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Nachdem uns die erste Runde beim Essener „Restaurant-Karussell“ im Herbst vergangenen Jahres im Restaurant Gummersbach in Borbeck so begeistert hatte, kehrten wir in diesem Frühjahr (präzise: am Samstag des Osterwochenendes) wieder dort ein und verlebten erneut einen höchst genussreichen, wohltuend entschleunigten Abend.

Ecktisch im Restaurant GummersbachAuch diesmal konnten wir zwischen vier und fünf Gängen mit Weinbegleitung zum Sonderpreis – das ist das Konzept des „Restaurant-Karussells“ – wählen und hatten uns nicht zuletzt wegen des angebotenen Menüs und der dazu empfohlenen Weine wieder für das Gummersbach entschieden. Grundsätzliches zum Restaurant lässt sich in meinem ersten Bericht nachlesen, und in der liebevollen Obhut von Klaus Gummersbach und seinen beiden Servicekolleginnen fühlten wir uns wiederum ausgesprochen wohl, während wir Helene Gummersbachs raffinierte Kreationen genossen. Die Weinauswahl des Patrons erwies sich dabei ein weiteres Mal als stimmig und originell.

Zum Aperitif wurde wiederum Geldermann Carte Blanche (Chenin-Blanc-Sekt) offeriert, diesmal mit Blutorange verfeinert. Dazu gab es als „Gruß aus der Küche“ eine sämige Kartoffelsuppe, die mit Curry pikant abgeschmeckt war – ein ähnlich anregender Auftakt wie bei unserem ersten Besuch.

Das Menü

1. Gang:
Wirsing-Roulade mit Champignon-Duxelles, Walnüssen, Honig und Safran

Der 2014 San Benedetto Lugana DOC von Zenato (Venetien, Italien) präsentierte sich fein floral, zart würzig und nussig mit einer dezenten Aprikosenfrucht. Am besten  harmonierte er mit den Walnüssen und dem Safran im Gericht.

2. Gang:
Suppe von der Roscoff-Zwiebel mit süßer Sahne und Gruyère-Croûton

Der 2014 Grüner Veltliner Selection Weinviertel DAC von Pfaffl (Weinviertel, Österreich) war herrlich saftig mit Aromen von reifem Kernobst und pfeffriger Würze. Zusammen mit der fein süßlich-würzigen, sahnigen Zwiebel-Creme-Suppe gewann er noch deutlich an Straffheit und wusste auch den kräftigen Käse bestens zu integrieren.

Schnapsglas mit Obstbrand3. Gang:
Lottefilet mit Beurre Rouge und Beurre Blanc, Paprika-Julienne und Tagliarini

Der 2013 Garnacha Roble von Príncipe de Viana (Navarra, Spanien) wurde – das war der Clou – gekühlt serviert und entfaltete dunkle Aromen von Kirschen, Brombeeren, schwarzem Pfeffer und getrockneten Kräutern. Ich hatte beim Lesen des Menüs erwartet, dass die Beurre Rouge das Bindeglied zum Rotwein wäre. Das stimmte jedoch nur teilweise: In erster Linie stellte die Paprika-Julienne die Verbindung her. Der Fisch war im übrigen so fest und saftig, dass auch ihm der Rotwein als Begleiter angemessen war.

4. Gang:
Rücken vom Ibérico-Schwein mit Mango-Chili-Sauce, grünem Spargel, Zuckerschoten und Kartoffelgratin

Angenehm weich mit Aromen von reifen Beeren und Gewürzen schmeichelte der 2012 La Réserve Cairanne Côtes-du-Rhône-Villages DOC von Camille Cayron (Rhône, Frankreich) dem Gaumen und begleitete souverän alle Komponenten des abwechslungsreichen Gerichts: vom gebratenen (!) Gemüse über das Kartoffelgratin und das Fleisch bis zur fruchtigen Mangosauce, der nur ein buchstäblicher Hauch Chili eine subtile scharfe Note verlieh. Klaus Gummersbach meinte beim Servieren: „Côtes-du-Rhône wird erheblich unterschätzt.“ Mag sein – von mir sicherlich nicht!

5. Gang:
Schokolade küsst Blutorange

Hinter dieser amourösen Liaison verbargen sich Mousse im einen und Sorbet im anderen Fall, und der Ferreira Ruby Port von Sogrape Vinhos (Douro, Portugal) passte mit seinen Aromen von teilweise angetrockneten Beeren und der an Tabak erinnernden Würze meinem Empfinden nach zur leicht herb-süßlichen Blutorange noch besser als zur Schokolade – am besten allerdings zu den Pistaziensplittern, die das Sorbet dekorierten.

„Lecker“ oder nicht?

Fenstertische im Restaurant GummersbachIm späteren Verlauf des Abends kam auch Helene Gummersbach aus der Küche und ging an jeden Tisch, wobei sie als Lob von den Gästen durchweg die Aussage „lecker“ bzw. „sehr lecker“ erhielt. Dass und warum ich mit diesem Attribut auf Kriegsfuß stehe, habe ich in verschiedenen Blogbeiträgen erörtert (am ausführlichsten in „Auf der Spur“ im Mai letzten Jahres). So erschien mir dieser Begriff auch hier als Beleg für die Einfallslosigkeit und Undifferenziertheit der Menschen. Ins Nachdenken kam ich jedoch, als auch die Köchin selbst im Gespräch mit uns – wir interessierten uns besonders für die Roscoff-Zwiebel, die nach Auskunft
von Helene Gummersbach aus der Bretagne kommt und auch bei einem Händler auf dem Rüttenscheider Markt erhältlich ist – Zutaten und Gerichte als „lecker“ bezeichnete.

Ich habe – das lässt sich nicht bestreiten – einen unheilbaren Spleen, was „lecker“ betrifft. Dieser Begriff hat für mich inzwischen offenbar auch in seinem angestammten, originären Bedeutungskontext keinen Inhalt mehr, ich kann ihn nicht ernst nehmen, und er ist für mich Ausdruck grenzenloser Banalität – anstatt ein wohlwollendes subjektives Kompliment, das jedermann außer mir (und vielleicht einer kleinen Gruppe ebenso beruflich verdorbener Fachidioten) versteht und positiv aufnimmt. Wie gesehen, gehen ja auch Köche (und Winzer), also die Schöpfer kulinarischer Genüsse, ganz selbstverständlich damit um, verwenden und akzeptieren ihn als wertige und wertschätzende Aussage.

Ich bin davon überzeugt, dass ich weiterhin Weine niemals als „lecker“ bezeichnen werde – aber an meinem Verständnis des Begriffs sollte ich wohl arbeiten, auch wenn er mir als jemandem, der professionell Weine verkostet, bewertet und beschreibt, als fachliches Urteil inadäquat erscheint.

Von „Zimmer frei“ bis Vernissage

Tablett mit Schnapsgläsern auf dem RestauranttischKlaus Gummersbach erwies uns die besondere Freude und Ehre, sich danach noch zu uns an den Tisch zu setzen und etwas mit uns zu plaudern. Er erzählte von der Fernsehsendung „Zimmer frei“ mit Jan Böhmermann zu Gast bei Götz Alsmann und Christine Westermann, deren Aufzeichnung er vor wenigen Tagen miterlebt hatte, und kündigte an, dass die seit Jahren im Restaurant hängenden Bilder von Omar Alt (Dauerleihgaben) im April Werken von James Rizzi Platz machen würden, die ein befreundeter Kunstkenner aus München zur Verfügung stelle. Dazu sei am 2. April eine Vernissage mit anschließendem Drei-Gänge-Menü geplant.

Zum Abschluss kam er auch wieder mit dem legendären silbernen Tablett mit dem Sammelsurium an kleinen Schnapsgläsern und schenkte den Obstbrand aus Äpfeln, Birnen und Pflaumen aus. Wir danken abermals für die wundervolle Gastfreundschaft und freuen uns auf den nächsten Besuch!