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An den letzten beiden Aprilwochenenden stand das Rhein-Main-Gebiet (Frankfurt, Wiesbaden, Mainz) im Zeichen mehrerer Wein-Veranstaltungen: Am 20. und 21. April fand im Frankfurter Westend zum achten Mal die Messe „Wein am Main“ statt, zeitgleich lud die Weinhandlung K&M Gutsweine am 20. April zu ihrer dritten Hausmesse in den Osten der Stadt; am 27. April feierte der VDP im Wiesbadener Kurhaus den 13. „Ball des Weines“, und am 28. und 29. April kamen rund 3.200 Fachbesucher zur 40. VDP-Weinbörse in die Mainzer Rheingoldhalle. Drei der Veranstaltungen habe ich besucht und berichte hier in gebotener Kürze und gewollter Subjektivität über meine Eindrücke.

Hausmesse K&M Gutsweine, 20. April

Bernd Klingenbrunn und Armin Busch hatten wie schon beim letzten Mal die Event-Location Ketao+ für ihre Hausmesse gebucht. Diesmal präsentierten 16 Winzer (15 aus Deutschland, einer aus Österreich) rund 90 Weine – die ich auch alle verkostete. Leider war die Messe nur eher spärlich besucht, was auch an der, wie gesagt, parallel stattfindenden „Wein am Main“ (laut Veranstalter der erfolgreichsten jemals) gelegen haben mag. Die Stimmung jedenfalls war auch jetzt angenehm locker, familiär und genussorientiert – das zeichnet die K&M-Hausmessen aus.

Ich konnte mir ausreichend Zeit für alle Produzenten nehmen, und dies waren meine Favoriten unter den Weinen:

Weingut Eva Vollmer, Rheinhessen

Weingut Alexander Laible, Baden

Weingut Bercher, Baden

Weingut Hans-Peter Ziereisen, Baden

Weingut Stadt Klingenberg, Franken

Weingut Balthasar Ress, Rheingau

Weingut Thorsten Melsheimer, Mosel

Weingut O., Mosel

Weingut Pfirmann, Pfalz

Weingut Theo Minges, Pfalz

Weingut Jülg, Pfalz

Weingut Erwin Tinhof, Burgenland

Besonders fortschrittlich war, dass alle Weine, auf die dies jeweils zutraf, in der Verkostungsliste als „bio“ und/oder „vegan“ gekennzeichnet waren.

Alles in allem war es ein kurzweiliger Nachmittag bei K&M – nach dem ich sogar noch nach Bensheim fuhr, um beim „Bergsträßer Weintreff“ einige Rote Rieslinge und andere Weine zu probieren. Auf den Besuch der „Wein am Main“ tags darauf verzichtete ich allerdings.

Ball des Weines, 27. April

Das Motto des diesjährigen Balls war „Ein Märchen“ – und der Abend war wahrhaftig märchenhaft! Das Menü und die Weine waren um Klassen besser als im vorigen Jahr, das Programm – Märchenszenen vom faszinierenden Schattentheater „Die Mobilés“ sowie Musical-Highlights mit Uwe Kröger und Annemieke van Dam – ebenfalls ein Genuss, und die Reden, unter anderem von Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier und VDP-Ehrenpräsident Michael Prinz zu Salm-Salm, waren so launig wie selten. Sogar die Vorstellung der Sponsoren hatte einen ganz besonderen Charme, denn sie war keine trockene Aufzählung wie sonst so oft, sondern witzig als Märchenerzählung verpackt, mit der die Deutsche Weinkönigin Julia Bertram als Moderatorin den Ball eröffnete.

Zu unserer freudigen Überraschung saßen wir am Tisch zusammen mit einem Ehepaar aus Frankfurt, das im vergangenen Jahr am Nebentisch gesessen hatte und mit dem wir uns schon damals bestens verstanden hatten. So war für blendende Unterhaltung auch im kleinen Rahmen gesorgt.

Im Festsaal wurden drei Gänge mit korrespondierenden VDP-Weinen serviert. Zur Einstimmung gab es den 2009er Karthäuserhofberg Riesling GG vom Weingut Karthäuserhof – ein überragender Einstieg mit viel Finesse. Der erste Gang trug den Namen „Aschenputtels Ballschuh“ und erwies sich als ein Arrangement aus Thunfisch, Gamba und Shrimpscocktail, das tatsächlich in einem gläsernen Schuh angerichtet war. Der 2007er Wolfshöhle Riesling GG vom Weingut Ratzenberger passte dazu noch deutlich besser als der 2009er Stein Silvaner GG vom Weingut Bürgerspital zum Heiligen Geist. Der Hauptgang hieß „Prinzessin auf der Erbse“ und war eine Kombination von Rinderfilet und Ochsenbäckchen mit Erbsenpüree sowie weißem Spargel und Sauce Hollandaise. Hier harmonierten sowohl der 2009er Schlossberg Spätburgunder GG vom Weingut des Grafen Neipperg als auch der 2009er Lorcher Schlossberg Riesling Alte Reben vom Weingut Kesseler vortrefflich. Zum Dessert wurde „Des Froschkönigs goldene Kugel“ aufgetragen, eine gefüllte Schokoladenkugel mit Mangosüppchen. Dazu machte der 1999er Heppenheimer Centgericht Spätburgunder Eiswein von der Domäne Bergstraße der Hessischen Staatsweingüter eine gute Figur.

Nach dem offiziellen Bühnenprogramm begaben wir uns wechselweise auf die Tanzfläche und auf die Flaniermeile. Unter anderem probierten wir dort Riesling von 1943, 1953 und 1998 – von denen der 1953er Hattenheimer Engelmannsberg Riesling Auslese von Kloster Eberbach mit Abstand der beste war. Allzu viele Bekannte traf ich in diesem Jahr auf dem Ball nicht, doch es gab ein herzliches Wiedersehen mit Oliver Schröbel, Geschäftsführer der Odenwälder Winzergenossenschaft, den ich lange nicht gesehen hatte.

Nach vielen Weinen und kulinarischen Köstlichkeiten (mit Ausnahme der widerlich süßen, ungenießbaren Cupcakes, die in einem der Säle gereicht wurden), angeregten Gesprächen und beschwingten Tänzen verließen wir gegen zwei Uhr früh in beseelter Stimmung das Kurhaus – und freuen uns jetzt schon auf den nächsten „Ball des Weines“.

VDP-Weinbörse, 28. und 29. April

Anders als mancher andere Besucher hatte ich nie den Anspruch, alle auf der Weinbörse vertretenen 175 Winzer zu besuchen und mir ein Urteil über ihre aktuellen Weine zu bilden. Mir kam und kommt es mehr auf Gesichter und Geschichten zu den Weinen an, und so wurde ich nur bei einem Teil der Erzeuger vorstellig (insgesamt bei 34), verbrachte dort aber längere Zeit und verkostete größtenteils das gesamte angebotene Sortiment.

Am ersten Tag gab ich mich sogar zunächst dem hin, was ich auf Weinmessen und -präsentationen am liebsten tue: Ich ließ mich von Stand zu Stand treiben, überwiegend gemeinsam mit Freunden, deren ich unterwegs jede Menge traf und die ihrerseits bestimmte Vorstellungen hatten, wohin sie gehen und was sie probieren wollten. Ausführlich unterhielt ich mich unter anderem mit meinen angestammten Frankfurter Kontakten Bernd Klingenbrunn und Armin Busch von K&M Gutsweine, Harry H. Hochheimer von der gleichnamigen Wein- und Beratungsagentur, Chris Hörle von der Weinschänke „Zur alten Schmiede“ und Kai Buhrfeindt vom Weinrestaurant „Grand Cru“ sowie mit dem geschätzten Kollegen Albert de Jong von der Imperial Wijnkoperij. Es war an beiden Tagen ein großes Händeschütteln und kurzes Austauschen freundlicher Worte, denn alles, was in der Weinszene Rang und Namen hat, war auf der Weinbörse anzutreffen.

Für den zweiten Tag hatte ich mir eine Liste mit 46 Weingütern gemacht, die ich besuchen wollte – ein irrwitziges und völlig hoffnungsloses Unterfangen, wie sich bald herausstellte. Es bringt an dieser Stelle nun aber auch wenig, einfach alle Winzer aufzuzählen, deren Weine ich verkostet habe oder verkosten wollte – zumal eine valide Aussage über die Qualität unter den Degustationsumständen einer Messe meines Erachtens kaum möglich ist. Zwar hatte ich auf der Weinbörse den Eindruck, dass der Jahrgang 2012 – den Ernteberichten entsprechend – ein guter (das heißt in erster Linie: sauberes, reifes Lesegut) ist, doch pauschal lässt sich das weder für ein Anbaugebiet noch für einen Betrieb sagen. Es kommt auf jeden einzelnen Wein an, und genau das stellen wir auch gerade bei den Verkostungen für den Wein-Plus-Weinführer fest, nachdem immer mehr 2012er Weine eingereicht werden. Fest steht jedenfalls schon, dass charakteristisch für das Weinjahr 2012 eine durchaus markante Säure ist.

Bereits wenige Tage nach der Weinbörse wurde in mehreren Blogs über den neuen Jahrgang, die Umsetzung der neuen VDP-Klassifikation und auch über unterschiedliche Stilistiken bzw. Philosophien der VDP-Winzer berichtet. So macht etwa Martin Kössler „innerhalb des VDP zwei divergierende Lager“ aus: zum einen die „Sicherheits-Winzer“, die zwar „Weine auf hohem technischem Niveau“ produzieren, doch „Herkunft, Lage und Qualitätsabstufung sucht man in ihnen meist vergebens“; und zum anderen die Winzer, „die sich kompromisslos dem Herkunftsprinzip verschrieben haben“ und deren Weine „traditionell im besten Sinne des Wortes, stilistisch wie qualitativ konsolidiert“ sind. Captain Cork greift in seinem Blogbeitrag diese Unterscheidung zwischen den „Braven“ und den „Mutigen“ auf und meint, „dass der VDP diskutieren sollte, wohin der Verband steuern will“. Auch Dirk Würtz stellt fest, „dass sich die Stilistiken immer mehr ändern und auch immer weiter auseinander driften. [...] Die Unterschiede in der Philosophie waren selten so deutlich wie aktuell. Ich würde sogar fast so weit gehen zu sagen, dass es eine Art neue Bewegung innerhalb des VDP gibt.“ Christin Jordan dagegen schreibt in ihrem Blog: „Den mancherorts proklamierten tiefen Graben, der den VDP in Sicherheitslangweiler und junge Wilde spaltet, haben wir so nicht gesehen. Dafür an vielen Ecken Mut zu Neuem, das vielleicht in Wirklichkeit das Alte ist, aber selten konsequent durch die komplette Kollektion.“

Zu diesem Thema entspann sich – natürlich – auch eine lebhafte Diskussion auf Facebook, namentlich in der Gruppe „Hauptsache Wein“. Hier hat Marcus Hofschuster seine Beurteilung des Jahrgangs 2012 – freilich „soweit man das anhand von Messeproben beurteilen kann“ – prägnant zusammengefasst: „In Bestform begeistert 2012, keine Frage, aber oft genug zuckt man halt mit den Schultern und immer wieder verzieht man doch das Gesicht und denkt sich: die haben den Schuss immer noch nicht gehört. [...] es gibt schon auch einige Produzenten, die 2012 nicht annähernd so gut sind wie 2011 oder 2010. Die Ursachen sind so einfach wohl kaum zu benennen – und aufgrund schneller Proben auf einer Präsentation schon gar nicht. Es gibt logischerweise mehrere Ursachen – von ganz normalen Schwankungen einmal ganz abgesehen. Ich habe aber Betriebe probiert, die mir in den letzten 2 Jahren sehr positiv aufgefallen sind, deren Weine heuer aber dünn und/oder sauer und/oder rau und gerbstoffig und/oder unklar und/oder stumpf etc. waren. Einfach ganz und gar nicht gut. Manchmal eben einfach nur reizlos und banal, manchmal substanzarm und dafür hübsch süß-sauer. Es ist wie so oft in den letzten Jahren: der Jahrgang kann groß sein, aber er hatte seine Hürden.“

Amen? Nun, was ich bestätigen kann, sind die gewissen Unterschiede in den Stilistiken: Bei manchen Erzeugern wirken die Weine über die Lagen hinweg vielfach wenig ausdifferenziert. Das müssen dann wohl Martin Kösslers „Sicherheits-Winzer“ sein. Bei anderen eröffnet sich – zumal, je höher man in der Qualitätspyramide kommt – bei jedem Wein ein eigenes Universum, eindeutige Lagentypizität, Eigenständigkeit und Herkunft. Diese ersten, eher flüchtigen Impressionen müssen jedoch erst noch in einer konzentrierten (Blind-)Verkostung verifiziert werden, bevor sie offizielle Urteile sein können. Dies umso mehr vor dem Hintergrund, dass viele der präsentierten Weine erst wenige Tage gefüllt waren und sich noch sehr unruhig zeigten und dass mehrere Weine noch als Fassproben ausgeschenkt wurden und überhaupt erst noch ganz zu sich finden müssen.

Jenseits der Diskussion haben mich auf der Weinbörse – neben zahlreichen anderen sehr guten – speziell zwei Produzenten mit ihrer Kollektion beeindruckt: Wagner-Stempel und Drautz-Able – doch das beruht sehr stark auf persönlichen Präferenzen.

Es wird interessant sein zu verfolgen, wie sich die Weine des Jahrgangs 2012 entwickeln werden; und auch, wie sich der VDP weiter entwickeln wird. Zur neuen Klassifikation habe ich nämlich auch verbandsintern einige kritische Stimmen gehört – doch die betreffenden Winzer möchten sich derzeit (noch) nicht öffentlich äußern, sondern wollen die Schwierigkeiten, denen sie sich gegenübersehen, zunächst in ihren Regionalverbänden erörtern.