PDF

Auslöser für diesen Artikel war ein Gespräch mit Burgenland-Winzer Erwin Tinhof. Es ging um internationale Rebsorten und speziell um Chardonnay. Tinhof selbst baut ausschließlich österreichische Sorten an (und erzeugt daraus exzellente Weine), und er führte den Begriff „Chardonnitis“ ins Feld, um die weltweit hohe Nachfrage nach Chardonnay-Weinen zu charakterisieren. 

Besonders aus der Neuen Welt (Nord- und Südamerika, Südafrika, Australien und Neuseeland) kommen seit vielen Jahren Weine zu uns, die holzbetont und kräftig sind und sich in dieser Ausprägung großer Beliebtheit erfreuen. Inzwischen gibt es jedoch eine Gegenbewegung zu diesen schweren, breiten Erzeugnissen: Mit der Formel „ABC – Anything But Chardonnay“ wird der Ruf nach fruchtbetonten, leichten Weinen lauter.

Davon unbeeinflusst ist die Nachfrage nach den Weißweinen aus Burgund, die zu den besten der Welt gehören und – ausschließlich aus Chardonnay gekeltert und im Holz ausgebaut werden. Die Verbraucher wissen das aber größtenteils nicht, weil es nicht (oder nur selten) auf dem Etikett steht. Ebenso wenig ist den meisten Konsumenten bekannt, dass Chardonnay eine der Rebsorten ist, die für die Champagner-Herstellung verwendet werden (dürfen). Zweifellos ist Chardonnay also in der Lage, hochwertige Weine und Schaumweine hervorzubringen.

Chardonnay: Vielfalt und Renommee

In allen Punkten stimmte ich mit Winzer Tinhof überein, und diese Überlegungen waren Grund genug, mich einmal gezielt mit der Traube zu befassen. Tatsächlich ist Chardonnay eine der am meisten angebauten Rebsorten weltweit: 175.000 Hektar sind international mit ihm bepflanzt, davon rund ein Viertel in Kalifornien, ein weiteres Viertel in Frankreich (90 Prozent davon allein im Burgund und in der Champagne) sowie über 18 Prozent in Australien (Zahlen laut Wikipedia für 2007). In Deutschland macht Chardonnay gut ein Prozent der Rebfläche aus; größte Anbauregionen sind die Pfalz, Rheinhessen und Baden (Zahlen laut DWI für 2008). Ihren Namen hat die Rebe wahrscheinlich von einer kleinen burgundischen Gemeinde, die Chardonnay heißt.

Chardonnay ist eine natürliche Kreuzung aus Pinot Noir (Spätburgunder) und Gouais Blanc (Weißer Heunisch). Er gilt als Edelrebe und gedeiht besonders gut auf tiefgründigen, kalkhaltigen, warmen Böden. Der Chardonnay ist eng verwandt mit dem Weißburgunder und zeigt diese Ähnlichkeit mitunter auch in der Aromatik seiner Weine. Diese können je nach Herkunft und Ausbau ganz unterschiedlich sein: Edelstahl-Chardonnays haben Aromen von Nüssen, gelben Früchten (Birne, Melone) und eine frische Säure. Chardonnay-Weine aus dem Barriquefass sind buttrig und körperreich; sie haben Aromen von Vanille und exotischen Früchten (Mango, Banane) sowie viel Schmelz. Dazwischen gibt es eine Vielzahl von Spielarten. Die Weine sind grundsätzlich eher hoch im Alkohol (13 Volumenprozent und mehr), da die Trauben reif genug sein müssen, um die entsprechenden Aromen auszubilden.

Die Probe aufs Exempel

Um möglichst viele verschiedene Chardonnay-Typen miteinander zu vergleichen, verkostete ich mit einigen vinophilen Freunden zwölf willkürlich ausgewählte Weine unterschiedlicher Herkunft: aus Frankreich, Kalifornien, Australien, Argentinien, Italien und Deutschland. Hier die Probenotizen in der Reihenfolge der Verkostung:

Das Ergebnis

Wir fanden fast alle gängigen Stile von Chardonnay-Weinen wieder und konnten fruchtbetonte Typen (hier aus Rheinhessen, Italien, Kalifornien und Australien) und holzbetonte Typen (hier aus Franken und Argentinien) gut einander gegenüberstellen. Es gab Weine, bei denen grüne Aromen vorherrschten (Franken, Baden, Argentinien 2008), Weine, die von gelben und/oder exotischen Früchten geprägt waren (Rheinhessen, Burgund, Italien, Kalifornien, Argentinien 2007), und Weine, die sich besonders vielschichtig präsentierten (Australien, Champagne).

Die Verwandtschaft zum Weißburgunder offenbarte sich am deutlichsten beim Italiener und beim Rheinhessen. Die Barrique-Stilistik, die ich am ehesten bei den Kaliforniern erwartet hatte, war bei den Argentiniern am stärksten ausgeprägt. Meine persönlichen Favoriten waren der Puligny-Montrachet (94 Punkte) und der Penfolds (92 Punkte).

Nachdem der Australier einen Tag offen war, zeigte er sich übrigens schlanker, das Holz trat stärker hervor, und es dominierten Aromen von Zitrusfrüchten, Vanille und Melone, später auch Apfelkuchen; der Wein hatte eine feine Säure und immer noch einen weichen Schmelz. Aber am Vortag gefiel er mir noch besser. Der Puligny-Montrachet hat den Probentag gar nicht erst überlebt.