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Am 21. November fand der „8. Frankfurter Wein- & Genusstag“ statt: die Herbst-Hausmesse von K&M Gutsweine, die seit November vergangenen Jahres in der Kochschule von Mirko Reeh in Bornheim logiert. Eine glamouröse Jubiläumsveranstaltung zum zehnjährigen Bestehen der Weinhandlung war es nicht, stattdessen eine kleine, feine Präsentation, zu der in erster Linie Stammkunden eingeladen worden waren.

Vier Champagner von Janisson-BaradonAn neun Ständen standen gut 50 Schaum-, Weiß-, Rot- und Likörweine aus europäischen Ländern zur Verkostung bereit, größtenteils ausgeschenkt von den Winzern selbst, und zwischendurch bot Mirko Reeh insgesamt acht kleine Gänge – je zwei Vorspeisen, Zwischengänge, Hauptgänge und Desserts – an, wofür jeder Messebesucher eine Karte erhielt, auf der die Gerichte abgehakt wurden; so wurde sichergestellt, dass jeder Gast jeden Gang (maximal) einmal bekam, und das „Recht des Stärkeren“ (vulgo: Schnelleren oder Unverschämteren), das bei den vergangenen Malen eher die Verköstigung dominiert hatte, wurde angenehmer Weise ausgehebelt.

Ich verkostete im Laufe des Nachmittags bequem alle angebotenen Weine und bildete schnell vier Kategorien der Qualität bzw. der Präferenz: gute Weine ohne besondere Kennzeichnung, bemerkenswerte (sehr gute) Weine, großartige Weine und herausragende Weine. In diese Kategorien ordnete ich alle probierten Gewächse ein, wobei ein Wein tatsächlich eine alles überragende Klasse für sich darstellte.

Nachfolgend liste ich die Weine gemäß den Kategorien auf und gebe jeweils meine kurzen Verkostungsnotizen wieder:

2013 Riesling von Quinta de Sant'AnaGute Weine

2013 Leithaberg Weiß und 2008 Leithaberg Weiß von TinhofBemerkenswerte Weine

2013 Auxey Duresses Blanc von ChanterêvesGroßartige Weine

2011 Les Muses von JoncierHerausragende Weine

2010 Riesling Uhlen B Reserve von Heymann-LöwensteinExorbitanter Einzelwein

Speisenbegleitung

Mirko Reeh hatte die folgenden Gerichte zubereitet, zu denen ich – bis auf zwei Ausnahmen – jeweils einen bestimmten Wein aus der Verkostung als Begleiter probierte:

  1. Spinat-Kürbis-Suppe mit Grüne-Soße-Kräutern
    Dazu passte der 2013 Leithaberg DAC Weiß von Tinhof sehr gut.
  2. Handkäs‘ Moscow Mule Style

    Diesen Gang fand ich bei einer Weinveranstaltung völlig fehl am Platz: pikant asiatisch abgeschmeckt und mit rohen Zwiebeln – das macht anschließend jede Verkostung unmöglich.
  3. Süß-würziger Linsensalat mit Hirsch und Ente

    Ausgesprochen köstlich – und zusammen mit dem 2008 Leithaberg DAC Weiß von Tinhof umso schöner.
  4. Pasta Cajun Style

    Sehr von Rauchsalz geprägt; der 2014 Verdelho von Quinta de Sant‘Ana meisterte die Herausforderung jedoch tadellos.
  5. Sushi im Glas von Mirko ReehSushi im Glas

    Grandioser Gang mit Reis, Algen, Garnele und Lachs! Und der 2014 Riesling Uhlen Blaufüßer Lay GG von Heymann-Löwenstein war dazu eine vortreffliche Wahl.
  6. Ragout von der Ochsenbacke auf Kartoffel-Schwarzwurzel-Püree
    Der 2010 Château Aydie von Château d‘Aydie erwies sich als exzellenter Partner.
  7. Schokoladenkuchen mit beschwipsten Kirschen
    Dazu war der 2010 Late Bottled Vintage Port von Quinta do Passadouro geradezu ein Traum.
  8. Schmand-Eis
    Eis braucht keine Weinbegleitung.

Randerscheinungen

Die Stimmung war wie immer bei K&M entspannt, genussorientiert und familiär – diesmal umso mehr dank des neuen Verköstigungskonzepts. Bei der Degustation machte ich jedoch auch wieder einige hochinteressante Beobachtungen, die zeigten, wie handelsübliche Weinkunden denken und empfinden und welches Erlebnisniveau und Beurteilungsvermögen man als Profi mitunter als selbstverständlich ansieht. Immer wieder muss ich mich bewusst dazu anhalten, „runterzukommen“.

So ließ eine Besucherin den 2006 Champagne Toulette von Janisson-Baradon mit dem Hinweis zurückgehen, dieser habe womöglich Kork, sei aber in jedem Fall wohl fehlerhaft. Cyril Janisson erklärte daraufhin nach umgehender Prüfung, dass der Champagner vollkommen in Ordnung sei und so riechen und schmecken müsse; das liege am Alter. Die betreffende Dame konnte demzufolge die Reifenoten und die Aromen des Holzausbaus zumindest bei einem Schaumwein, von dem man üblicher Weise eine fruchtig-frische Art gewohnt ist, nicht einordnen. Erste Reaktion: Ablehnung. Fazit: Wir müssen als Fachleute Weine, die auch nur minimal vom so genannten Mainstream abweichen, noch viel intensiver und offensiver, dabei aber stets behutsam, verständlich und bescheiden, erklären.

2011 Le Cèdre von Château du CèdreEin anderer Besucher fragte am Stand eines portugiesischen Weinguts, welche Weine und Produzenten aus dem Douro man ihm denn empfehlen könne, „die bei Parker gerankt sind“. Was lässt sich daraus schließen? Die Punkte-Orientierung und
-Gläubigkeit (um nicht zusagen: -Hörigkeit) bei den Konsumenten ist weiterhin ungebrochen, und anstatt die präsentierten Weine erst einmal neugierig und unvoreingenommen zu probieren, scheuen sich einige Kunden augenscheinlich nicht, bei Winzern unverhohlen nach von Kritikern ausgezeichneter Konkurrenz zu fragen. Das finde ich ausgesprochen bedauerlich. Derselbe Besucher fragte mich übrigens später, wie ich denn die Messe beurteilen würde, und als ich darauf antwortete, ich hielte sie für eine der hochwertigsten Hausmessen in Deutschland, wurde mir mimisch und verbal jede Zurechnungsfähigkeit und Kompetenz abgesprochen: Das meinte ich doch wohl nicht ernst; ob ich schon mal auf der ProWein gewesen sei, und was ich denn für einen Job hätte.

Doch, das meine ich absolut ernst; die ProWein taugt hier auch nicht als Vergleich: Die ProWein ist weltweit eine der größten und die internationalste Weinmesse, und es versteht sich, dass dort viele Spitzenweingüter von Weltrang zu den Ausstellern zählen. Doch es gibt dort eben auch eine große Zahl mittelmäßiger bis unterdurchschnittlicher Weine. Bei einer Hausmesse wie von K&M (oder auch von der K&U Weinhalle in Nürnberg, über die ich im letzten Blogbeitrag berichtet habe) haben jedoch engagierte und fachkundige Händler bereits eine Auswahl getroffen, d.h. es gibt auf solchen Veranstaltungen so gut wie keine qualitativ schlechten Weine, höchstens welche, die mir nicht schmecken. Das ist der Vorteil von Fachhändler-Weinmessen: Es hat bereits eine qualitative Selektion stattgefunden – abgesehen von persönlichen Vorlieben und Abneigungen ist tendenziell jeder Wein ein Treffer. Das jedenfalls ist bei K&M so, und deshalb zählt der „Frankfurter Wein- & Genusstag“ für mich jedes Jahr zu den lohnendsten Weinveranstaltungen, die es in Deutschland mit Blick auf europäische Gewächse gibt.

Es gab aber auch noch humorvolle Einlassungen auf der Messe: „Riech‘ mal die Nase“, sagte eine Besucherin zu ihrem Begleiter – worauf beide ob des unbeabsichtigten Wortspiels in Gelächter ausbrachen. Und gegen Ende der Veranstaltung sprach mich ein Besucher an, mit dem ich mich bei jeder K&M-Hausmesse gut unterhalte: „Wie – Sie sind schon durch? Ach, Sie spucken ja auch aus. Das gilt nicht!“

2011 Gloriette von TinhofAngesichts meiner langjährigen Verbundenheit mit K&M (und weil ich einer der letzten Gäste war), wurde ich nach der Messe freundlicher Weise sogar noch zum geselligen Ausklang eingeladen – und das wurde einer der großen Abende des Jahres: zehn vinophile Menschen aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Belgien, England und Portugal, sämtliche geöffneten Probeflaschen vom Nachmittag, herzhafte Wurst-, Schinken- und Käsespezialitäten sowie angeregte Gespräche über Kulinarik, Zeitgeschehen, Politik und Kultur. Drei der Weine bestätigten bei dieser Gelegenheit noch einmal nachdrücklich ihre außerordentliche Qualität, nachdem sie sich mit Luft jetzt zu voller Größe aufgeschwungen hatten: der 2011 Lirac Les Muses von Joncier, der 2011 Blaufränkisch Gloriette von Tinhof (hier war die deutlichste Steigerung zu konstatieren) und der 2011 Le Cèdre von Château du Cèdre. Das spricht doch irgendwie für diesen Rotweinjahrgang.