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„Das Leben ist kurz genug“, schrieb ich eingangs im vorletzten Blogbeitrag. Das wird uns immer wieder vor Augen geführt, wenn Menschen, die wir kennen, schätzen, vielleicht sogar lieben, diese Welt verlassen. Charaktervolle, erstklassige, langlebige Weine sind das Vermächtnis derjenigen, die sie geschaffen haben.

Immer wieder erreichen uns Todesnachrichten von Winzern. Richard Drautz, Bernhard Huber, Wolfgang Hehle, Wolf-Dietrich Salwey, Josef Pöckl, Carl Friedrich Prinz zu Löwenstein, Alois Kracher – nur einige Beispiele der vergangenen Jahre aus dem deutschsprachigen Raum. Viele von ihnen wurden durch Unfall oder Krankheit buchstäblich mitten aus dem Leben gerissen. Der Schmerz bei den Angehörigen ist übergroß, und oft muss zusätzlich zur familiären Trauerarbeit auch noch die Nachfolge im Weingut geregelt werden.

Schnell verbreiten sich solche Nachrichten in den sozialen Netzwerken, wo die Anteilnahme von Freunden, Kollegen, Bekannten, Weggefährten, Geschäftspartnern und Kunden ihren öffentlichen Niederschlag findet. Viele derjenigen, die auf Facebook oder in Foren unterwegs oder die als Blogger aktiv sind, dokumentieren dann, dass sie einen Wein des Verstorbenen zu seinen Ehren öffnen und in seinem Gedenken trinken. Eine schöne Geste, wie ich finde.

Dabei wird sowohl der Mensch, der nun für immer gegangen ist, gewürdigt – man erinnert an Begegnungen mit ihm und hebt sein Wirken, seine Verdienste und seine Erfolge hervor – als auch seine Weine, mit denen er sich gewissermaßen auch schon zu Lebzeiten selbst ein Denkmal gesetzt hat. Denn der Wein ist die Schöpfung des Winzers. Ja, er entsteht im Weinberg, und er kann nur so gut sein, wie die natürlichen Gegebenheiten dies zulassen. Doch der Winzer entscheidet, welchen Entfaltungsrahmen er der Natur bietet und wie er den Wein im Keller behandelt. Insofern trägt ein hochklassiger Wein immer auch den Stil des Winzers in sich, der ihn gekeltert hat, und der Winzer ist – neben Klima- und Bodenverhältnissen – Teil des modernen Terroirbegriffs.

Hier lässt sich durchaus eine Analogie zum Künstler ziehen: Der Winzer ist insofern vergleichbar mit einem Schriftsteller, Maler, Bildhauer, Architekten, Handwerker oder Komponisten – seit dem Zeitalter der Aufzeichnung von Bild und Ton auch mit einem Musiker, Schauspieler oder Filmregisseur. Der Schöpfer lebt in seinen Werken weiter und somit der Winzer in seinen Weinen. Sie sind das Produkt seiner Arbeit und das Zeugnis seines Könnens, und sie bereiten den Weintrinkern dieser Welt auch über sein eigenes Leben hinaus bleibende Genussmomente. Man kann Weine ähnlich plastisch in Erinnerung behalten wie Menschen, und man kann durch einen Wein (gewissermaßen als Medium) eines Menschen – seines Erzeugers – gedenken. Jede Flasche, jeder Schluck ist dann eine Reminiszenz – gleichgültig übrigens, ob der Winzer am Leben oder bereits verstorben ist. Besonders im letzteren Fall hat der Wein jedoch einen ganz besonderen Wert und wird – so viel Pathos muss gestattet sein – zu einer Brücke ins Jenseits, die man voll Dankbarkeit, Ehrfurcht und sinnlicher Erfüllung beschreiten darf.

Auf die Gesundheit und ein langes Leben – und auf die Menschen hinter den Weinen, die uns auch über ihren Tod hinaus noch Freude und Genuss bescheren!