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Es mag anmaßend – oder auch vollkommen belanglos – anmuten, darüber einen Blogbeitrag zu schreiben, doch es ist ein sprachliches Thema, das mich beschäftigt, mit dem man spielen kann und das obendrein mit Wein zu tun hat. Es geht um Weinnamen, die sich aus abgekürzten Rebsortennamen herleiten. Einen solchen las ich heute: „ChaGrü“.

Weinetikett "ChaGrü"Der betreffende Wein – ein österreichisches Erzeugnis, selbst sehr anständig gemacht und durchaus süffig – ist eine Cuvée aus Chardonnay und Grünem Veltliner. Deshalb hat der Winzer jeweils die ersten drei Buchstaben der Namen der beiden Rebsorten (man könnte auch sagen: bis einschließlich zum ersten Vokal) aneinandergefügt und die Zweiteiligkeit, die auf den Ursprung der Bezeichnung und somit auch auf den Cuvéecharakter und die Komponenten des Weines hinweist, ferner mit der Binnenmajuskel (also dem Großbuchstaben innerhalb des Wortes) hervorgehoben. So ergab sich eben „ChaGrü“.

Für ähnliche Namensbildungen bei Weinen gibt es mehrere Beispiele, etwa „GrüVe“ (für einen ebenfalls österreichischen Grünen Veltliner) oder M-TH (für einen fränkischen Müller-Thurgau). Das Prinzip funktioniert also auch bei sortenreinen Weinen, doch müssen die entsprechenden Trauben mehrteilige Namen haben. Als ich nun „ChaGrü“ las, kamen mir verschiedene Assoziationen, und über diese will ich hier ein wenig philosphieren...

Wenn man dieses Wort das erste Mal liest oder hört, wirkt es fast schweizerisch. Phonetisch lässt sich „Chagrü“ jedenfalls sehr leicht als Begriff aus dem Schwyzerdütschen vorstellen – was auch immer er dann bedeuten sollte. Ein klangliche Ähnlichkeit besteht aber ebenso zum französischen „chagrin“, was Kummer, Leid oder Gram bedeutet. Wenn ein frankophoner Weintrinker bei „ChaGrü“ jedoch an etwas Schmerzvolles dächte, hätte der Wein für ihn wohl ein eher negatives Image, und er würde sich für einen anderen entscheiden.

Mir stellt sich die Frage, welche anderen Möglichkeiten der Namensgestaltung für eine solche Cuvée aus Chardonnay und Grünem Veltliner sich – unter Beibehaltung des Namensbildungsprinzips – bieten würden. Naheliegend (und am nächsten an der gewählten Vorgehensweise) wäre beispielsweise, beim Grünen Veltliner nicht die ersten drei Buchstaben des ersten, sondern des zweiten Namensbestandteils zu nehmen. Dann hieße der Wein „ChaVel“ – und das klingt für mich spontan deutlich positiver, denn es erinnert mich an die Parfümmarke Chanel, und ein Wein, der an einen teuren, exquisiten Duft denken lässt, wird auf Anhieb ein gutes Image haben. Allerdings wirkt „ChaVel“ wiederum auf frankophone Menschen möglicherweise wie eine Verballhornung von „cheval“, also Pferd, und einen leicht und frisch konzipierten Weißwein, der nach Pferd riecht oder gar schmeckt, möchte man wohl nicht wirklich trinken.

Nun könnte man – in Abwandlung des Gestaltungsprinzips – auch den Anfang des ersten Rebsortennamens mit dem Ende des zweiten Rebsortennamens kombinieren. Dann ergäbe sich so etwas wie „Chardiner“ oder „Chartliner“. Das erste Wort erinnert entweder an das französische Wort für Gärtner, „jardinier“, oder man fragt sich beim Hören als Deutsch Denkender unwillkürlich, was für ein „Diener“ das sein soll; beides ergibt wenig Sinn. Mit dem zweiten Wort ist es noch viel schlimmer: Wer es sieht, spricht es sofort englisch aus – und meint dann im günstigsten Fall, dass hier die Auskleidung („liner“) eines Schaubilds („chart“) Pate gestanden habe; das allerdings erst recht ohne erkennbaren Sinn. Diese Vorschläge scheiden also beide aus. (Auf verwandte Ideen wie „Chardoliner“ oder dergleichen gehe ich daher nicht weiter ein.)

Bliebe noch, die Reihenfolge der Rebsorten umzukehren – auf den bestehenden Namen angewandt, hieße der Wein dann „GrüCha“. Wer das hört, will instinktiv sofort „Gesundheit!“ sagen; oder er denkt an etwas Asiatisches, was einem österreichischen Weißwein aber auch nicht dienlich sein kann. Meine obigen Überlegungen aufgreifend, ließe sich noch „VelCha“ konstruieren, was jedoch auf Deutsch (zumal auf Rheinisch) so ähnlich klingt wie „welcher“ oder aber einen neuen lateinamerikanischen Tanz vermuten lassen könnte. Als zielführend erweist sich also auch dieses Vorgehen nicht.

Ich denke daher, dass der „ChaGrü“-Winzer mit dem Namen grundsätzlich auf dem sehr richtigen Weg ist – nur ich persönlich hätte den Wein aus den genannten Gründen eher „ChaVel“ genannt.