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Whisky-Tastings habe ich – im Gegensatz zu Weinproben – bisher nur wenige erlebt. Dabei habe ich zunächst festgestellt, dass Whisky-Freaks vielfach noch spezieller sind als Wein-Enthusiasten. Und dass ich bei Whisky zwar klare Vorlieben, aber nur wenig Fachwissen und Erfahrung habe.

Das änderte sich an einem Freitagabend Ende Mai, an dem acht schottische Single Malts mir neue Horizonte eröffneten. Sechs Whiskyfreunde – einschließlich mir – waren in privatem Kreis zusammengekommen, um einander ausgewählte Destillate vorzustellen und diese gemeinsam zu verkosten. Was mich spontan freute: Fünf der Whiskys stammten von der Insel Islay (die, wie ich lernte, „Aila“ ausgesprochen wird). Von dort kamen die meisten Whiskys, die ich bisher getrunken habe, denn der torfige Stil der Islay-Whiskys hatte mich schon zu Beginn meiner Beschäftigung mit dem Getränk überzeugt.

Die Experten in der Runde – erfahrene Whiskytrinker und passionierte Schottland-Reisende – legten die Reihenfolge des Tastings nach Begutachtung der Flaschen fest. Alle Anwesenden waren sich am Ende einig, dass eine etwas andere Reihenfolge noch besser gewesen wäre, doch das weiß man halt immer erst hinterher, und grundsätzlich passte die Dramaturgie sehr gut. Den Regisseuren des Abends, unserem Gastgeber sowie allen Stiftern sei an dieser Stelle herzlich gedankt.

Wir begannen mit 1994 Old Pulteney Sauternes Wood Finish aus den Highlands, hergestellt in der nördlichsten Brennerei auf dem schottischen Festland. Die Reife in Sauternes-Fässern ließ Honigaromen erwarten, und die stiegen auch sofort in die Nase, dazu Aromen von Dörrpflaumen und kandierter Orange. Ein Armagnac-Typ, weshalb mir der Whisky sehr sympathisch war. Er präsentierte sich weich, rund und harmonisch – nach allgemeiner Ansicht ein perfekter Einstieg für das Tasting. Im Nachhall zeigten sich rauchige Noten und Karamell – und eine schier endlose Länge. Noch eine Stunde später war es ein Genuss, am leeren Glas zu riechen, und der Eindruck am Gaumen war nachhaltig und köstlich.

Dem folgte ein 16 Jahre alter Jura – wie sich herausstellte, der schwächste Whisky in der Reihe, doch per se ein anständiger Tropfen und sehr guter Digestif. Die Mineralität in der Nase ließ an seiner Inselherkunft keinen Zweifel, doch es war schwer, ein klares Aromenprofil zu definieren: rauchig, Holz- und Waldnoten, sogar vegetabile Töne (Gemüse: Sellerie), doch in Summe uniform, eher flach und ziemlich kurz. Das wäre der noch bessere Start gewesen, um sich danach ausschließlich zu steigern.

Der nachfolgende Bowmore Cask Strength (56 Volumenprozent Alkohol) von Islay knüpfte geschmacklich an den Old Pulteney an: Nach den charakteristischen medizinalen Noten (erinnernd an Klosterfrau Melissengeist) mit Salz und Torf in der Nase stellte sich am Gaumen Honig ein, gepaart mit Kräuterwürze von Salbei, Rosmarin und Thymian, sowie Orange – eine äußerst komplexe und reizvolle Kombination. Versehen mit einem Tropfen Wasser, veränderte der Whisky sein Geschmacksbild grundlegend: Rauch- und Speckaromen traten in den Vordergrund, Pfeffer kam hinzu, und insgesamt wurde das Inselgeschöpf salziger und schärfer.

Als weiterer Islay-Vertreter folgte 1997 Bunnahabhain: medizinal (phenolisch, also stechend), grasig, sehr rauchig, fast bitter, mit Tabak und Salz als dominanten Noten. Insgesamt – trotz seiner Herkunft – nicht mein Freund.

Wir bleiben auf der Insel und verkosteten danach den Ardbeg Uigeadail, im Sherryfass gereift (angesichts der Honignoten des Whiskys in der Nase vermuteten wir dabei einen süßen P.X.-Sherry). Der Uigeadail zeigte sich leicht phenolisch, torfig und rauchig – als klassischer Islay. Dazu kamen Noten von Pflaume, getrockneter Aprikose und Orange, die das Fass an seinen neuen Bewohner abgegeben hatte. Ein attraktiver, charakterstarker Tropfen!

Anschließend stand der 25 Jahre alte Macallan Anniversary aus den Highlands zur Probe an: fruchtbetont mit Orange (sehr deutlich), Aprikose und Grapefruit, rauchig sowie mit Aromen von Vanille und Karamell. Wiederum ein runder und gefälliger Festland-Whisky.

Die Offenbarung kam dann mit dem Ardbeg Rollercoaster (wiederum Islay) – wobei vorweg zu bemerken ist, dass wir viel zu wenig Zeit für diesen Ausnahme-Whisky hatten. Er ist ein Blend von Ardbergs aus zehn Jahren und mit Worten schwer zu beschreiben. Dass am Tisch für zehn Sekunden Schweigen herrschte, nachdem alle den ersten Schluck genommen hatten, mag für sich sprechen. „Wenn einem die analytischen Begriffe fehlen, muss man poetisch werden“, sagte ich, nachdem ich zumindest die typischen phenolischen, torfigen und holzig-rauchigen Noten identifiziert hatte. Dieser Whisky ist destillierte Landschaft und Geschichte: voll, tief, ursprünglich und von beispielloser Komplexität. Ein Meilenstein für Islay-Fans!

Zuletzt folgte 10.68 von The Scotch Malt Whisky Society, einem Club, der Einzelfässer kauft und unter eigenem Label abfüllen lässt, wobei die Herkunft verschlüsselt ist. Aus sicherer Quelle wussten wir jedoch, dass es sich um einen Bunnahabhain (also wiederum Islay) handelte. Das zeigten auch die – nach meinem Empfinden für diese Destillerie typischen – grasigen Noten, gepaart mit rauchigen und würzigen Aromen sowie Aprikosen-Marzipan, Pistazien und Tabak.

Das Tasting war insgesamt eine ebenso lehr- wie genussreiche Erfahrung, die insbesondere zweierlei bestätigt hat: erstens meine Vorliebe für Islay-Malts und zweitens meine besondere Affinität zu den Destillaten von Ardberg. Ardberg, Laphroaig und Caol Ila sind von jeher meine Favoriten, doch gerade der – wenngleich kurze – Ausflug in die Highlands hat meine Neugier auf diese Whisky-Typen gesteigert. Also: Fortsetzung folgt...