Blanc 2015 von Schilhan.

Bei Thomas Leithner im Kamptal zeigten sich der Grüne Veltliner X und der Riesling X des Jahrgangs 2009 jetzt in sehr guter Verfassung, und das engagierte Vater-und-Sohn-Gespann Leithner hatte auch zwei Orange Wines aus Rotem und Grünem Veltliner mitgebracht. Deren zweite, kräftigere Variante wird auch zur nächsten VieVinum 2018 noch nicht fertig ausgebaut sein.

Drei Weinflaschen vom Weingut SkringerIm Kremstal fand ich wieder einmal Toni Zöhrer und Urban Stagård besonders überzeugend: von Zöhrer vor allem den geradlinigen, würzigen Grünen Veltliner Impuls 2015 sowie auch den Grünen Veltliner Urknall und den Riesling Urknall des Jahrgangs 2015. Von den Stagård-Weinen mit ihrem geradlinigen, kühlen Stil begeisterten mich vor allem der kraftvolle Riesling Steinzeug 2015 und der feine Riesling 501 2015 sowie auch der opulente Riesling Steiner Kögl 2015 und der Riesling Braunsdorfer 2015 mit zehn Prozent Ganztraubenanteil.

Bei Pfaffl im Weinviertel gefiel mir aus dem Jahrgang 2015 der Grüne Veltliner Haidviertel zum gegenwärtigen Zeitpunkt besser als der Grüne Veltliner Zeiseneck. Erstaunlich gut entwickelt im Sinne von zugänglich sind bereits jetzt der Grüne Veltliner Hommage und der Riesling Passion des Jahrgangs 2015. Ein besonderes Erlebnis war der Grüne Veltliner Goldjoch 2010 aus der Magnumflasche.

Neuburger auf der Maische 2015 von SchönbergerEindrucksvoll war die Komplettverkostung bei Wieninger und Hajszan-Neumann in Wien, wo Marketing- und Vertriebsleiter Georg Grohs mit großem Fachwissen und ebensolchem Unterhaltungswert das gesamte Sortiment vorstellte. Nach dem spritzigen Gelben Muskateller 2015 konnte ich die sowohl bei Veltliner als auch bei Riesling die Terroir-Unterschiede zwischen Bisamberg und Nussberg erleben, und nach Wieningers mächtigem Chardonnay Tribute 2013 konnten schließlich – vor den Rotweinen – nur noch die unter Hajszan-Neumann-Flagge segelnden Orange Wines folgen. Ein durchaus breites, dennoch wohl differenziertes Sortiment auf ausgesprochen hohem Qualitätsniveau!

Im Burgenland probierte ich bei Georg Preisinger den sehr gelungenen neuen Sekt Himmel voller Sterne Brut Nature und war wiederum äußerst angetan von zwei Orange Wines: dem Weißer Schiefer m 2012 von Uwe Schiefer und dem Neuburger auf der Maische 2015 von Schönberger. Die Weine von Dieter Herist beeindruckten mit ihrer ganz eigenen Stilistik – ruhig und gleichzeitig mit innerer Spannung.

Flaschenkorken vom Weingut JbNErwin Tinhof ließ mich eine Zeitreise über ein gutes Vierteljahrhundert unternehmen: Der Neuburger und der Weißburgunder des Jahrgangs 2015 sind phänomenal, die Rotweine des Jahrgangs 2013 zeigen beste Anlagen, und die weitere Verkostung zog sich vom Fuchsenriegl 2002 (dem Vorgänger des Leithaberg Weiß) über den unglaublich eleganten Blaufränkisch 1989 (Erwins „Jahrgang 0“) bis zur extrem konzentrierten Weißburgunder Trockenbeerenauslese 2001 und zur sinnlich berührenden Trockenbeerenauslese 2004 aus Weißburgunder und Welschriesling.

Eine Neuentdeckung im Burgenland war für mich das Weingut JbN. Die exportfreundliche Abkürzung steht für Franz Jägersberger aus Neudörfl, der im positiven Sinne verrückt ist: Er produziert ausschließlich Weine aus getrockneten Trauben, die er in sehr aufwändigen Verfahren und mit speziellen Hefen herstellt. Die Ergebnisse (Rosolo Bianco 2011, Rosolo Senza Rancor 2009, Rosolo Babbino Caro 2010, Rosolo Babbino Caro 2009 und Rosalito 2010) sind von hohen Alkohol-, Restzucker- und Säurewerten geprägt – und dabei sehr harmonisch, komplex und völlig eigenständig.

Gastronomische Sternstunden

An den Messeabenden gab es natürlich auch noch kulinarisches Programm:

Antika Tramín 2014 von NestarecAm Samstag war ich Teil einer geselligen Runde von jungen Fachleuten aus Weinbau, -vermarktung und -beratung, die sich im „Kussmaul“ (Spittelberggasse 12, 7. Bezirk) einfand. Wir hatten ein viergängiges Menü, zu dem wir einerseits selbst Weine aus der Karte aussuchten und andererseits auch von Sommelier Thomas Jurantisch Weinempfehlungen blind eingeschenkt bekamen. Zu den Begleitern des Abends zählten der Blanc de Noirs von Champagne Fleury, der Rully Blanc 2010 von Vincent Dureuil-Janthial, der Granit 30 Cornas 2009 von Vincent Paris, der Roc d’Anglade Rouge 2008 von der gleichnamigen Domaine und der 7 Crus von Champagne Agrapart. Besonders faszinierend war der Antika Tramín 2014 von Milan Nestarec, zu dem ich notierte: „Ich liebe meinen Beruf. Roter Traminer aus Mähren, drei Wochen offen auf der Maische vergoren, Jahrgang 2014. Wermut, Darjeeling-Tee, frittierter Thymian, getrocknete Limetten; tief, dicht, lang.“

Blick vom Restaurant Am Sonntag ließ ein Besuch im „Das Loft“ im Hotel Sofitel (Praterstraße 1, 2. Bezirk) die Gourmet- und Weinfreak-Herzen höher schlagen. Unsere sympathische, hedonistische Tischgesellschaft bestand aus Gastgeber Erwin Tinhof und Lukas Plöckinger vom Weingut Tinhof, Frank John vom Hirschhorner Weinkontor, Michael Jetter von Rebhof Weine, Rahel Leugger von Südhang, Claudia Stern von Sterns und Christin Baumeister von Weinerleben. An diesem Abend waren auch zahlreiche weitere österreichische und deutsche Winzer und Weinexperten in Restaurant und Bar zu Gast, und da unser Tisch recht prominent in der Nähe des Eingangs stand, kamen ständig Bekannte und Kollegen zu uns, um den einen oder die andere zu begrüßen. Zu dem fünfgängigen Überraschungsmenü, das wir mit dem unvergleichlichen Blick über die Stadt und das Wetterspektakel am Himmel genossen, hatte Sommelier Steve Breitzke – nach Champagne Rosé von Gosset zum Aperitif – die korrespondierenden Weine aus der wahrhaft imposanten Karte ausgewählt und servierte uns diese in Karaffen, ohne dass wir die geringste Ahnung hatten, worum es sich handelte. Das beflügelte natürlich das Tischgespräch erheblich, und trotz fachlich begründeter Mutmaßungen und leidenschaftlicher Diskussionen gelang es uns nur in zwei Fällen, die Identität der Weine zumindest auf Rebsorte, Alter und grobe Herkunft einzugrenzen; in mehreren Fällen lagen wir mit unseren Vermutungen komplett daneben. Die so kredenzten Gewächse waren: Zöbinger Heiligenstein Riesling Spätlese 2013 von Jurtschitsch (von uns einhellig in Deutschland verortet), Clos des Carmes Monopole Brézé Saumur 2011 von Romain Guiberteau (auf Chenin Blanc wären wir nie gekommen, vielleicht auch wegen des Barrique-Ausbaus), Rully Maizières 2010 von Vincent Dureuil-Janthial (zufällig fast der gleiche Burgunder wie am Abend zuvor – die Ähnlichkeit war auch erkennbar), Les Pouyeux Saumur-Champigny 2011 von Clos Rougeard (durchaus eindeutig als Cabernet Franc zu identifizieren, und dann liegt die Loire als Herkunft nahe), Felsen II 2011 von Christian Tschida (österreichischer Syrah – wieder ein genialer Schachzug) und Uroulat Jurançon 2011 von Charles Hours (niemals zu erraten). Mein bereits auf Facebook veröffentlichtes Lob gebe ich an dieser Stelle gern nochmals wieder: „Danke, Steve Breitzke! Lange nicht (oder noch nie?) so gekonnt und nonchalant aufs Glatteis geführt worden. Perfekte Weinauswahl zum gelungenen, durchaus ambitionierten Menü und viel Gesprächsstoff. Grandioser Abend im ‚Das Loft‘, wo sich – nachweislich – zur VieVinum die Weinwelt trifft.“

Ab Ericio 2011 und Ried Kart 2011 von IglerZwei weitere Abende in meiner Wien-Woche verbrachte ich im „Gasthaus Wild“ (Radetzkyplatz 1, 3. Bezirk), wo es Chardonnay Reserve 2012 von Alphart, Wiener Gemischten Satz DAC 2015 von Christ, Blaufränkisch Saybritz Eisenberg DAC Reserve 2012 von Kopfensteiner, Ab Ericio 2011 von Igler und Cabernet Sauvignon Ried Kart 2011 von Igler gab. Meine Notizen dazu: „Der Gemischte Satz ist authentisch, saftig und eine Freude zu trinken. Der Ab Ericio ist einfach ein Traum. Der Ried Kart ist kühl, dicht und macht sogar zu zweierlei Schokomousse (Vollmilch und Weiß) eine erstaunlich gute Figur: Er entwickelt Noten von Bitterschokolade, die vorher nicht da waren, absorbiert die Süße des Desserts und fügt ihm (passende) Kräuternoten hinzu.“ Den Abschluss bildete jeweils der Muskateller Grand Classic 2015 von Lieleg („Bilderbuch-Muskateller aus der Südsteiermark“).

Naturwein-Tag

Auf der VieVinum hatte Wein & Co in einer Sonderpräsentation (mit sehr guten Erklärungen) das Thema Naturweine positioniert. Ich widmete den biodynamisch erzeugten, maischevergorenen, in Amphoren ausgebauten, unfiltrierten, ungeschönten und/oder ungeschwefelten Weinen nach der Messe meinerseits einen guten halben Tag in mehreren einschlägigen Weinhandlungen.

Jakot 2011 und Rebula 2011 von KlinecDie erste Station war das „Vinonudo“ (Westbahnstraße 30, 7. Bezirk), wo Dominik Portune in seinem puristisch-modern eingerichteten Ladenlokal handverlesene Naturweine aus Italien, Spanien, Slowenien und Österreich anbietet. Mit Dominik sprach ich über die Vermarktung von Nischenweinen, und wir stellten fest: Im Grunde ist es verwunderlich, dass die Erzeuger biodynamischer und naturbelassener Weine in der Erklärungs- und Rechtfertigungsposition sind, wo diese doch viel eher die Produzenten konventioneller Weine mit chemischer Weinbergsbehandlung und dem Einsatz diverser Kellermaßnahmen und Zusätze betreffen müsste. Worum geht es dabei? Um Lobbyismus. Verkostet habe ich bei Dominik unter anderem den Villa de Mandan Jakot 2011 und den noch kräftigeren Villa de Mandan Rebula 2011 von Klinec sowie den fruchtbetonten Vino Rosso Leggero 2015 von Pranzegg und den fantastischen Grünen Veltliner Weißer Berg 2009 von Jörg Bretz.

Rosso Viola Lambrusco 2013 von SaettiDas „Vinifero“ (Gumpendorfer Straße 36, 6. Bezirk) ist ein Pop-up-Weinladen, der noch noch bis Dezember dieses Jahres in einem ehemaligen Beisl logiert. Enrico Bachechi, promovierter italienischer Önologe und Ampelograph, offeriert hier in urigem Ambiente Naturweine aus Italien und Spanien. Ich probierte unter anderem den Sauvignon Blanc Anfora 2014 von Vinos Ambíz aus Kastilien-León (sehr herb – Hardcore-Orange!), den Odyssea Bianco 2014 von Macchion dei Lupi aus der Toskana (100% Ansonica – Tabak, sehr harmonisch, lang), den Vigna al Mare Cabernet 2012 von I Mandorli aus der Toskana (70% Cabernet Sauvignon, 30% Cabernet Franc – geschliffen, kompakt), den Langhe Nebbiolo 2012 von Cascina Corte aus dem Piemont (dunkel, würzig) und den Rosso Viola Lambrusco 2013 von Saetti aus der Emilia-Romagna (ganz außergewöhnlich: feinwürzig, Kirschen, Blaubeeren, Rhabarber, saftig, geradlinig).

Altesse 2011 von GiachinoDie „Weinhandlung Rudolf Polifka & Fils“ (Reindorfgasse 22, 15. Bezirk) wird von Dietmar Müller geführt, der hauptberuflich Lehrer ist und eine Vorliebe für Weine aus Savoyen und Südwestfrankreich hat. Jede Woche Donnerstag und Freitag von 16 bis 22 Uhr werden zu einem bestimmten Thema – das Müller zuvor in seinem unbedingt lesenswerten Blog eloquent vorstellt – Weine glasweise ausgeschenkt, so dass der Laden – der in einem ehemaligen Strickgeschäft beheimatet ist – zu einer unkonventionellen Weinbar wird. Nach dem erfrischenden Hegoxuri Irouléguy AOP 2014 von Arretxea mit Zitrusfrucht und feiner, leicht herber Würze wählte ich den Altesse Roussette de Savoie AOP 2011 von der Domaine Giachino und notierte beseelt: „Faszinierende autochthone Rebsorte aus Savoyen, äußerst animierender Wein: Lindenblüten, Haselnüsse, reife Mirabellen und Quitten, sehr saftig und geradlinig mit feiner, frischer Säure und zart würzigem, mineralischem Abgang. Trinkfluss ohne Ende!“

Roter Traminer Freyheit 2012 von G&H HeinrichDen Abschluss dieses genussreichen Tages wie auch meines gesamten Wien-Aufenthalts verkörperte beim Abendessen im Restaurant „Zum Friedensrichter“ (Obere Donaustraße 57, 2. Bezirk) dann einer der besten und eindrucksvollsten Orange Wines, die ich bisher je getrunken habe: der Rote Traminer Freyheit 2012 von G&H Heinrich, karaffiert: „Komplex, tief und sehr fein, Blüten, Mandarinen, Orangen, Bergamotten, reife Aprikosen, Minze, mit Luft auch Zimt, Nelken, Lavendel und Mandelmilch; unantastbar und zugleich zeigefreudig und zutraulich, kraft- und gehaltvoll mit viel Griff und langem, ruhigem Abgang.“ Auf gut Wienerisch lautet das Urteil zu diesem Wein: „Dea foahrt da ins Gebälk!“