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Eher durch Zufall lagen im Rahmen meines jüngsten Aufenthalts in Wien an einem Tag zwei Verkostungen österreichischer Weine, bei denen es vormittags um den neuen Jahrgang eines Weinguts aus dem Burgenland und nachmittags um gereifte Gewächse verschiedener Produzenten aus mehreren Anbaugebieten ging. So geriet der Tag zur spannenden Zeitreise...

Vormittag: 2014 bis 2012

Im – äußerst empfehlenswerten – Restaurant Kussmaul traf ich Winzer Erwin Tinhof und seinen Neffen Lukas Plöckinger aus Trausdorf, die mir eine Auswahl ihrer aktuellen Weine vorstellten. Teilweise waren diese erst vor Kurzem gefüllt worden, doch was ich verkostete, war wieder einmal ausgesprochen erfreulich: Auch im schwierigen Jahr 2014 hat Tinhof Weißweine abgefüllt, die viel Trinkvergnügen bereiten, und die im Holz ausgebauten, schon etwas gesetzteren Weiß- und Rotweine, die er mitgebracht hatte, zeigen sich jetzt in sehr vielversprechender Form.

Leithaberg DAC Weiß 2013, TinhofBlanc 2014
(etwa zur Hälfte Grüner Veltliner – wie auch der Untertitel des Weins „Grüner Veltliner & Co“ schon anzeigt –, ergänzt um Welschriesling, Weißburgunder und Sauvignon Blanc)
schlank, frisch, leicht, fruchtig (Zitrus, Kernobst), zart würzig, lebendige Säure

Muskat 2014
(70 Prozent Muskat-Ottonel, 30 Prozent Gelber Muskateller – einer meiner persönlichen Favoriten)
Maracuja, Holunder, Grapefruit, Muskat, pflanzlich, floral, frische Säure, saftig leicht, und animierend

Neuburger 2014
Kernobst, floral, zart nussig, leicht vegetabil, unbeschwert, feine Säure, vollmundig, ausgewogen, aber auch fast noch ein wenig unruhig

Leithaberg DAC 2013
(je zur Hälfte Neuburger und Weißburgunder – ebenfalls ein Favorit von mir)
feiner Duft, Kernobst, weißes Karamell, zart röstiges Holz, Schmelz, kühle Mineralik, animierend, nachhaltig, Finesse, Saft, stimmig und in sich geschlossen

Sankt Laurent Feuersteig 2012 und Steinriegel 2012, TinhofWeißburgunder Golden Erd 2013
(wiederum ein Favorit – großer Stoff!)
Tiefe, Kaffee, Karamell, Blüten, gelbe Früchte, extrem feine, zupackende Kalk-Mineralik, viel Schmelz, sehr feine Säure, im Abgang etwas Räucherspeck und dunkle Beeren, dicht, kühl und lang; „bei aller Wucht messerscharf“, resümierte Erwin treffend

Sankt Laurent Feuersteig 2012
(von den Rotweinen jetzt fast am schönsten)
klare, saftige Frucht von Kirschen und Beeren, Gewürze, Unterholz, etwas Laub, erdig, zart schokoladig, geradlinig, geschliffen und nachhaltig, Mineralik, feines Tannin, subtil, elegant; hat sich bereits gefunden

Steinriegel 2012
(85 Prozent Blaufränkisch, ergänzt um Zweigelt und Sankt Laurent)
reife dunkle Beeren, teilweise getrocknete Kräuter, Gewürze, straff, kühl, kompakt, Säurebiss, feinkörniges Tannin, noch ein wenig unstet

Blaufränkisch Rosé 2014, TinhofBlaufränkisch Leithaberg DAC 2012
Eleganz, Tiefe, rote und schwarze Beeren, Kirschen, Kräuter, Vanille, Nougat, Schokolade, ein Hauch weißer Pfeffer, kalkige Mineralik, etwas sandiges Tannin, feiner Säurebiss, Kraft, Schliff, straff, saftig

Blaufränkisch Rosé 2014
frisch, fruchtig, Himbeeren, Kräuter, deutlich Eukalyptus, präsente, feine Säure, schlank, sehr geradlinig; „charaktervoll, aber auch uneingeschränkt mehrheitsfähig“, war ein Kommentar

Nachmittag: 2013 bis 1999

Nachmittags hatte der österreichische Getränke-Großhandel del Fabro zu einer Fachdegustation mit dem Titel „Reif ist Live!“ ins Restaurant Labstelle geladen, die von Master-Sommelier Hendrik Thoma aus Hamburg moderiert wurde. 15 Weine – neun weiße und sechs rote – wurden dem überwiegend aus Gastronomen bestehenden Publikum ausgeschenkt und in fünf Flights gemeinsam kommentiert verkostet.

Meine Favoriten bei den Weißweinen (Abstufung hier mit Sternchen angegeben):

Riesling Smaragd Hochrain 2004, Hirtzberger, Wachau (***)
tief, fein, pflanzlich und kräuterig, Zitrusfrüchte, Kamillenblüten, Kernobst, kompakt, dicht, Schmelz, teilweise kandiertes Steinobst, saftige Frucht, erdige Mineralik, Karamell, feine Säure, Griff, Länge

Weißburgunder Grassnitzberg 2002, Tement, Steiermark (**)
Tiefe, Zitrusfrüchte, Kernobst, zart kräuterig, floral, schlank, elegant, Schmelz, kühl, Mineralik, feine Säure, viel Saft

Riesling Wechselberg 1999, Topf, Kamptal (*)
Petrol, fein gereift, feine gelbe Frucht, etwas nussig, Karamell, kandierte Pfirsiche, fest, nachhaltig, feine Säure, saftig, vollmundig, elegant, komplex, Mineralik

Sauvignon Blanc Außerm Holz 2007, Fidesser, Weinviertel (*)
fein vegetabil, zart vanillig und buttrig, gelbe Früchte, gewürzig, Kräuter, vegetabil, Karamell, kühle Mineralik, Kraft, sehr fein, saftig, nachhaltig

Weißburgunder Sulz 2012, Tement, Steiermark (*)
reduktiv, dicht, leicht röstiges Holz, Kernobst, Schmelz, feine Säure, elegant, nachhaltig; viel Potenzial

Meine Favoriten bei den Rotweinen (dito):

Cabernet Sauvignon Ungerbergen 2001, Prieler, Burgenland (**)
Gewürze (Lorbeer, Nelken), getrocknete Kräuter, dicht, sehr kühl, reife dunkle Beeren, saftig, geradlinige Frucht, erdige Mineralik, feines Tannin, elegant, mit Luft immer mehr Paprika, nachhaltig

Pannobile 2003, Beck, Burgenland (**)
feiner Duft, Laub, erdig, Gewürze, saftig, vollmundige Beeren-, Kirsch- und Pflaumenfrucht, zart süßlicher Schmelz, Mineralik, feines Tannin, nachhaltig

Pinot Noir Grande Reserve Holzspur 2005, Johanneshof-Reinisch, Thermenregion (*)
Gewürze (Anis), Kräuter, elegant, fein, saftige Beeren- und Kirschfrucht, ein wenig schokoladiges Holz, moderates Tannin, Mineralik, Schmelz

Master Sommelier Hendrik Thoma bei "Reif ist Live!"Darüber hinaus waren die folgenden Weine in der Probe (hier in der Reihenfolge der Verkostung angegeben):

Grüner Veltliner Loibenberg 2012, Wess, Wachau
reife gelbe Früchte, vegetabil, Gewürze, Kraft, Würze, Mineralik, Schmelz; noch sehr jung und ziemlich unruhig

Sauvignon Blanc Sandberg 2013, Fidesser, Weinviertel
Fenchel, Stachelbeeren, Spargel, Paprika, Holunder, gelbe Früchte, leicht süßlich, vegetabil, weich; sehr jung

Grüner Veltliner Loibenberg 2009, Wess, Wachau
Vanille, Karamell, reife gelbe Früchte, Holzwürze, kühl, kraftvoll, etwas medizinal, kompakte Mineralik, nachhaltig

Riesling Federspiel Vom Stein 2006, Nikolaihof, Wachau
pflanzlich, zart kräuterig, Zitrusfrüchte, Äpfel, Karamell, leicht vegetabil, Mineralik, Säurespiel, Schmelz, gewisse Kraft; wirkt fast noch etwas unruhig

Blaufränkisch Reisbühel 2000, Leberl, Burgenland
fein entwickelt, Unterholz, Gewürze, Schokolade, Nüsse, Laub, sehr reife Beeren, straff, präsentes Tannin, zart säuerliche Frucht, welke Pflanzen, erdig, Kraft

Border 2008, Kopfensteiner, Burgenland
getrocknete Kräuter, eingelegtes Gemüse, Gewürze, erdig, elegant, feine, geradlinige Beeren- und Sauerkirschfrucht, schokoladiges Holz, feinkörniges Tannin

Cablot 2001 (Magnum), Gager, Burgenland
kühl, Gewürze, dunkle Beeren, teilweise getrocknete Kräuter, Pfeffer, Unterholz, geradlinige Frucht, erdig, feinsandiges Tannin, zarter Säurebiss

Zur blauen Stunde: Orange

Karaffe mit Pinot Gris Natural Raw 2013, WenzelNach der hochinteressanten Degustation stand uns der Sinn nach einem speziellen Reparaturwein: Wir ginden schräg gegenüber ins Restaurant Lugeck, das unter anderem über eine attraktive Auswahl an Naturweinen und Orange Wines verfügt. Der Pinot Gris Raw Natural 2013 vom Weingut Wenzel aus dem Burgenland erwies sich als exzellente Wahl: Fast lachsfarben schimmerte er in der Karaffe und streichelte die Zunge mit Aromen von Wermut, Heu und getrockneten Orangen, nussigen und karamelligen Anklängen, salziger Mineralik und markantem, feinem Tanningriff.

Übrigens: Nur ein paar Gassen vom Lugeck entfernt ist das Feinkostgeschäft und Bistro von Marco Simonis – eine weitere neue gastronomische Entdeckung und nachdrückliche Empfehlung!