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Vor zwei Wochen fand die diesjährige ProWein statt, und sie war aus zwei Gründen anders als die Messen in den Jahren zuvor: Einerseits hatte die Messe Düsseldorf das Konzept für die Hallenaufteilung grundlegend geändert, und andererseits habe ich inzwischen einen neuen Job, der mir einen neuen Blickwinkel auf die Veranstaltung und die Branche beschert.

Neues Hallenkonzept

Weißburgunder Sixty-Four 2012 von PreisingerSeit ich die ProWein besuche, fand sie immer in den Messehallen 1 bis 7A statt. Zwischenzeitlich wurde zwar die Aufteilung einzelner Ausstellerländer auf die Hallen geändert, doch die Hallen selbst blieben bestehen. Das war nun in diesem Jahr anders: Die Messe wurde komplett in den bislang nicht genutzten Teil des Geländes verlegt und fand in den Hallen 9 bis 17 statt. Das war ein großer Gewinn für die Veranstaltung! Die Wege waren deutlich kürzer, das gesamte ProWein-Areal war gewissermaßen kompakter, und die Hallenfläche war insgesamt größer als bisher. So wird die Messegesellschaft auch ihren ambitionierten Expansionsplänen gerecht, und ich habe mit niemandem gesprochen, der die neue Hallenaufteilung nicht ebenfalls positiv beurteilte.

Besonders skeptisch waren nach Bekanntgabe der Konzeptänderung die österreichischen Aussteller gewesen, die bis im vergangenen Jahr mit Halle 7 direkt am Hauptein- und -ausgang platziert gewesen waren und nun um die Besucherfrequenz fürchteten. Diese Sorge erwies sich jedoch als unbegründet: Die neue Österreich-Halle 17 liegt zwar logistisch nicht mehr so zentral, doch sie ist viel größer, höher und heller als die bisherige, was die Wirtschaftskammer sogar veranlasste, ihrerseits ein neues Standkonzept umzusetzen. Wie mir einige Winzer berichteten, sei nun auch die Besucherqualität gestiegen, denn „jetzt kommen nur noch die, die sich wirklich für die österreichischen Weine interessieren“, und – um es mit harten eigenen Worten zu sagen – es verstopfen nicht den ganzen Tag Leute die Gänge, die nur durch die Halle müssen und ganz woandershin wollen.

Insgesamt war das Raumgefühl auf der Messe deutlich angenehmer, und trotz eines neuen Rekords von über 50.000 Fachbesuchern (siehe Abschlusspressemitteilung) konnte man sich in den Hallen gut bewegen.

Jahrgang 2014 in Deutschland

Das Vicampo-Team auf der ProWein 2015Seit November vergangenen Jahres bin ich ja bei Vicampo als Online-Redakteur und Verkoster tätig und habe inzwischen sogar die Leitung des Angebotsmanagements für deutsche Weine übertragen bekommen. Erstmals befinde ich mich somit auf der Handelsseite und nehme eine andere Rolle und Perspektive ein als bislang (siehe beispielsweise Messeberichte 2014, 2013, 2012 und 2011).

Für Vicampo besuchte ich Weingüter, mit denen wir zusammenarbeiten, und probierte schwerpunktmäßig die trockenen weißen Gutsweine des Jahrgangs 2014. Dabei führte ich fast ausschließlich sehr positive Gespräche und kann festhalten, dass 2014 in Deutschland in der Basis deutlich besser ist, als vielfach geschrieben wurde und auch als einige der ersten Weine, die ich vor der Messe verkostet hatte, vermuten ließen. Insgesamt hat das vergangene Jahr Weißweine hervorgebracht, die angenehm niedrig im Alkohol sind – im Durchschnitt liegen sie zwischen elf und zwölf Volumenprozent. Es gibt sie also noch, die leichten, fruchtbetonten Weine, und wir werden viele gute, eingängige Tropfen ins Portfolio aufnehmen.

Momentaufnahmen aus Österreich und Kalifornien

Riesling am Berg Grand Reserve 2011 von PfafflIn Österreich „durfte“ ich mich nach Grünen Veltlinern umsehen, um unser Portfolio dahingehend vorsichtig zu erweitern, und das tat ich hauptsächlich im Kremstal, im Kamptal und im Weinviertel. Bei Roman Josef Pfaffl probierte ich aus alter Verbundenheit und persönlichem Interesse das gesamte Weißweinsortiment, und besonders die beiden Grand-Reserve-Weine Riesling am Berg und Chardonnay Rossern des Jahrgangs 2011 haben mich wieder einmal nachhaltig beeindruckt.

Wie jedes Jahr besuchte ich auch die beiden Burgenländer Winzer Erwin Tinhof und Georg Preisinger. Über Erwins Weine habe ich bereits im Februar ausführlich geschrieben, und Georg hatte zwei außergewöhnliche Gewächse dabei, die meinen Messeabschluss bilden sollten: Seinen Weißburgunder Sixty-Four 2012 hat er als Orange Wine ausgebaut, also auf der Maische vergoren – großartig! –, und die Chardonnay Trockenbeerenauslese von 1999 wirkte geradezu transzendent.

Zum dritten Mal in Folge besuchte ich auch die Napa Valley Vintners, die in der Kommunikation auf dem europäischen Markt nach wie vor von Ghislaine Melman betreut werden. Sie trat wie in den vergangenen beiden Jahren vor der Messe über Twitter mit mir in Kontakt, und diesmal kredenzte mir am Stand Paul Leary, President der Bespoke Collection, eine Auswahl von Weiß- und Rotweinen, unter anderem von Blackbird Vineyards und Shafer Vineyards.

Geführte Verkostungen

Drei moderierte Verkostungen machte ich diesmal mit: eine spannende Grundwein-Degustation bei Champagne Bruno Paillard und zwei direkt aneinander anschließende Orange-Wine-Proben bei der Gebietsweinwerbung Franken.

Flaschen mit Fassproben der Champagner-Grundweine von Bruno PaillardBruno Paillard führte persönlich durch die Verkostung von insgesamt zehn Champagner-Grundweinen des Jahrgangs 2014, allesamt Fassproben. Drei Pinot Noirs, zwei Pinot Meuniers, drei Chardonnays und zwei Reserven, jeweils aus unterschiedlichen Lagen, gab es zu degustieren, wobei jeweils der Ausbau im Edelstahltank und im Eichenholzfass einander gegenübergestellt wurden. Alle Weine waren extrem säurebetont (wie Schaumwein-Grundweine sind und sein müssen), so dass sie – wie es auch offiziell vorgesehen war – gar nicht auf die Zunge genommen werden mussten, doch in der Nase waren die Unterschiede deutlich erkennbar. Am besten gefielen mir der Chardonnay Oger aus dem Edelstahl sowie der Chardonnay Mesnil und die Reserve aus dem Eichenholz. Zum Beginn und zum Abschluss der Probe wurden die Blanc de Blancs Grand Cru Grande Réserve bzw. die Première Cuvée des Hauses ausgeschenkt.

Bei Frankenwein moderierten Jürgen Schmücking und Susanne Platzer zwei Verkostungen maischevergorener Weißweine, in einigen Fällen unterstützt durch die Winzer selbst, die ihre Weine erläuterten. In beiden Proben ging es ausschließlich um Silvaner – laut Susanne Platzer „eine der großen Texturrebsorten Europas“. Während überall die Rebflächen der Sorte schwänden, sei sie in Franken ein Kulturgut, und da der Silvaner vom Wuchs her so kompakt sei, dass sich die Trauben ohne Anquetschen und eine gewisse Maischestandzeit gar nicht pressen ließen, sei er für Orange Wine geradezu prädestiniert, denn das Verfahren sei im Ansatz ja ohnehin üblich, erklärte Susanne.

Flaschen mit Orange Wines aus FrankenIn der ersten Verkostung wurden sechs auf der Maische und teilweise in Amphoren vergorene Weißweine präsentiert:

Karaffe mit Orange WineIn der zweiten Verkostung wurden vier maischevergorene Weißweine ihren mostvergorenen „Brüdern“ gegenübergestellt (Jürgen Schmücking formulierte: „der eine Wein war im städtischen Kindergarten, der andere im Waldorfkindergarten“):

Begegnungen mit Wein-Unternehmern

Carsten M. Stammen und Alexander Schreck am Messestand von Primum Familiae ViniVon Sommer vergangenen bis Anfang dieses Jahres habe ich ja gemeinsam mit Initiator und Herausgeber Alexander Schreck das Buch „Wine Entrepreneurs – Die Macher der Weinbranche“ verfasst, das tatsächlich plangemäß zur ProWein fertiggestellt war. Darin haben wir auf der Basis von Interviews 25 Unternehmerpersönlichkeiten aus der internationalen Weinwirtschaft porträtiert.

Alexander überreichte das Buch auf der Messe den Interviewpartnern, die dort waren, und bei Primum Familiae Vini (PFV) konnte wir beide gemeinsam Frédéric Drouhin und Miguel Torres ihr jeweiliges persönliches Exemplar überbringen. Das waren eindrucksvolle Begegnungen – beide zeigten sich sehr angetan von der Umsetzung des Projekts und vom Layout des Buchs, und Torres-Kommunikationsdirektor Christoph Kammüller stellte am PFV-Stand den Kontakt zu Christophe Brunet, dem Botschafter der Vereinigung, her, der sich ebenfalls äußerst positiv äußerte. Miguel Torres ließ uns sogar wenige Tage nach der Messe einen Dankesbrief zukommen, indem er die Arbeit nochmals lobte – eine große Wertschätzung und Motivation für mögliche weitere Projekte dieser Art.